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Eröffnung Pharmacon Meran 1998: Erziehung als Teil des Generationenvertrags

MERAN (hel). Welche Rolle die Erziehung als Teil des Generationenvertrages spielt, erläuterte die Kultusministerin des Landes Baden-Württemberg, Dr. Annette Schavan, Stuttgart, bei der Eröffnung des diesjährigen Pharmacon Meran am 7. Juni 1998.

Schavan wies darauf hin, daß Erziehung und Bildung zentral für die Weiterentwicklung einer Gesellschaft sind, sie seien der "Wirtschaftsfaktor Nr. 1". Deshalb sei die Frage nach der Qualität von Erziehung und Bildung wichtig, Leistung und Standards müßten definiert werden. In der heutigen Gesellschaft sei aber das Vertrauen in die Institution der Bildung und in die Kraft erzieherischen Handelns kaum noch vorhanden, so Schavan. Die Diskussion um einen möglichen Machtmißbrauch der Erzieher und einer fremdbestimmten Erziehung habe in der Vergangenheit zu der falschen Schlußfolgerung geführt, daß Erziehung sittlich nicht erlaubt sei. Schavan warnte vor diesem Schluß, da er der Aufkündigung eines Teils des Generationenvertrages gleichkomme. "Wir sprechen vom Generationenvertrag heute in der Regel nur im Zusammenhang mit den sozialen Sicherungssystemen", der bedeutsamste Vertrag sei aber der geistige. Dabei spielt nicht nur das Verhältnis zwischen Zögling und Erzieher eine Rolle, die Erziehung steht immer im Kontext der Gesellschaft und dem kulturellen Umfeld. Jeder Erzieher wird von den Erfahrungen vor allem in den jungen Jahren seiner eigenen Generation geprägt.

Kulturelle Fortpflanzung und nachhaltige Erziehung Durch Erziehung wird die Kontinuität der kulturellen Fortpflanzung gesichert. Um diese Forderung zu erfüllen, müssen die Kernfragen von Erziehung und Bildung beantwortet werden. Was soll in einer Gesellschaft zukünftig bedeutsam sein? Was will die ältere von der jüngeren Generation? Daß dabei auch die dritte Generation, die Enkel, berücksichtigt werden muß, machte Schavan deutlich. Die Erziehung der letzten Generation war vom klassischen Fortschrittsmodell geprägt: Der jüngeren Generation sollte es immer besser gehen als der älteren. Dieses Modell stößt heute jedoch an seine Grenzen. Im Verhältnis zur dritten Generation kann es nicht immer nur um Fortschritt gehen. Schavan forderte eine "Nachhaltigkeit der Entwicklung und des Lernens", damit es langfristig zu einer "gerechten Ordnung des Verhältnisses zwischen den Generationen" kommen könne. "Eine humane und zukunftsfähige Weise des Wirtschaftens darf sich nicht an dem vergreifen, was unsere Kinder als Lebensgrundlage brauchen werden", so Schavan. Erziehung muß sich heute auch an den Bedingungen im internationalen Wettbewerb orientieren. Dabei werde die Schule nur dann erfolgreich arbeiten können, wenn der Stellenwert von Lernen und Leistung als zentral bedeutsam anerkannt werde. Schavan beklagte, daß bei vielen Erwachsenen nur der Freizeit- und Erlebniswert zähle, die Arbeit werde gering geschätzt. "Die Lust auf Lernen und Leistung" müsse der jungen Generation aber vorgelebt werden. Erziehung bedeute auch einen "verantwortlichen Umgang mit Lebenszeit", sagte Schavan. Allen Kindern müsse man "die Chance geben, ihre Talente zu entfalten". Beispielsweise sei die Möglichkeit denkbar, das Abitur bereits nach zwölf Jahren abzulegen. Wichtig sei auch die Erfahrung, daß sich Lernen und Leistung lohnen. Schavan forderte deshalb einen konsequenten Abbau der Jugendarbeitslosigkeit.

Erziehung als Lebenshilfe Erziehung wird zur entscheidenden Lebenshilfe für jeden jungen Menschen, jeder junge Mensch braucht Personen, an denen er sieht, was wichtig und wertvoll ist. Schavan warnte vor dem ständigen Nörgeln, der Unzufriedenheit und dem Problematisieren in unserer Gesellschaft, neue Perspektiven würden so nicht aufgezeigt. Aus den Grenzen, vor denen die heutige junge Generation steht, könnten sich neue Chancen ergeben. Die junge Generation müsse sich von den bisherigen Erfahrungen befreien und neue Wege beschreiten, die Zukunft sei nicht bis ins letzte plan- und kalkulierbar. Vor allem müßten Kinder in der Zukunft "selbstverantwortlich entscheiden und handeln in einer Gesellschaft und Kultur, die zukünftig die bereits erreichte Vielfalt der Standpunkte und Perspektiven noch weiter ausweiten wird". Um ihnen diese Fähigkeit zu vermitteln, müsse die Gesellschaft mehr Zeit und Geld in Erziehung und Bildung investieren, forderte Schavan.

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