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Jahrestagung der Selbstmedikationsindustrie: Bangemann: Über Teleshopping nochm

ATHEN (diz). Der Versandhandel mit Arzneimitteln, insbesondere das Teleshopping, ist in der Europäischen Union noch nicht befriedigend gelöst. Versandmöglichkeiten, die in einem Staat legal sind, können mit dem "Grenzübertritt" in einen anderen EU-Staat illegal werden. Europakommissar Dr. Martin Bangemann hält diese gegenwärtige Situation für unbefriedigend und sprach sich auf der 34. Jahrestagung der europäischen Selbstmedikationsindustrie (AESGP), die vom 20. bis 23. Mai in Athen stattfand, für eine Überprüfung aus.

Während ein Verbot des Fernabsatzes für verschreibungspflichtige Produkte bisher als unbestritten gelte, habe die Diskussion im Rat und Parlament zur Fernabsatzrichtlinie ergeben, daß es jedem Mitgliedstaat überlassen bleiben solle, ob er den Fernverkauf hierfür zulasse oder nicht. Für Teleshopping als einer Sonderform des Fernabsatzes allerdings sei mit der Richtlinie 97/34 ein generelles Verbot für alle Arten von Arzneimitteln, also auch für OTC-Produkte geschaffen worden. Für Anbieter von Arzneimitteln im Fernabsatz bringe die bestehende Rechtslage allerdings erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich, hob Bangemann hervor. Denn: "Angebote, die in einem Staat legal sind, können mit dem Grenzübertritt in einen anderen EU-Staat illegal werden, weil dort der Versandhandel mit Arzneimitteln verboten ist bzw. weil andere Bestimmungen für die Verschreibungspflicht bestehen", erklärte Bangemann. Da diese gegenwärtige Situation im Binnenmarkt auch im Hinblick auf die Notwendigkeit von Rechtssicherheit unbefriedigend sei, spreche er sich für eine Überprüfung der Fernabsatzrichtlinie aus. Wie der Europakommissar auf Nachfrage der DAZ hinzufügte, passe vor diesem Hintergrund auch das Versandhandelsverbot für Arzneimittel, das in Deutschland mit der 8. AMG-Novelle eingeführt werden solle, und der freie Handel über Teleshopping oder Internet nicht zusammen. Hier sei noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Apotheker sollten Chancen von "electronic commerce" nutzen Nach Ansicht des Europakommissars gäben sich die Apotheker Illusionen hin, wenn sie glaubten, den Versand von Arzneimitteln übers Internet aufhalten zu können. "Sie können das Internet nicht verbieten" - im Gegenteil, mit dem Internet und dem Handel übers Internet ("electronic commerce") komme eine Revolution im weltweiten Handel auf uns zu, die auch vor dem Arzneimittelmarkt nicht halt mache. Die Apotheker sollten begreifen, was electronic commerce übers Internet für sie und ihre Zukunft bedeute. So sollten die Apotheker lieber überlegen, wie sie sich hier aktiv einbringen und ihre Chancen wahrnehmen könnten. Gerade beim electronic commerce könne der Apotheker seine Beratungsfunktion voll einbringen. Für überholt hält Bangemann auch die Bestimmung, keine Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel auf dem Weg des electronic commerce zu verbreiten. Der Binnenmarkt der EU sei nur ein Teil des globalen Marktes, und hier laufe auf diesem Gebiet bereits einiges, was bei uns bisher nicht möglich sei.

Arzneimittelhandel in der EU noch unbefriedigend Verbesserungen hält Bangemann bei den Handelsstrukturen pharmazeutischer Produkte in Europa für nötig. So förderten derzeit beispielsweise Preisunterschiede bei Arzneimitteln in den Mitgliedstaaten Parallelimporte von Billigpreisländern zu Hochpreisländern. Um Parallelimporte einzuschränken, habe man auf dem letzten Frankfurter Round table (ein Forum, auf dem brennende Themen ausgearbeitet und nach einer Lösung gesucht wird) unterschiedliche Lösungsansätze vorgeschlagen:
• eine konvergente Preissenkung durch Verstärkung der Regelung des freien Güterverkehrs,
• Marktsegmentierung durch Beschränkung des Parallelhandels oder
• Preisfestlegung auf europäischer Ebene. Ein weiteres Thema sei die Preisbildung in den verschiedenen Marktsegmenten. Im Bereich der Selbstmedikation seien die Mitgliedstaaten bereits in der Lage, auf Preiskontrollen zu verzichten. Im lizenzfreien Markt (Generika) könne eine Preiskontrolle durch erhöhten Preiswettbewerb überflüssig werden. Das lizenzgebundene Marktsegment dagegen sei direkt mit dem Bereich Forschung und Entwicklung verbunden, und hier finde Wettbewerb eher beim innovativen Wert der Produkte statt als über den Preis. Begleitend dazu sei eine höhere Transparenz, insbesondere für die Patienten, zu schaffen, zum Beispiel durch Direktverbraucherwerbung. Werbeverbote für verschreibungspflichtige Arzneimittel im Internet hält Bangemann für überholt.

Nahrungsergänzungsmittel in der EU Im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel wird, wie Bangemann ausführte, eine Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen Regelungen angestrebt. Denn es sei festzustellen, daß Handelshemmnisse im Gemeinschaftshandel für diese Stoffe zunehmen. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung habe in diesem Bereich nicht befriedigend funktioniert, stellte der Europakommissar fest. Man werde deshalb ein Papier zu diesem Thema ausarbeiten, das voraussichtlich Ende dieses Jahres vorgelegt werde.

Erleichterung für einen Switch Die Umsetzung der Richtlinie 92/26/EWG, die sich mit der Einstufung von Arzneimitteln in die Verschreibungspflicht bzw. Nicht-Verschreibungspflicht befaßt, hat nur wenig dazu beigetragen, die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet zu vermindern, stellte Bangemann fest. Man habe daher eine Diskussion über die Festlegung transparenter Verfahren eingeleitet. So solle die Transparenz einzelstaatlicher Verfahren verbessert und die Herauslösung von Arzneimitteln aus dem verschreibungspflichtigen Status ("switch") erleichtert werden. Entsprechende switching guidelines könnten bald fertiggestellt sein und einen großen Schritt nach vorne bedeuten. Als besonderes Problem sieht Bangemann in diesem Zusammenhang, daß einige Mitgliedstaaten nicht die Verwendung derselben Handelsbezeichnung für ein verschreibungspflichtiges und ein nicht-verschreibungspflichtiges Arzneimittel gestatten. Dies sei für Unternehmen äußerst kostspielig und stehe nicht im Einklang mit den Bemühungen um Schaffung eines einheitlichen Arzneimittelmarktes.

Selbstmedikation in Griechenland Die Menschen erkennen und akzeptieren die zunehmende Bedeutung der Selbstmedikation auch in Griechenland. Nach Angabe von Dimitrios Marinopoulos, Vorsitzender des griechischen Selbstmedikationsverbandes, hat sich die Lage der Selbstmedikation auch in Griechenland in den letzten Jahren verbessert. Anzustreben sei in seinem Land, daß Selbstmedikationsarzneimittel nur in Apotheken verkauft werden können, vor allem, um den Kunden die richtigen Informationen an die Hand geben zu können. In Griechenland bestehe derzeit noch das Problem der staatlich kontrollierten Preisfestsetzung. Die Währungsunion könne auch eine Wende im Pharmamarkt bringen. Griechenland hoffe, bald der Währungsunion beitreten zu können.

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