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Folgen der EuGH-Urteile: Seehofer gegen Erstattung von Auslandsleistungen

BONN (im). Der Bundesgesundheitsminister hat den Kanzler gebeten, beim nächsten EU-Gipfel am 15. / 16. Juni in Cardiff die Folgen der jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Sprache zu bringen. Nach Ansicht von Horst Seehofer muß das Spannungsfeld politisch gelöst werden, daß einerseits zwar freier Waren- und Dienstleistungsverkehr in Europa herrschen soll, andererseits die Mitgliedstaaten jedoch etwa für die Finanzierung ihrer Krankenversicherung zuständig sind. Dies könne nicht Richtern überlassen werden, sagte der Minister am 5. Juni vor Journalisten in Bonn.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) fürchtet eine Auszehrung der deutschen Krankenversicherung bei Anwendung der EuGH-Urteile. Ende April hatten die Richter am Beispiel zweier Luxemburger, denen ihre Krankenkassen die Kosten für eine in Belgien gekaufte Brille sowie für eine Zahnregulierung in Trier nicht erstatten wollten, entschieden, daß die Kassen den Teil tragen müssen, den sie für die entsprechende Behandlung im Inland gezahlt hätten (AZ Nr. 19 vom 4. 5.). Seehofer hat nach Prüfung im BMG den Bundesländern mitgeteilt, daß die beiden Urteile nicht auf Deutschland angewendet werden sollten. Sie wirkten förmlich nur für Luxemburg, wo im übrigen die Kostenerstattung vorherrsche, während in Deutschland überwiegend das Sachleistungsprinzip gelte. Wie der Minister ausführte, ist die Beschränkung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs durch nationale Regelungen beispielsweise bei einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses zulässig. Die EuGH-Urteile sollten "auch nicht teilweise" angewendet werden, da ansonsten die Instrumente zu Wirtschaftlichkeit und Effizienz in der Krankenversicherung ausgehebelt würden. In Deutschland gebe es beispielsweise die Bedarfszulassung von Ärzten oder die neuen Richtgrößen für die Arzneiausgaben. Bei der Leistungserbringung im Ausland liefe diese Steuerung ins Leere, warnte Seehofer.

Ausnahmen von der Regel Es bleibe daher bei der geltenden Rechtslage. Wie bisher könnten mittels Genehmigung im Einzelfall oder in Grenzregionen (hier mit pauschaler Genehmigung durch die Krankenkasse) Leistungen in einem Mitgliedstaat in Anspruch genommen werden. Darüber hinausgehende Fälle seien ohne Rechtsgrundlage, die Krankenkassen dürften dafür entstehende Kosten nicht erstatten. Wie Seehofer sagte, hat er sich mit den Kassenverbänden in diesem Sinn verständigt, allerdings gebe es mit dem AOK-Bundesverband noch "Gesprächsbedarf". Sollten die Kassen trotzdem Auslandsleistungen erstatten, sollten sie auch die finanzielle Verantwortung dafür übernehmen, so seine Forderung. Die Aufsichtsbehörden der Länder und das Bundesversicherungsamt in Berlin tragen seinen Worten zufolge die Auffassung des BMG.

Kassen stimmen im Prinzip zu Auf Anfrage hieß es beim AOK-Bundesverband, die Ortskrankenkassen stimmten den Überlegungen des Ministers grundsätzlich zu. Gesundheitsleistungen würden in der Regel nur bei Notfällen während des Auslandsurlaubs erstattet. Sie zahlten jedoch trotzdem für Brillen und Zahnersatz, für die im Inland Festzuschüsse und Kostenerstattung gelten, da sie davon ausgingen, daß ein deutscher Versicherter unter Berufung auf die EuGH-Urteile im Streitfall Recht bekäme. Ähnlich argumentierte der Bundesverband der Betriebskrankenkassen, der seinen Versicherten den Klageweg ersparen will.

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