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Werbeverbot: Heute für Zigaretten - und morgen für Arzneimittel?

Das von der EU vorgesehene Tabakwerbeverbot erscheint auf den ersten Blick als gesundheitspolitisch begründete verantwortungsbewußte Maßnahme. Doch machen Vertreter der Werbewirtschaft und der Tabakindustrie auf einige durchaus problematische weitergehende Konsequenzen aufmerksam.

Einen Überblick über die verschiedenen Betrachtungsweisen bot eine Podiumdiskussion im Rahmen des Live-Kongresses "Selbstmedikation: Brennpunkt Marke" am 15. Mai in Hamburg. Dort erklärte Dr. Ernst Brückner, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Zigarettenindustrie, daß die Werbung in einem gesättigten Markt keinen Einfluß auf den Gesamtkonsum habe und nur die Marktanteile der einzelnen Marken beeinflussen könne. Zu beachten sei auch die rechtliche Begründung für das Werbeverbot, die nicht etwa in den gesundheitlichen Gefahren des Rauchens liege, sondern in einer angeblichen Verzerrung des Werbemarktes durch unterschiedliche Bestimmungen in den europäischen Ländern. Denn die EU hat im Gesundheitswesen keine Regelungskompetenz. Eine solche Kompetenz für den Gesundheitsbereich würde der EU Regelungsmöglichkeiten für nahezu alle Lebensbereiche eröffnen. Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft, sieht das Tabakwerbeverbot als Teil einer langfristigen Entwicklung. Demnach seien weitere Verbote in Vorbereitung, z. B. für die Werbung für Autos und Arzneimittel. Eine solche Entwicklung könnte die Medien um enorme Einnahmequellen bringen und die Existenz vieler Redaktionen gefährden. Insofern müsse diese Entwicklung im Interesse der Meinungsfreiheit und -vielfalt mit äußerster Aufmerksamkeit verfolgt werden.
Die Vielzahl der diskutierten Werbeverbote macht nach Auffassung von Malte W. Wilkes, Präsident des Bundes Deutscher Unternehmensberater, deutlich, daß die gesellschaftliche Diskussion über die Einstufung in sozial erwünschte oder nicht erwünschte Produkte bisher unzureichend stattgefunden hat. Doch bezweifelte er die Wirksamkeit der möglichen Verbote, da sowohl die Werbeindustrie als auch die Konsumenten neue kreative Formen der Werbung entwickeln würden, die jeweilige Verbote umgehen könnten. Brückner versuchte jedoch den Umfang des geplanten Werbeverbotes mit der Bemerkung zu verdeutlichen, daß künftig auf jedem Kompaß "West" wegen der so benannten Zigarettenmarke gestrichen werden müßte. Für die Arzneimittelwerbung sieht Dr. Dagmar Walluf-Blume, Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, hingegen keine Gefahren, da diese Werbung im Gegensatz zur Tabakwerbung eine echtes Informationsbedürfnis der Verbraucher befriedige, insbesondere bei neuen Produkten.


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