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Impfmüdigkeit: Impfungen im Licht der öffentlichen Meinung

MONACO (mm). Wie ist es um das allgemeine Verständnis von Impfungen in der Bevölkerung bestellt? Was sind die Gründe für die zunehmende Impfmüdigkeit? Diese Fragen diskutierten Fachleute aus Gesundheitsbehörden, Ärzte, Forscher und Medienvertreter Anfang April 1998 auf der "International Conference on Public Understanding of Vaccination" der Pasteur Mérieux MSD in Monaco.

Seitdem die klassischen Infektionskrankheiten auf dem Rückzug sind, macht sich in der Bevölkerung zunehmend eine Impfmüdigkeit breit. In der Tat haben viele gefährliche Infektionskrankheiten ihren Schrecken dank moderner Medikamente verloren. Die Gefahr sollte aber dennoch nicht unterschätzt werden. Todesfälle durch Meningokokkeninfektionen in Niederbayern beherrschten kurz nach Fastnacht 1998 die Schlagzeilen, und immer wieder hört man Warnungen vor einem Wiederaufflammen von Kinderlähmung (Poliomyelitis) und Diphtherie.

Besser informieren Zwar wird ein Säugling im ersten Lebensjahr ausreichend gut geimpft, aber schon bei Kleinkindern beträgt die Durchimpfungsrate nur noch 70 bis 80%. Viele Menschen denken nicht an eine Auffrischung des Impfschutzes. Zur Ausrottung einer Infektionskrankheit ist bei etwa 90% der Bevölkerung ein guter Impfschutz notwendig, doch werden die wünschenswerten Durchimpfungsraten bei weitem nicht erreicht. Ärzte, Krankenschwestern, Apotheker, Gesundheitsbehörden und Medien spielen für eine sachgerechte Information der Bevölkerung über Impfungen eine wichtige Rolle. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede, wie die Menschen in den verschiedenen Ländern Westeuropas und Nordamerikas die Informationen wahrnehmen und akzeptieren. Eine Umfrage in europäischen Ländern über das Wissen um Impfungen - durchgeführt von dem Marktforschungsinstitut IFOP-Gallup - brachte interessante Ergebnisse zutage: Fast 70% der Deutschen erhalten Informationen über Impfungen von Ärzten und Krankenschwestern, und dieser Informationsquelle vertrauen sie dann auch. Demgegenüber informieren sich nur 19% über die Medien, und selbst davon meint nur etwa ein Drittel, daß die Mitteilungen verläßlich sind. Immerhin noch 15% gaben an, durch Verwandte oder anderweitige mündliche Mitteilungen über Impfungen informiert zu werden. Das Schlußlicht bildeten Werbe- und Impfkampagnen mit 7 bzw. 5%. Allgemein sind die Deutschen an detaillierten Informationen über Impfungen sehr interessiert, besonders hinsichtlich Nebenwirkungen (38%), der Art und Weise der Impfung (38%) sowie über die Verbreitung der Infektionskrankheiten (55%) und Impfempfehlungen (27%).

Am besten bekannt: Tetanus, Polio und Reiseimpfungen Unterschiede gab es zwischen den einzelnen Ländern, was das Wissen und die persönliche Einstellung zu Impfungen betrifft. Die wichtigsten Ergebnisse für Deutschland sehen demnach wie folgt aus: Die am besten bekannten Impfungen waren Tetanus (47%), Polio (37%) und Impfungen anläßlich von Reisen (33%), während fast die Hälfte der Befragten Grippeschutzimpfungen und 33% eine Impfung gegen Pneumokokken als unwichtig ansahen. Deutsche sind im Gegensatz zu anderen Europäern aktiver, was Impfungen betrifft: 42% verlangen selbst danach (Europa 29%), ohne einer Aufforderung Folge zu leisten. Jedoch scheuen auf der anderen Seite 64% der Deutschen die Unannehmlichkeiten einer Impfung. Demzufolge sollen 42% Angst vor der Nadel haben, während europaweit durchschnittlich nur 13% einen solchen Grund nannten.

Angst vor Impfschäden Die Entscheidung zu einer Impfung ist in Deutschland prinzipiell ein freiwilliger Vorgang. Eltern werden jedoch in der Regel von Kinderärzten daran erinnert, ihre Kinder im Zuge der Vorsorgeuntersuchungen impfen zu lassen. Ihnen kommt deshalb eine besondere Verantwortung zu. Inzwischen wird die Angst vor einer Infektionskrankheit abgelöst von Befürchtungen, daß Impfungen auch Risiken bergen könnten. Einerseits ist die Effektivität von Impfstoffen in den letzten Jahrzehnten immer mehr angestiegen, und deshalb sind Infektionskrankheiten wie Diphtherie, Keuchhusten, Wundstarrkrampf und Kinderlähmung zunehmend seltener geworden. Auf der anderen Seite besitzt jeder aktive Impfstoff ein geringes Risiko für meist harmlose Nebenwirkungen wie Fieber, lokale Hautrötungen und allergische Reaktionen. In extrem seltenen Fällen kann es jedoch auch zu ernsten Impfzwischenfällen kommen, die bleibende Schäden verursachen oder gar tödlich enden können. Aus diesen Gründen hat sich die Nutzen-Risiko-Abschätzung verschoben, was dazu führte, daß Eltern in den USA, Großbritannien, Schweden, Japan und anderen Ländern teilweise ihre Kinder weniger umfangreich impfen ließen; sie vertrauten eher auf eine allgemeine Immunität der Bevölkerung. Impfungen müssen jedoch als gesellschaftliche Norm begriffen werden, die zur elterlichen Verantwortung gehört. Eltern müssen in der Lage sein, ihre Kinder geschützt und gesund aufziehen zu können.

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