Arzneimittel und Therapie

Alzheimer-Krankheit: Behandlung mit Acetylcholinesterase-Hemmern

Trotz intensiver Forschungsarbeiten ist die Ursache der Alzheimer-Krankheit weiterhin unbekannt. Eine kausale Therapie ist daher zur Zeit nicht möglich. Aus diesem Grund richtet sich das Interesse der pharmazeutischen Industrie auf Wirkstoffe, die das Fortschreiten dieser bei alten Menschen häufigen Krankheit hinauszögern können. Erfolgversprechend sind die neueren Acetylcholinesterasehemmer wie Metrifonat, denn damit gewinnen Alzheimer-Patienten kostbare, qualitativ noch hochwertige Jahre. Sowohl die Angehörigen als auch das Pflegepersonal werden dadurch entlastet.

Risikofaktor Alter Etwa jeder fünfte Mensch über 80 Jahren leidet an der Alzheimer-Krankheit. Der Psychiater Alois Alzheimer hatte im Jahre 1906 diese Demenzform beschrieben, die seitdem seinen Namen trägt. Alzheimer autopsierte die Leiche einer Patientin, die zu Lebzeiten in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit gestört war und nur mit Mühe sprechen konnte. Das Gehirn der Frau war atrophiert, und an der Gehirnrinde waren Veränderungen feststellbar: Innerhalb der Nervenzellen entarteten die Neurofibrillen zu Bündeln. Und zwischen den Nervenzellen entdeckte Alzheimer "Herdchen", die sich dort eingelagert hatten. Heute weiß man, daß nicht nur diese von Alzheimer beschriebenen Ablagerungen im Gehirn die Krankheit begleiten, sondern auch der selektive Verlust an Nervenzellen. Besonders empfindlich sind dabei die cholinergen Neuronen, die bereits in einem frühen Stadium der Krankheit untergehen. Acetylcholin ist einer der zentralen Botenstoffe im Gehirn, der an der Verarbeitung von Informationen mitwirkt und eine wichtige Rolle bei Lern- und Gedächtnisprozessen spielt.

Früherkennung schwierig Das tückische an der Alzheimer-Krankheit ist, daß die typischen Symptome wie Vergeßlichkeit, Sprachstörungen und Verhaltensveränderungen erst dann auffallen, wenn im Gehirn schon ein Großteil der Nervenzellen untergegangen ist. Da mit einer symptomatischen Therapie so bald wie möglich begonnen werden sollte, ist es wichtig, die Krankheit in einem möglichst frühen Stadium zu diagnostizieren. Die Psychiater haben zu diesem Zweck eine Reihe von Tests entwickelt, mit denen sich die kognitiven Fähigkeiten und das Alltagsverhalten der Patienten beurteilen lassen. Praktisch ist vor allem der Mini-Mental-Status-Test, weil ihn jeder Hausarzt durchführen kann. Der Arzt überprüft in einem Gespräch mit dem Patienten, ob dieser verschiedene Dinge des Alltags benennen und sich Begriffe über einen kurzen Zeitraum merken kann. Hat der Patient Schwierigkeiten bei dieser für gesunde Menschen einfachen Übung, so wird man seinen Zustand mit weiteren Tests erfassen und bewerten. Eingesetzt werden zum Beispiel die ADAS (Alzheimers Disease Assessment Scale) oder die DAD (Disability Assessment in Dementia Scale).

Vom Pflanzenschutzmittel zum Arzneimittel Acetylcholinesterasehemmer wirken dem im Gehirn von Alzheimer-Patienten beobachteten Acetylcholinmangel entgegen. Die Gruppe der neueren Hemmer ist hinsichtlich der Molekülstruktur uneinheitlich, denn das Enzym Acetylcholinesterase läßt sich vielfältig hemmen. Nicht jeder Enzyminhibitor ist aber gut verträglich. Pharmakologischen Studien zufolge eignet sich ein Acetylcholinesterasehemmer dann am besten, wenn die Enzymhemmung allmählich einsetzt, der Wirkstoff langsam anflutet und über einen langen Zeitraum aktiv ist. Diese Forderung wird von dem kompetitiven Acetylcholinesterasehemmstoff Metrifonat erfüllt. Metrifonat ist ein Prodrug, das unter physiologischen Bedingungen durch Hydrolyse in die eigentliche Wirkform DDVP (O,O-Dimethyl-2,2-Dichlorovinyl-Phosphat) metabolisiert wird. Metrifonat wurde zuerst in den fünfziger Jahren im Pflanzenschutz eingesetzt. Einige Jahre später folgte die Anwendung des Mittels gegen Parasiten beim Menschen. Die WHO empfiehlt zum Beispiel Metrifonat als essentiellen Wirkstoff zur Behandlung der Tropenkrankheit Bilharziose (Schistosomiasis).

Verzögerung möglich Acetylcholinesterasehemmer wie Metrifonat können die Alzheimer-Krankheit nicht heilen, aber ihr Voranschreiten hinauszögern. In einer großen Studie mit über 600 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Krankheit wurde gezeigt, daß die Patienten, die über 26 Wochen Metrifonat erhielten, ihre kognitiven Fähigkeiten deutlich länger erhalten konnten als die der Plazebogruppe. Außerdem bewahrten die Patienten in der Metrifonatgruppe ihre Leistungsfähigkeit in Alltagssituationen länger als in der Plazebogruppe, was eine Entlastung für die Angehörigen und das Pflegepersonal bedeutet.

Quelle Prof. Dr. Michael Rösler, Würzburg, Priv.-Doz. Dr. Michael Zaudig, Windach, Dr. Bernhard Schmidt, Köln, Dr. Martin Haupt, Düsseldorf, Pressekonferenz "Metrifonat - Fortschritt in der Alzheimertherapie für die Betroffenen und ihre Angehörigen", München, 6. Mai 1998, veranstaltet von Bayer AG, Leverkusen. Michael Stein, München

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