Die Seite 3

Editorial

Mutig und vorausschauend

Politik und Schach - da gibt es viele Gemeinsamkeiten. Auch in der Politik reicht es nicht, nur den nächsten Zug zu bedenken und effektvoll in Szene zu setzen. Wie beim Schach gilt es, mögliche Reaktionen auf das eigene Tun einzukalkulieren. Wer nur auf die kurzfristigen eigenen Ziele und Züge fixiert bleibt, darf sich nicht wundern, wenn er zunächst in die Defensive gerät und dann ganz plötzlich vor dem "Schachmatt" steht.
So ist es auch in der Berufspolitik. BAK-Präsident Dr. Hartmut Schmall hat sich in seiner Meraner Eröffnungsrede zum Kongreß der Bundesapothekerkammer mutig und weitsichtig gezeigt. Vielleicht hätte er spontan mehr Beifall bekommen, wenn er sich für eine "Entrümpelung" der Apothekenbetriebsordnung, z. B. für die Abschaffung des Apothekenlabors stark gemacht hätte. Gegen das "Glasmuseum" läßt sich in der Tat trefflich polemisieren. Er hielt dagegen. Sein Fazit: "Wir können und dürfen auf das Labor nicht verzichten."
Das ist nicht das Credo eines angestaubten Berufpolitikers, der sich dagegen wehrt, alte Zöpfe abzuschneiden. Wenn ein Labor in Apotheken nicht mehr selbstverständlich ist, dann hat das unvermeidbar auch Folgen, die einige der Befürworter dieses Gedankens vermutlich übersehen haben.
Auf wichtige Zusammenhänge hat Schmall überzeugend hingewiesen. In der Tat: ohne ein Labor, in dem sich Ausgangsstoffe ordnungsgemäß - also zumindest auf Identität, ggf. auch darüber hinaus - prüfen lassen, wird eine Apotheke z. B. nicht das Recht behalten können, Rezepturen und Defekturen anzufertigen.
Dieses Recht auf ausgewählte Apotheken zu konzentrieren hieße, ohne zwingenden Grund für Apotheken erster und zweiter Güte einzutreten. Und: Was ließe sich auf die Forderung sagen, daß man für die Leiter und Mitarbeiter in den Apotheken zweiter Güte doch nun keine analytische und galenische Ausbildung mehr brauche? In diesen Apotheken wäre dann natürlich auch die Beurteilung der Qualität von Arzneimitteln im Rahmen der Informations- und Beratungsverpflichtungen allenfalls noch eingeschränkt möglich.
Es würde also mehr zu Bruch gehen, als nur ein paar Kolben aus dem Glasmuseum. Am Ende des Rufes nach Abschaffung des Labors steht ein Minus vor den Möglichkeiten der Apotheker, "erlebten Verbraucherschutz" zu praktizieren - nicht allein durch das Labor, sondern auch und vor allem im Rahmen von Information und Beratung. Zumindest für die Apotheken zweiter Güte würde zudem eines der bislang überzeugenden Argumente für die Beibehaltung einheitlicher, staatlich geregelter Arzneimittelpreise wegfallen - daß die Aufschläge der Arzneimittelpreisverordnung im Rahmen einer Mischkalkulation auch die Kosten für die Ausstattung und für die Arbeiten im Labor mit abdecken, ließe sich für die Apotheken zweiter Güte jedenfalls nicht mehr behaupten. Machen wir uns keine Illusionen: die Politiker, die uns bei der Abschaffung des Labors großzügig freie Hand lassen wollen, sehen diese Zusammenhänge - und werden darauf zurückkommen.
Manchmal sind es die scheinbar nebensächlichen Züge auf dem politischen Schachbrett, die besonders nachhaltige Wirkungen entfalten. Wir sollten uns nicht aufs Glatteis locken lassen.
Klaus G. Brauer

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