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Pharmazeutische Betreuung: Arzt und Apotheker auf dem Weg in die Zukunft

BERLIN (mw). "Pharmazeutische Betreuung" ist ein neues Konzept, bei dem der Apotheker als kompetenter Partner in enger Kooperation mit dem behandelnden Arzt in die Betreuung von Patienten und die Überwachung der Arzneimitteltherapie mit einbezogen wird. Ziele sind dabei die Erhöhung der Effektivität therapeutischer Maßnahmen und die Minimierung bzw. der Ausschluß von unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder Wechselwirkungen. Wie dieses Konzept in Zukunft verwirklicht werden kann, wurde auf einem Symposium der Apothekerkammer Berlin und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände im Rahmen des 47. Ärztekongresses Berlin gemeinsam von Ärzten und Apothekern diskutiert.

Sicherheitspartnerschaft Dozentin Dr. Marion Schaefer von der Arbeitsgruppe Arzneimittelepidemiologie der Humboldt-Universität Berlin betonte, daß es nicht darum gehe, den Arzt und seine verordnete Therapie zu kontrollieren. Vielmehr solle eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Arzt und Apotheker zum Wohle des Patienten und zu Erhöhung seiner Lebensqualität eingegangen werden. Wichtige Schritte bei der Umsetzung des Konzeptes sei die Gewinnung von Patienten und Ärzten für dieses Angebot der Apotheker, die Führung von patientenbezogenen Medikationsdaten in der Apotheke sowie die Identifikation arzneimittelbezogener Probleme und ihre Lösung in enger Kooperation mit dem behandelnden Arzt. Hierbei biete sich auch für den Arzt die Möglichkeit, von Verordnungen anderer Ärzte oder Selbstmedikationen zu erfahren, was allerdings den Besuch einer Stammapotheke oder den Einsatz der A-Card als mobilen Datenträger erfordere. Daß es auch aus der Sicht des Arztes rationelle Gründe für die Pharmazeutische Betreuung gibt, stellte der Pneumologe Prof. Dr. Karl-Christian Bergmann aus Bad Lippspringe an Hand von Asthmapatienten dar. Obwohl hier die Patientenschulung anerkannter Bestandteil des Therapiekonzeptes ist, komme sie in der Praxis oft zu kurz. Dies spiegele sich u.a. in hohen Fehlerraten beim Umgang mit Dosieraerosolen und der geringen Compliance bei der regelmäßigen Anwendung inhalativer Steroide wieder. Die Evaluierung von Schulungsmaßnahmen habe gezeigt, daß die ständige Wiederholung der Information und Demonstration der Hilfsmittel für den Patienten besonders wichtig ist. Hier biete die Apotheke durch den wiederholten Kontakt bei der Rezepteinlösung ideale Voraussetzungen, meinte Bergmann. Zudem sei die Situation für den Patienten in der Apotheke oft zeitlich und emotional entspannter, was es ihm erleichtere, Informationen über die anzuwendenden Medikamente und das Krankheitsbild aufzunehmen. Die hierdurch zu erreichende Verbesserung der Compliance könne sich langfristig auch als kostensparender Faktor erweisen, da nach Untersuchungen von den jährlich verordneten Asthmamedikamenten im Wert von 1,1 Milliarden DM ca. 63% nicht eingenommen würden.

Studien zu Pharmaceutical Care Zum Nachweis der Effektivität der Pharmazeutischen Betreuung und ihrer Umsetzbarkeit im Apothekenalltag werden zur Zeit in Deutschland drei kontrollierte Studien durchgeführt, die auf dem Symposium vorgestellt wurden. Asthmastudie Hamburg. Von ersten Erfahrungen aus der Asthmastudie in Hamburg berichtete Katrin Mühlbauer von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). In dieser Studie werden seit dem Frühjahr dieses Jahres 160 Asthmapatienten in 26 Studienapotheken unter kontrollierten Bedingungen pharmazeutisch betreut und mit einer Kohorte von 92 Patienten aus 24 Kontrollapotheken verglichen. Beurteilt werden klinische und psychosoziale Effekte sowie arzneimittelbezogene Parameter wie Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit den antiasthmatischen Medikamenten, die in Bezug gesetzt werden zu entstehenden Kosten durch Krankschreibungen, Notarzteinsätzen und Krankenhausaufenthalten. Die ersten Ergebnisse der Basisbefragung zeigten bereits deutlich die Notwendigkeit der Pharmazeutischen Betreuung von Asthmapatienten. So gaben 55% der Patienten an, einen drohenden Asthmaanfall nicht verhindern zu können, 35% wendeten ihr vorbeugendes Medikament nicht so an, wie der Arzt es verordnet hatte, und 43% benutzten Cortison zum Inhalieren im Notfall. Obwohl die Ergebnisse der Studie noch nicht vorliegen, lasse sich schon heute schlußfolgern, daß die Pharmazeutische Betreuung in öffentlichen Apotheken durchführbar ist und von den meisten Patienten dankbar angenommen wird. OMA-Studie. Die multizentrische europäische OMA-Studie (ndl. Ouderen Medicatie Analyse) zur pharmazeutischen Betreuung älterer multimorbider Patienten stellte Almut Müller-Jaeger von der Berliner Humboldt-Universität vor. Gerade ältere Patienten seien aufgrund ihrer Mehrfachmedikation durch Arzneimittelinteraktionen und unerwünschte Nebenwirkungen besonders gefährdet, wobei diese zum Teil vermeidbar seien. Der Nutzeffekt der pharmazeutischen Betreuung dieser Patientengruppe werde zur Zeit im Rahmen der OMA-Studie an 400 über 65jährigen Patienten mit mindestens 4 verordneten Medikamenten in 60 Apotheken im Raum Westfalen-Lippe untersucht. Beurteilt werde, inwieweit die Betreuung zur Verbesserung des Wohlbefindens und der Lebensqualität von Patienten beiträgt, ihr Einfluß auf die Therapie von Erkrankungen und die Vermeidung arzneimittelinduzierter Erkrankungen und ihr Beitrag zum rationalerem und qualitativ verbesserten Einsatz von Medikamenten. Auch hier zeigten schon die Basisdaten den möglichen Nutzeffekt einer intensivierten Betreuung der Patienten: 37,1% konnten für ein oder mehrere ihrer Medikamente die Indikation nicht nennen, 25% gaben an, die Dosis zu verringern, wenn es ihnen besser geht, und 32,1% klagten bei konkreter Nachfrage über Nebenwirkungen. 20% hatten Schwierigkeiten mit dem Öffnen der Verpackung, 34% gaben an, den Medikamentennamen auf der Pakkung nicht lesen zu können, weitere 45% nicht den Beipackzettel.

Diabetes-Studie Baden-Württemberg. In einer weiteren Studie in Baden Württemberg wird zur Zeit der Nutzen der Pharmazeutischen Betreuung für Patienten mit Typ-2-Diabetes untersucht. An dieser für ein Jahr festgelegten Studie nehmen 36 Apotheken und 325 Typ-2-Diabetiker teil, die mindestens ein orales Antidiabetikum einnehmen, berichtete Ulrike Kahmen von der Berliner Humboldt-Universität. Aufgaben der Betreuung seien hier neben Messung von Blutzucker, Blutdruck und Gewicht, die Beratung über Anwendung von Applikationshilfen und Meßgeräten, kontinuierliche Erfassung der gesamten Medikation sowie die Erkennung arzneimittelbedingter Probleme und möglicher Diabetes-Folgeschäden. Erste Zwischenergebnisse zeigten hier durch die Betreuung eine höhere Selbstständigkeit der Patienten im Umgang mit ihrer Erkrankungen, ein vermehrtes Wissen und positive Auswirkungen auf Lebensweise und Gewichtsreduktion.

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