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Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft: Antihypertonika im Vergleich

Auf einer Veranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, Untergruppe Württemberg, am 15. Mai 1998 im Katharinenhospital, Stuttgart, hielt Prof. Dr. Hasso Scholz vom Universitätskrankenhaus Eppendorf, Pharmakologisches Institut, Hamburg, einen Vortrag mit dem Thema: "Moderne Hochdrucktherapie".

Zur modernen medikamentösen Behandlung des Bluthochdrucks stehen vier Substanzgruppen - Diuretika, ß-Rezeptorenblocker, Calciumantagonisten und RAAS(Renin-Angiotensin-Aldosteron-System)-Hemmstoffe mit zahlreichen Wirkstoffen - zur Verfügung.

Diuretika Thiaziddiuretika werden heute niedriger als früher dosiert eingesetzt. Standardsubstanz ist das Hydrochlorothiazid in einer Dosierung von 12,5 bis 25 mg/d. Zur Kompensation von möglichen Kaliumverlusten sollte in erster Linie eine kaliumreiche Ernährung angestrebt werden. Erst wenn diese Maßnahme nicht mehr ausreicht, sollten zusätzlich kaliumsparende Substanzen wie Amilorid oder Triamteren eingesetzt werden. Das Schleifendiuretikum Furosemid ist bei eingeschränkter Nierenfunktion (GFR <30 ml/min) indiziert. Bei manchen Patienten ist Furosemid jedoch auch in hohen Dosen nicht ausreichend oder gar nicht wirksam. Diese "Diuretika-Resistenz" läßt sich durch die zusätzliche Gabe eine Thiazids umgehen, weil dadurch im distalen Teil des Tubulus die Rückresorption von Natriumionen und Wasser deutlich gehemmt werden kann.

ß-Rezeptorenblocker Zur Behandlung der Hypertonie sind kardioselektive ß-Rezeptorenblocker ohne intrinsische sympathomimetische Aktivität (ISA) indiziert. Eingesetzt werden Atenolol, Metoprolol (in retardierter Form), Betaxolol, Bisoprolol und Talizolol. Die Wirkhalbwertszeit dieser Arzneimittel liegt über 6 h, so daß eine Einmalgabe am Tag ausreicht. Der unspezifische ß-Rezeptorenblocker Carvedilol erlebt gegenwärtig eine Renaissance, da bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz eine Abnahme der Letalität beobachtet wurde. Carvedilol ist nicht kardioselektiv wirksam, bewirkt aber über einen a1-Antagonismus eine Vasodilatation.

Calciumantagonisten Zu den klassische Calciumantagonisten gehören die kurz und rasch wirksamen Substanzen Nifedipin (4-5 h), Verapamil (3-7 h) und Diltiazem (2-7 h). Sie müssen daher 3mal am Tag eingenommen werden. Calciumantagonisten wirken am Herzen negativ inotrop und chronotrop und an den Gefäßmuskelzellen durch Hemmung der Calciumionenaufnahme vasodilatierend. Die Kardiodepression wird bei den klassischen Calciumantagonisten in vivo nicht gesehen. Ursache hierfür ist die adrenerge Gegenregulation. Die überschießende Kompensation hat beim KHK-Patienten fatale Folgen. In der Fall-Kontroll-Studie von Psaty et al. mit hypertensiven Patienten geht der Gebrauch von kurzwirksamen Calciumantagonisten mit einer Zunahme des Risikos eines Herzinfarktes einher [JAMA 274, 620-625 (1995)]. Die Studie konnte bisher nicht widerlegt werden. Die neueren Calciumantagonisten unterscheiden sich von klassischen Calciumantagonisten vor allem in ihrer längeren Wirkdauer, dem langsameren Wirkungseintritt und hinsichtlich der erhöhten Gefäßselektivität. Wegen des langsameren Wirkungseintritts (z.B. Amlodipin 6-12 h; Felodipin 2-8 h) kommt es in der Regel zu keiner reflektorischen Tachykardie. Aufgrund der langen Halbwertszeit (z.B. Amlodipin 35-50h; Felodipin 20-25h) müssen sie nur einmal pro Tag eingenommen werden. Dies ist prinzipiell von Vorteil. Jedoch konnte bei der Langzeittherapie von Patienten mit systolischem Bluthochdruck mit dem neueren Calciumantagonisten Nitrendipin eine Abnahme der Gesamtmortalität nicht nachgewiesen werden [Steassen et al.: Lancet 350, 757-764 (1997)]. Besondere Vorsicht ist bei der Anwendung von Calciumantagonisten bei Patienten mit einem Diabetes und Hypertonie geboten, da hier eine erhöhte Sterblichkeit gefunden wurde [Pahor et al.: Lancet 351, 689-690 (1998)]. Nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, so Professor Scholz, sind Calciumantagonisten in der antihypertensiven Therapie Mittel der 2. Wahl. Mit dem Wirkstoff Mibefradil steht der erste Calciumantagonist zur Verfügung, der selektiv T-Kanäle blockiert. T-Kanäle werden v.a. an koronaren und peripheren Gefäßmuskelzellen und im Herzerregungsbildungs- und -reizleitungssystem gefunden. Eine Hemmung von T-Kanälen führt daher zu einer koronaren und peripheren Vasodilatation, zur Herzfrequenzsenkung (negativ chronotrop) und zur Erniedrigung der Reizleitungsgeschwindigkeit am Herzen (neg. dromotrop). Unter therapeutischen Plasmakonzentrationen ist nur eine geringe oder keine negativ inotrope Wirkung zu beobachten. Mibefradil ist indiziert zur Behandlung der essentiellen Hypertonie und der stabilen Angina pectoris. Maximale Plasmaspiegel werden nach 1-2 h erreicht. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 17-25 h, so daß eine einmalige Gabe am Tag ausreichend ist. Aufgrund der Hemmung von CYP 3A4 ist in der Praxis besonders auf Interaktionen mit anderen Arzneistoffen, die über dieses Enzymsystem metabolisiert werden, zu achten (z.B. erhöhte Plasmaspiegel der CSE-Hemmer Simvastatin und Lovastatin, Gefahr der Rhabdomyolyse). Eine weitere Interaktion ergibt sich daraus, daß Mibefradil andere Stoffe aus der Plasmaproteinbindung verdrängen kann.

RAAS-Hemmstoffe ACE-Hemmer wirken blutdrucksenkend, indem sie die Bildung von Angiotensin II und den Abbau von Kininen hemmen. Angiotensin II führt bekanntlich zu einer direkten Vasokonstriktion, Retention von Natriumionen und Wasser und zur Noradrenalinfreisetzung. Durch Hemmung des Kininabbaus kommt es zu einer zusätzlichen NO-vermittelten Vasodilatation und zu einem Anstieg von PGI2 und TXA2. Kürzlich konnte gezeigt werden, daß sich der bei Patienten unter ACE-Hemmstoff-Therapie auftretende Husten durch den Thromboxan-Antagonisten Pioctamide (2◊600mg/d) unterbinden läßt [Malini et al.: Lancet 350, 15-18 (1997)]. Alle bei uns zugelassenen ACE-Hemmer, mit der Ausnahme von Captopril, zeichnen sich durch einen langsamen Wirkungseintritt und eine lange Wirkdauer aus, so daß diese Stoffe nur einmal am Tag eingenommen werden müssen. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (z.B. infolge eines Diabetes mellitus oder bei gleichzeitiger Einnahme eines Prostaglandinsynthesehemmstoffes bei einem rheumatischen Patienten) wegen der Gefahr eines akuten Nierenversagens, eines angioneurotischen Ödems und von Leukopenien. Ferner sind bei Patienten mit aktiviertem RAAS (z.B. bei chronischer Herzinsuffizienz) bereits in geringer Dosierung fatale Blutdruckabfälle möglich. Die Stoffe aus der Gruppe der Sartane blockieren selektiv den Angiotensin-II-Subtyp-1-Rezeptor. Sie hemmen dadurch die Wirkungen von Angiotensin II. Inzwischen sind Candesartan, Eprosartan, Irbesartan, Losartan und Valsartan zur Behandlung der essentiellen Hypertonie zugelassen. Lorsartan ist auch zur Behandlung der Herzinsuffizienz zugelassen. Die Einstellung des Patienten erfolgt schrittweise über Monate. Eine befriedigende pharmakologische Beurteilung dieser Substanzen mit einem neuen Wirkungsprinzip ist aufgrund der noch unzureichenden Datenlage noch nicht möglich. Bislang stellen sie eine Alternative dar für Patienten, bei denen unter ACE-Hemmstoff-Therapie der bekannte chronische Hustenreiz auftritt. Dr. Dietmar Roth, Rottenburg

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