Prisma

Streitfall: Kopfschmerzen von der Halswirbelsäule

Seit vielen Jahren streiten Ärzte darüber, ob und wann Schäden und Erkrankungen der Halswirbelsäule Kopfschmerzen verursachen können.

In welchen Fällen werden Kopfschmerzen durch Verspannungen der Nackenmuskulatur oder Schäden an Strukturen der Halswirbelsäule verursacht und wann handelt es sich um Migräne, Spannungskopfschmerzen oder eine der anderen 165 bekannten Kopfschmerzarten? Welches diagnostische Etikett ein Arzt seinem Kopfweh-Kranken anklebt, hängt - sehr zum Leidwesen der Experten - oft weniger von wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen ab als von der häufig eingeengten Sichtweise der jeweiligen Facharzt-Zunft. "Schickt man einen Kopfschmerz-Patienten zu zehn verschiedenen Fachärzten, kommt er zumeist mit zwölf verschiedenen Diagnosen wieder", lautet darum ein geflügeltes Wort der Kopfschmerz-Experten. Besonders umstritten sind Kopfschmerzen, die von der Halswirbelsäule und ihrer benachbarten Gewebe ausgehen, im Fachjargon "zervikogener Kopfschmerz" genannt. Vor allem Orthopäden und Manualtherapeuten wittern in "Wirbelblockaden" und Abnutzungserscheinungen der Halswirbelsäule häufig die Ursache von Kopfschmerzen. Daß es derartige Zusammenhänge in der Tat gibt, räumt auch eine Expertengruppe der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft ein. Werden bestimmte Nervenwurzeln im Bereich der Halswirbelsäule mit Lokalanästhetika örtlich betäubt, verschwindet der Schmerz. Solche diagnostischen Leitungsblockaden führen auch in Einzelfällen dazu, daß die Beschwerden für einige Tage, selten für Wochen unterdrückt werden. Tastbefunde und Röntgenaufnahmen liefern hingegen keine gesicherten Informationen für die Diagnostik, da fast alle Menschen im Erwachsenenalter mehr oder weniger ausgeprägte Veränderungen an der Halswirbelsäule haben. Auf ungesichertem Fundament ruhen jedoch die meisten Therapiemethoden, da wissenschaftliche Studien auf diesem Gebiet Mangelware sind. Gleichwohl brauchen betroffene Patienten ärztliche Hilfe. Medikamente bewirken bei zervikogenen Kopfschmerzen wenig und spielen daher eine untergeordnete Rolle. Physiotherapie bringt hingegen - zumindest vorübergehend - Erleichterung. Kritisch stehen die Experten der Manualtherapie, dem "Einrenken", gegenüber: Wird dieser Eingriff unsachgemäß ausgeführt, kann er einen Schlaganfall auslösen. Sind bei schweren Fällen alle konservativen Maßnahmen ausgereizt, bleibt als letzte Möglichkeit nur ein neurochirurgischer Eingriff. Dieser ist aber nur dann indiziert, wenn die schmerzauslösenden Mechanismen eindeutig diagnostiziert wurden, wenn also bei einer Leitungsblockade Kopfschmerzen und individuelle Begleiterscheinungen des Patienten während der Wirkdauer des Lokalanästhetikums verschwinden. In solchen Einzelfällen können Patienten durch neurochirurgische Eingriffe beschwerdefrei werden. dmkg

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