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Infektions- und Tropenmedizin: Eingeschleppte Infektionskrankheiten auf dem Vorm

MÜNCHEN (schle). Reisen ins Ausland und insbesondere in die Tropen haben wieder Hochkonjunktur, dabei werden zunehmend Last-minute-Reiseangebote wahrgenommen. Trotz ständiger Appelle läßt die medizinische Reisevorbereitung nach wie vor zu wünschen übrig, wie insbesondere die starke Zunahme aus Kenia importierter Malariafälle zeigt. Experten aus einschlägigen Organisationen wiesen erneut auf die gesundheitlichen Risiken des Reisens hin und auf Möglichkeiten, diese Risiken zu reduzieren.

Qualitätsgrundlagen reisemedizinischer Beratung Der Reisende kann die Qualität reisemedizinischer Beratung nicht beurteilen, er ist - vor allem auf dem Lande - auf seinen Hausarzt angewiesen. Bei komplizierten Fällen ist eine fachkundige Beratung unverzichtbar. Diese wird in erster Linie von Tropenmedizinern erbracht. Inzwischen haben viele Ärzte im Rahmen der Weiterbildung die Zusatzbezeichnung "Reisemedizinische Betreuung" erworben, so daß eine flächendeckende Versorgung durchaus gegeben ist. Ein reisemedizinisch beratender Arzt hat umfangreiche Aufgaben:
• Fachwissen. Aktuelle Informationen über sämtliche Reiseimpfungen sind zumindest Voraussetzung, diese sind nur durch regelmäßige Fortbildung zu erwerben.
• Aktuelles Wissen. Die Weltseuchensituation ändert sich laufend. Das Klima, unterschiedliche Jahreszeiten im Reiseland und bürokratische Vorschriften sind zu berücksichtigen.
• Allgemeinwissen Reisemedizin. Über die Impfungen hinaus müssen Empfehlungen zum richtigen Verhalten im Reiseland gegeben werden, besondere an chronisch Kranke.
• Individuelle Beratung. Beratung muß sich individuell am Einzelfall orientieren. PC-Programme und Druckinformationen können nur Anhaltspunkte liefern, der Zeitaufwand ist beträchtlich.
• Erfahrung. Eine Mindesthäufigkeit reisemedizinischer Beratung ist Voraussetzung für einen akzeptablen Qualitätsstandard. Nur so kann der immense Fortbildungsaufwand getragen werden. Eigene Erfahrungen aus Fernreisen kommen den Patienten zugute.

Neues Kurzimpfschema zur kombinierten Hepatitis-A/B-Impfung Das Anwachsen eingeschleppter Infektionskrankheiten hängt mit der Globalisierung zusammen. Die heute durchgeführten 700 Millionen Interkontinentalreisen pro Jahr werden sich in den nächsten Jahren verdoppeln. Auch Klimaveränderungen tragen zum Ausbreiten der Infektionen bei, z.B. starke Regenfälle in Kenia. Auch Hepatitis A und B sind weltweit vorkommende Krankheiten mit erheblicher Morbidität und Mortalität. Der Kombinationsimpfstoff gegen diese beiden Hepatitisformen hat sich als hoch wirksam und gut verträglich erwiesen. Da häufig vor der Abreise nur wenig Zeit verfügbar ist, besteht Bedarf nach einer möglichst rasch wirksamen Immunisierung. In einer multizentrischen, randomisierten Studie wurde ein Kurzimpfschema auf Wirksamkeit und Verträglichkeit untersucht. 479 gesunde Erwachsene erhielten entweder dreimal den Kombinationsimpfstoff an den Tagen null, sieben und 21 (wobei eine Auffrischungsimpfung nach zwölf Monaten eingeplant ist) oder die beiden Einzelimpfstoffe getrennt verabreicht: Hepatitis-B-Impfstoff und Hepatitis-A-Impfstoff kontralateral am Tag null, sowie nur B-Impfstoff an den Tagen sieben und 21, auch hier wird mit beiden Impfstoffen nach zwölf Monaten nachgeimpft. In beiden Gruppen wurde gute Verträglichkeit beobachtet. Die Konzentration schützender Antikörper wurde einen, zwei und drei Monate nach der Impfung bestimmt. Schon nach einem Monat ergab sich eine 99- bis 100prozentige Serokonversionsrate der Antikörper gegen Hepatitis A (Anti-HAV 33 IU/l). Gegen Hepatitis B waren zu diesem Zeitpunkt, d. h. eine Woche der dritten Impfung bereits 82 bis 86 Prozent der Geimpften geschützt (Anti-HBs 10 IU/l). Nach drei Monaten lag die Schutzrate gegen Hepatitis B in beiden Gruppen bei 97 Prozent. Es konnte somit gezeigt werden, daß auch ein nur drei Wochen dauerndes Kurzimpfschema zu einem raschen und hochgradigen Schutz vor Hepatitis A und B führt.

Neue Hepatitis-Risiken bei Reisenden Seit etwa zehn Jahren gibt es Testsysteme für Hepatitis C (HCV) und Hepatitis E (HEV). Beide Infektionserreger sind in großen Teilen Asiens und Afrikas weit verbreitet; so verursacht z. B. die Hepatitis E in Indien mehr als 50 Prozent der akuten Hepatitiden, was zu einem hohen Infektionsrisiko von Reisenden führt. Bei Hepatitis C verlaufen 80 Prozent der Infektionen chronisch, sie können zur Leberzirrhose und zum Leberkarzinom führen. Der Hauptinfektionsweg des HCV ist die parenterale Inokulation von Blut, der in Südostasien endemische Genotyp 3a des HCV wurde durch Drogensüchtige in westliche Industrieländer eingeschleppt. Hepatitis C kann aber auch durch Intimkontakt (Sextourismus) übertragen werden, allerdings weniger effizient als das Hepatitis-B-Virus. Die Bedeutung der HEV-Infektion liegt in ihrer hohen Letalität, drei Prozent bei jungen Erwachsenen, etwa 20 Prozent bei Schwangeren. HEV wird im Stuhl ausgeschieden und oral (meist durch verseuchtes Trinkwasser) aufgenommen. In Entwicklungsländern mit schlechtem Hygienestandard treten Epidemien mit Zehntausenden von Erkrankungen auf. In Deutschland sind 2 Prozent der Hepatitiden durch HEV verursacht, meist liegt eine Reiseanamnese innerhalb der Inkubationszeit von maximal 65 Tagen vor; es werden aber auch Erkrankungen ohne Reiseanamnese festgestellt. 1997 wurde in den USA vom Schwein ein Virus isoliert (HEV sw), das den menschlichen Hepatitis-E-Viren sehr ähnlich ist. Das HEV sw konnte inzwischen auch schon von Patienten mit Hepatitis isoliert werden. Es handelt sich bei Hepatitis E deshalb wahrscheinlich um eine Zoonose, die in Regionen mit schlechtem Hygienestandard wesentlich leichter vom Schwein auf den Menschen übertragen wird als in westlichen Industrieländern.

Epidemiologie der Reisediarrhö Global hat sich bezüglich der Reisediarrhö nur wenig verändert. Zwar ist die Inzidenz dieser häufigsten Gesundheitsstörung bei Reisen in tropische und subtropische Länder bei Aufenthalten in Südeuropa abgesunken, aber in den meisten Reisezielen in Entwicklungsländern liegt sie unverändert hoch. Besonders auffallende Inzidenzraten von bis zu 90 Prozent pro Woche haben sich auf gewissen Nilschiffen beobachten lassen, während andere Boote nur eine Rate von 10 Prozent aufweisen. Nach neuen Untersuchungen liegen die Inzidenzraten in Kenia und Indien (Goa) weiterhin hoch und auch Jamaica liegt knapp über 20 Prozent. Die hygienischen Bedingungen in diesen Ländern sind also weiter suboptimal. Erstaunlicherweise sind britische Touristen sehr viel häufiger von Durchfällen betroffen als die aus anderen europäischen oder nordamerikanischen Ländern (geringeres Hygienebewußtsein?) und nach wie vor zeigen sich junge Reisende gefährdeter als Senioren, wenn sie im selben Hotel verköstigt werden. Striktes Befolgen der alten Kolonialregel "Sied es, koch es, schäl es - oder laß es bleiben!" würde Reisende vor Durchfall schützen. Aber nach wie vor konnte durch eine jüngste Untersuchung gezeigt werden, daß Touristen sich über diese Regeln hinwegsetzen und auch Eiswürfel in den Getränken akzeptieren sowie Salate und andere kalte Speisen konsumieren. Verschiedene Optionen stehen zur medikamentösen Prophylaxe zur Verfügung, allerdings wäre nur eine solche mit einem Chinolen (Gyrasehemmer) in befriedigendem Maße wirksam. Interessant ist darum eine neue Schluckimpfung gegen den häufigsten Erreger der Reisediarrhö, enterotoxigenen Escherichia coli (ETEC). Dieser Impfstoff befindet sich derzeit in einem großen Feldversuch, er muß in zwei Dosen mindestens 14 bzw. sieben Tage vor der Abreise eingenommen werden. Nach bisherigen Erfahrungen ist er bestens verträglich und gut wirksam. Wenn der ETEC-Impfstoff in den Handel kommt, muß man den Anwendern klar machen, daß nicht alle Durchfälle verhindert werden können, wohl aber ein Drittel der Fälle, die durch diesen bestimmten Erreger verursacht werden. Da aber auch andere Erreger zu Durchfällen führen, dürfte er somit für rund 10 Prozent aller Touristen von Nutzen sein. Künftig werden wohl auch Impfstoffe gegen andere Erreger beigemischt werden, um ein breiteres Band abzusichern.

Aktuelles zu Malaria In den ersten drei Monaten von 1998 wurden in Deutschland bereits 349 Fälle von eingeschleppter Malaria registriert (neun Tote), das ist doppelt so viel wie in den vergangenen Jahren. Man gibt die Schuld daran den Überschwemmungen in Kenia, denn 90 Prozent aller Malaria tropica Fälle werden im tropischen Afrika erworben, wie auch 60 Prozent aller gesamten Malariaeinschleppungen von dort stammen. Todesfälle treten fast ausschließlich bei Malaria tropica auf. Die Letalität ist zwar in Deutschland von 10 Prozent auf 2 bis 3,5 Prozent gesunken, aber damit liegt Deutschland vor Rumänien an vorletzter Stelle, d. h. in anderen europäischen Ländern ist die Letalität deutlich niedriger. Über ein neuerdings zugelassenes Medikament zur Behandlung der unkomplizierten Malaria tropica (Malarone) hat die DAZ in Heft 44 vom 30. Oktober 1997, Seite 41, bereits berichtet. Die Zulassung als Prophylaktikum ist beantragt. Auch über den bei dieser Veranstaltung wieder besprochenen Selbsttest zur Erkennung von Malaria tropica hat die DAZ in Heft 16 vom 17. April 1997, Seite 24, bereits informiert.

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