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Freiverkäufliche Arzneimittel: Aldi - eine Konkurrenz für die Apotheke?

ATHEN (diz). Seit Herbst des vergangenen Jahres führt der Lebensmitteldiscounter Aldi auch freiverkäufliche Arzneimittel in seinem Sortiment. Ist Aldi mittlerweile zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für die Apotheke geworden? Wie Experten von Meinungsforschungsinstituten und für medizinische Statistik auf einer Pressekonferenz des Bundesfachverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) am Rande eines Kongresses der europäischen Selbstmedikationsindustrie in Athen vor kurzem erklärten, sei die Kompetenz, die die Bevölkerung dem Discounter Aldi im Gesundheitsbereich zutraut, "sehr, sehr niedrig". Ernstzunehmender seien da schon die Drogeriemärkte und deren Gesundheitssortiment.

Deutlich zeige sich in Untersuchungen die Produkttreue der Kunden. Vor diesem Hintergrund ist eine Angst der Apotheken vor Aldi nicht berechtigt. Dennoch, so die Statistiker, sei die Einführung eines Arzneimittelsortiments bei Aldi kein Flopp, da an der Marge dieser Präparate im Vergleich zu den Lebensmitteln "gutes Geld" verdient werde. Aldis Strategie: Ein Produkt muß eine bestimmte Umschlagsgeschwindigkeit aufweisen, damit über die verkaufte Menge der erforderliche Umsatz erzielt wird. Wird der angestrebte Umsatz nicht erreicht, findet Aldi-intern eine Marktbereinigung statt: Die schlecht gehenden Produkte werden im Sortiment nicht mehr ergänzt. Vor diesem Hintergrund dürften auch einige Gesundheitsprodukte aus dem Sortiment genommen werden.

Sicht- und Freiwahl ausbauen Nach Ansicht von Dr. Mark Seidscheck, Geschäftsführer des BAH, wären die Apotheker gut beraten, die Frei- und Sichtwahl auszubauen. Aus Untersuchungen wisse man, daß häufig eine Schwelle bestehe, ein Gespräch mit dem Apotheker über Arzneimittel zu führen. Die Apotheker sollten in Zukunft überhaupt stärker auf den Selbstmedikationsbereich setzen, denn die Ressourcen im Bereich der GKV würden nicht besser - so auch die Ansicht führender Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium.

Mehr Arzneistoffe für die Selbstmedikation Wie stark die Bereitschaft der Bevölkerung ist, die Verschreibung von Arzneimitteln in bestimmten Fällen durch Selbstmedikation zu ersetzen, zeigte eine europaweite repräsentative Bevölkerungsbefragung der I+G-Gesundheitsforschung Nürnberg vom April 1998. Gefragt wurde, ob es hilfreich wäre, wenn man ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel auch ohne Rezept in einer Apotheke kaufen dürfe. Bis auf Frankreich (19,6%) waren überraschend viele der Teilnehmer aus Deutschland (40,8%), Großbritannien (42,5%), Spanien (41,2%) und Italien (43,1%) der Meinung, daß dies für sie hilfreich wäre. Dies zeigt, daß die Bereitschaft in Teilen der Bevölkerung dieser fünf Staaten (ca. 80 Millionen Personen), die Verschreibung in bestimmten Fällen durch Selbstmedikation zu ersetzen, vorhanden ist. In einer weiteren Fragestellung wurde untersucht, ob es für die Befragten wünschenswert wäre, alle Selbstmedikationsarzneimittel in der Freiwahl einer Apotheke vorzufinden, das heißt, diese selbst aus dem Regal nehmen und sie vergleichen zu können. Während in Deutschland (45,7%), Großbritannien (52,5%) und Frankreich (23,6%) der Anteil dieser Personen mit Wunsch nach dieser Möglichkeit größer war als in Frage 1, wünschten die Spanier nur zu 33,7% und die Italiener (41,2%) diese Möglichkeit. Alles in allem sind jedoch von 210 Mio. Personen über 15 Jahren 85,6 Mio. der Meinung, daß die freie Zugänglichkeit zu Selbstmedikationsarzneimitteln hilfreich wäre.

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