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AOK-Bundesverband: Was Arztnetze für Apotheken bedeuten

BADEN-BADEN (im). Die finanziellen Erwartungen an die neuen Modellvorhaben sind häufig überzogen. Durch das derzeitige System in den Krankenhäusern sowie Alternativkosten liegen die Nettoerlöse zumeist viel niedriger als die theoretisch zu erzielenden Einsparungen. Dies sagte Dr.Wulf-Dietrich Leber vom AOK-Bundesverband auf dem Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands am 9.Mai in Baden-Baden. Dort skizzierte er eine mögliche Beteiligung von Apothekern an Modellen wie Arztnetzen.

Leber, der beim AOK-Bundesverband als Projektleiter des AOK-Hausarztmodells tätig ist, nannte insbesondere den Erlösausgleich für die Krankenhäuser, der die Krankenkassen zur Zahlung auch leerstehender Klinikbetten verpflichte, als Grund für die Minderung der Einsparungen. Auch die Gesamtvergütung für die ambulante Versorgung verhindere größere Erfolge in Modellen. Da zum Teil alternative Kosten entstehen - etwa durch die Verlagerung von Leistungen aus dem Klinikbereich in den ambulanten Sektor - und Personal- und Sachkosten durch die Realisierung eines Projektes entstehen, seien die finanziellen Nettoerlöse häufig ernüchternd. Er erinnerte an die grundlegenden Unterschiede zwischen Strukturvorhaben und Modellen, die beide durch das zweite Neuordnungsgesetz von Juli 1997 einen Schub bekommen sollen. Modellvorhaben (§63-65 Sozialgesetzbuch V) sind demnach auf acht Jahre befristet, die Kassen müssen sie in ihren Satzungen verankern und können nur mit zugelassenen Leistungserbringern Verträge schließen. Geregelt werden beispielsweise kombinierte Budgets, die wissenschaftliche Begleitung ist vorgeschrieben. In Strukturverträgen, die nicht befristet sind, kann die Verantwortung für Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung an Hausärzte oder vernetzte Praxen übertragen werden. Versicherte und Ärzte nehmen freiwillig teil, eine finanzielle Beteiligung der Versicherten ist nicht möglich.

AOK und Boni Leber ging auch auf die umstrittenen Bonus-Verträge ein, die sein Bundesverband mit einigen Kassenärztlichen Vereinigungen in Modellvorhaben abschloß und bei denen etwa Minderverordnungen den Ärzten zugute kommen. Die Ortskrankenkassen haben hier eine gewisse Kehrtwende vollzogen und achten inzwischen auf das Qualitätsargument. Wie Leber sagte, stehe dies eine Krankenkasse in der Öffentlichkeit nicht durch, falls ein direkter Zusammenhang zwischen Minderverordnung und ärztlicher Vergütung festgeschrieben und der Vorwurf der Billigmedizin laut werde. Er nannte es jedoch auch falsch, hinter jeder Verringerung - etwa bei Arzneiverordnungen - eine Verschlechterung der Behandlung zu sehen. Schließlich seien etliche Fehlentwicklungen im derzeitigen Gesundheitssystem wie Doppeluntersuchungen oder Patienteneinweisungen in Krankenhäuser bekannt, weil niedergelassene Ärzte ihr Budget schonen wollten. Werden statt dessen Vertragsärzte etwa zur Wochenendarbeit gewonnen - um Klinikeinweisungen zu reduzieren -, müsse dies auch honoriert werden. Notwendig sei allerdings die ausreichende Verordnung aller notwendigen Medikamente. Wie Leber sagte, ist die Aussicht auf ein zusätzliches Honorar für die niedergelassenen Mediziner, die durch steigende Arztzahlen und Punktwertverfall teilweise sinkende Einkommen verzeichnen, ein wichtiges Motiv für Hausarztabo oder Arztnetzwerke. Ein Streitpunkt zwischen Vertragsärzten und Krankenkassen liegt demnach darin, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen auf der Möglichkeit zur Teilnahme aller Ärzte an Modellen bestehen, während die Krankenkassen nur mit ausgewählten Medizinern, die sich zum Beispiel zu Qualitätszirkeln, standardisierten Dokumentationen oder Behandlungsleitlinien verpflichten lassen, kooperieren wollen.

Apotheker und Modelle Auf die Frage, ob Krankenkassen und Ärzte Verträge zu Lasten Dritter wie Apotheken schließen dürfen, verwies Leber auf den Grundsatz im Sozialgesetzbuch V, der in §57 die Beteiligung von Dritten, deren Rechte betroffen sind, festschreibt. "Aber Dritte haben keine Rechte", sagte der AOK-Vertreter zugleich dazu. Die finanziellen Auswirkungen für Pharmazeuten durch Arztnetze, Hausarztabos oder weitere Projekte seien schwer einzuschätzen. Umsatzrückgänge in den Offizinen könnten eine Folge sein, wenn Netzärzte durch verbesserte Kooperation zum Beispiel Verordnungen einsparten oder sich auf Positivlisten einigten. Auf der anderen Seite könnten die Umsätze sogar steigen, wenn Behandlungen von den Krankenhäusern in den ambulanten Bereich verlagert würden. Zur Zeit sei der Saldo jedoch eher zu Ungunsten der Apotheker. Eine Beteiligung von Apothekern an Arztnetzwerken hält Leber für diskussionswürdig, da sie bei der pharmakologischen Qualitätssicherung oder bei EDV-Fragen eine Rolle spielen könnten. Für die teilnehmenden Apotheken ergebe sich durch die Einbindung in ein Arztnetz die Chance, den eigenen Marktanteil zu erhöhen, da Verordnungsströme zum Teil umgelenkt werden könnten. Dies könnte allerdings Streit bei den Pharmazeuten untereinander auslösen, meinte der AOK-Vertreter. Für die beteiligten Apotheker bestehe nicht zuletzt die Chance, im Dialog mit den Ärzten, Krankenhäusern sowie Krankenkassen interkollegial zu lernen.

Frankfurter Hausarztmodell Leber stellte darüber hinaus den Stand beim seit einem Jahr bestehenden AOK-Hausarztmodell in Frankfurt am Main vor, bei dem rund 500 Diabetiker oder Herz-Kreislaufkranke und 60 Ärzte mitmachen, sowie ein Fallzentrum mit AOK-Gesundheitsberatern eingerichtet ist. Die AOK wählte die chronisch Kranken aus ihrem Versichertenkreis anhand der beiden Parameter "Krankenhaustage" und "Arbeitsunfähigkeitstage" aus sowie eine entsprechende Kontrollgruppe. Zur Kontrolle der Qualität werden neben Indikatoren wie dem HbA1c-Wert bei den Diabetikern auch der subjektive Gesundheitszustand oder die Zufriedenheit der Patienten gemessen. Zwar fehlten Ergebnisse noch, die teilnehmenden Kranken schätzten jedoch das Gesprächsangebot im Fallzentrum. Die beteiligten Ärzte sind in vier Hausarztzirkeln organisiert, die Rückkopplung von Daten ist vorgesehen. Das Modellvorhaben stecke noch in der Pilotphase, die Verhandlungen mit der KV Hessen über die Endstufe gestalteten sich als schwierig. Knackpunkte sind demnach ein möglicher Bonus für die Versicherten, eine neue Chipkarte oder die Binnenstruktur des Netzes und seine Vergütung. Die AOK hält die Zahlung von Boni an alle Versicherte nicht für finanzierbar, das sei lediglich in einem überschaubaren Versichertenkreis machbar.

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