Rechtsprechung aktuell

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg: Gebührenbescheide für Regelbesichti

Die Freude einer Apothekenleiterin aus Metzingen währte nur kurz: in zweiter Instanz erklärte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die umstrittene behördliche Praxis, Apotheken mit Gebühren bei Regelbesichtigungen zu belasten, für zulässig. Die Mannheimer Richter kassierten damit ein gegenteiliges Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen, das die Verwaltungspraxis noch als rechtswidrig bezeichnet hatte (vgl. DAZ 1997, S.1563). (Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. April 1998, Az.: 2 S 1148/97)

Im Mittelpunkt des verwaltungsrechtlichen Streits stand die Frage, ob Gebührenbescheide für Regelbesichtigungen in Apotheken eine ausreichende gesetzliche Rechtsgrundlage haben. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hatte dies in einer erstinstanzlichen Entscheidung noch verneint und deshalb den ergangenen Gebührenbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen aufgehoben. Vor dem Verwaltungsgerichtshof hatte die Behörde nun mehr Glück: Nach Auffassung der Mannheimer Richter finden die genannten Gebührenbescheide ihre Rechtsgrundlage im Landesgebührengesetz (LGebG) von Baden-Württemberg. Danach erheben staatliche Behörden für Amtshandlungen, die sie "auf Veranlassung oder im Interesse einzelner vornehmen", Verwaltungsgebühren. Gebührenschuldner, d. h. zur Zahlung verpflichtet, ist, wer die Amtshandlung veranlaßt oder in wessen Interesse sie vorgenommen wird. Werden Regelbesichtigungen in Apotheken vom Apothekenleiter veranlaßt? Oder liegen sie in dessen Interesse? Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs wird die Apothekenrevision, wie es in der Entscheidung heißt, vom Apothekenleiter "gebührenauslösend veranlaßt". Apothekenbesichtigungen erfolgen auf der Grundlage von § 64 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG). Sie stellen eine vom Regierungspräsidium erbrachte Amtshandlung dar, die als Verwaltungstätigkeit in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit mit Außenwirkung erfolgt.1

Veranlassung und Zurechenbarkeit Eine Veranlassung durch einen einzelnen liegt dann vor, wenn sie von ihm im rechtlich zurechenbarer Weise verursacht worden ist.2 Die individuelle Zurechenbarkeit, die Verfassungsrang besitzt3, ergibt sich zum einen aus einer unmittelbaren gesetzgeberischen Entscheidung, bei der ein weiter Gestaltungsraum eröffnet ist.4 Zum anderen ist sie beim Fehlen eines normativen Gebührentatbestandes dem Fachrecht in Verbindung mit dem Tatbestand des § 1 LGebG zu entnehmen.5 Zurechenbar ist danach regelmäßig eine Amtshandlung, die der einzelne beantragt hat. Entsprechend ist auch die Ablehnung eines Antrags auf Vornahme einer Amtshandlung nach allgemeiner Meinung gebührenpflichtig. § 11 LGebG stellt dies ausdrücklich fest. Auszugehen ist demnach bei Regelbesichtigungen von den maßgeblichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes. Nach § 64 Abs. 3 AMG hat sich die zuständige Behörde davon zu überzeugen, daß die Vorschriften über den Verkehr mit Arzneimitteln, über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens und über das Apothekenwesen beachtet werden. Die Überwachungstätigkeiten finden nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung im Pflichten- und Interessenkreis des jeweiligen Betreibers einer Apotheke statt. Angeknüpft wird dabei an ein Gefahrenrisiko, das sich aus der allgemeinen Typik und aus dem individuellen Umgang mit Arzneimitteln ergibt. Die Überwachungsmaßnahme ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs deshalb auch dem Interessen- und Pflichtenbereich eines Apothekenleiters zuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn - wie dies bei Regelbesichtigungen der Fall ist - eine Amtshandlung im Vorfeld einer Störung erfolgt. Daß die Betriebsbesichtigung als Überwachungsmaßnahme der Minderung des Gefahrenrisikos dient, begründet danach zwar ein öffentliches Interesse an dieser Amtshandlung, läßt indes die dargelegte individuelle Zurechenbarkeit der Amtshandlung nicht per se entfallen.6

Keine "sachliche Gebührenfreiheit" Vor diesem Hintergrund kommt das Gericht zu dem Schluß, daß letzten Endes der Apothekenleiter die Durchführung einer Regelbesichtigung verursache. Dies habe zur Folge, daß die Besichtigung auch individuell zurechenbar sei, ohne daß es der weiteren Feststellung bedürfe, ob der Apothekenleiter auch einen wirtschaftlichen Vorteil aus dieser Amtshandlung ziehe. Schließlich könne sich ein Apothekenleiter auch nicht auf die "sachliche Gebührenfreiheit" nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 LGebG berufen. Nach dieser Vorschrift werden Gebühren für Amtshandlungen, die überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen werden, nicht erhoben. Von überwiegenden öffentlichen Interessen an der Vornahme einer Amtshandlung sei nämlich nur dann auszugehen, wenn die Behörde eine Amtshandlung ohne "Veranlassung Dritter, mithin auf eigenen Antrieb" erlassen hätte. Eine Abwägung sei nur dann erforderlich, wenn ein privates Interesse an der Vornahme der Amtshandlung hinzuträte, namentlich in den Fällen der Veranlassung. Gehe es - wie hier - um Überwachungsmaßnahmen im Zusammenhang mit konkreten Betriebsbetätigungen, sei die zurechenbar veranlaßte Amtshandlung auch im Blick darauf zu gewichten, ob sie die wirtschaftliche Betätigung unmittelbar berühre, namentlich deren Aufrechterhaltung oder Sicherung diene. Im vorliegenden Fall erreiche das private Interesse eine erhebliche Bedeutung mit der Folge, daß die Gebührenbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 LGebG nicht in Betracht komme.

Quelle 1 Vgl. dazu Gerhardt/Schlabach, Verwaltungskostenrecht, September 1997, VwKostG § 1 Rdnr. 5 2 So Kirchhoff, die Höhe der Gebühr, S. 23 3 BVerwG, Urteil vom 15.12.1981, NVwZ 1982, 440, 441 mit weiteren Nachweisen 4 BVerwG, Urteil vom 24.8.1990, BVerwGE 85, 300 5 BVerwG, Urteil vom 3.3.1994, NVwZ 1994, 1103, 1105 6 vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.8.1987, NVwZ 1988, 271. Rechtsanwalt Dr. Christian Rotta, Stuttgart

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