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Arzneipflanzen: Neues über Johanniskraut

Aufgrund des großen Interesses an Johanniskraut als Arzneipflanze veranstaltete die Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut Arzneimittelforschung GmbH am 1. April 1998 ein Expertengespräch zum Thema "Johanniskraut (Hypericum perforatum L.) auf dem Wege zur Kulturpflanze".

Rund 400 Johanniskrautarten existieren weltweit. Sie gehören zu den Hypericaceae, einer vor allem in den Tropen verbreiteten Pflanzenfamilie mit überwiegend baumartigen Gewächsen. Die Morphologie von Hypericum perforatum L. wird stark vom Klima beeinflußt. So besitzt die Pflanze in trockenen Klimazonen nadelförmige Blätter, aber in feuchteren Gebieten breitere Blattformen. Nach dem Deutschen Arzneibuch ist nur Hypericum perforatum offiziniell, doch auch andere Hypericum-Arten sind aufgrund ihrer Inhaltsstoffe und Resistenzen gegen schädigende Einflüsse interessant.

Probleme des Anbaus Die Nachfrage nach Johanniskraut ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Für die nahe Zukunft wird ein weiterer Bedarfszuwachs des Rohmaterials von derzeit 1500 t auf 2000 bis 4000 t erwartet. Bei gleichbleibenden Marktpreisen bedeutet dies eine Steigerung der Wertschöpfung für die Hersteller von 150 Mio. DM auf 200 bis 400 Mio. DM. Der gegenwärtige Bedarf wird vorwiegend durch Wildsammlungen aus dem Ausland, aber auch in geringerem Maße durch Anbau in Deutschland gedeckt. Ein großes Problem der Anbauer ist die Johanniskrautwelke, die zu einem vollkommenen Ernteverlust führen kann. Dem Anbau von Johanniskraut wird dank größerer Nachfrage in Deutschland immer mehr Interesse entgegengebracht. Allerdings ist bereits die Jungpflanzenanzucht problematisch, da die jungen Triebe sehr empfindlich sind. Trotz Reinigung des Saatgutes tritt häufig ein Welkebefall auf. Dies spricht dafür, daß der Erreger entweder im Keim oder fest im Netzwerk der Oberfläche des Korns sitzt. Die Keimfähigkeit der unterschiedlichen Genotypen von Hypericum perforatum differiert stark. Versuche, die Keimruhe zu stören, führten nicht zu einer höheren Keimfähigkeit, nur zu einer Beschleunigung des Keimprozesses. Die Pflanze benötigt ca. 12 Wochen bis zur Pflanzfähigkeit (8 bis 10 cm Länge). Wenig Niederschlag, Wärme und geringer Cadmiumgehalt im Boden bilden gute Vorraussetzungen für den Johanniskrautanbau. Weitere Anbaukriterien sind die Qualität des Pflanzenmaterials, der Pflanzenschutz und die Düngung.

Ernte und Trocknung Die Ernte sollte während der Vollblüte geschehen, da der Hypericingehalt nach Abreife stark abfällt. Ein optimaler Hypericingehalt liegt bei einem Blütenhorizont von ca. 15 cm vor. Die Trocknung muß sofort nach der Ernte mit einem Band- oder Flächentrockner bei ca. 50 °C erfolgen. Johanniskraut kann über mehrere Jahre geerntet werden, doch liegt der Hypericingehalt bei der zweiten Ernte unter dem der ersten. Die Anbauer beobachten außerdem starke Unterschiede zwischen den einzelnen Genotypen. Zur Unkrautbekämpfung existieren noch nicht viele Erfahrungen. Das Pflanzenschutzamt in Magdeburg führt derzeit einen Versuch zur Johanniskrautwelke mit elf Fungiziden und vier Herbiziden durch.

Züchtung Ziel der Züchtung soll ein Hypericum perforatum-Genotyp mit
• Resistenzen gegen Schädlinge,
• Robustheit gegenüber äußeren Einflüssen und
• einem möglichst hohen Gehalt an Wirkstoffen sein. Bei der Kreuzung von Hypericum perforatum mit anderen Hypericum-Arten muß ein enger Verwandschaftsgrad gegeben sein, ansonsten findet kein Samenansatz statt. Bisherige Kreuzungen führten nicht zu einer Erhöhung der Inhaltsstoffe. Die Erzeugung von Pflanzen mit den zuvor genannten Eigenschaften kann entweder nach dem Prinzip der somaklonalen Variation oder durch Protoplastenfusion und anschließende Regeneration angestrebt werden. Über Klonierung kann eine Vermehrung ausgewählter Elitepflanzen erreicht werden. Züchterisch und für die Saatgutvermehrung sinnvoll sind genetisch einheitliche und stabile Linien. Erhalten werden solche reinerbigen Linien über wiederholte Selbstbefruchtung, über Inducer-Systeme oder Gameten-Embryogenese. Neu gezüchtete Sorten lassen sich in Deutschland durch das Bundessortenamt schützen. Da Heil- und Gewürzpflanzen nicht zu den zulassungspflichtigen Arten gehören, wird Sortenschutz nur über eine Registerprüfung erteilt. Vorraussetzung einer Prüfung ist optische Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit der Sorte. Bei der Vorlage des Vermehrungsmaterials sollten u. a. die Pflanzenart, die Sorte und das Anwachsjahr angegeben werden. Des weiteren sollten die Vermehrung (generativ/vegetativ), die Befruchtungsverhältnisse, ähnliche Sorten und die Kulturdauer erklärt werden. Im Falle des Johanniskrautes, eines überwiegenden Selbstbefruchters, wird das Pflanzenmaterial in zwei Wiederholungen mit je 20 Pflanzen angebaut. Die 40 Probepflanzen dürfen vier Abweichler enthalten. Geprüft wird nur auf morphologische Merkmale und nicht auf Inhaltsstoffe.

Inhaltsstoffe Johanniskraut enthält u.a. die Naphthodianthrone Hypericin und Pseudohypericin, Hyperforin (2 bis 4%) und Flavonoide (2 bis 3%). Die Konzentration an Hypericinen ist je nach Pflanzenorgan sehr verschieden; so ist der Gehalt in den Blüten am höchsten und nimmt über die Blätter zum Stengel hin ab. Der hohe Gehalt an Hypericin in schmalblättrigen Pflanzen geht einher mit einem hohen Gehalt an Hyperforin. Hyperforin zersetzt sich rasch bei Licht oder in Lösung, ist aber in der Droge stabil. Der gemeinsame Nachweis der wirksamkeitsrelevanten Substanzen ist mit HPLC möglich, aber relativ aufwendig. Eine Korrelation zwischen den Gehalten der einzelnen Wirkstoffe ist nicht gesichert. Johanniskraut zählt zu den Akkumulatorpflanzen, die Cadmium aus dem Erdreich aufnehmen und anreichern. Faktoren, die diesen Prozeß beeinflussen, sind die Bodenart, der Tongehalt, das Klima und die genetische Variabilität. Für die Gehaltsbestimmung von Cadmium in Johanniskraut existiert kein standardisiertes Verfahren. Drei unterschiedliche Meßtechniken werden derzeit eingesetzt:
• AAS (Atomabsorptionsspektroskopie, nur ein Element je Messung nachweisbar),
• Emissionsmessung (mehrere Elemente gleichzeitig nachweisbar) oder
• ICP (Induced Coupled Plasma).

Standardisierung und Analytik Unter der Standardisierung der Qualität der Johanniskrautdroge und ihrer Zubereitungen sind genau festgelegte Bedingungen zu verstehen, die sich auf die Ausgangsdroge, die Inprozeßkontrollen und ein validiertes Herstellungsverfahren beziehen. Die Spezifikation der Drogenzubereitung muß reproduzierbar sein. Die Monographie der Kommission E zu Johanniskraut sieht als mittlere Tagesdosis für die innerliche Anwendung "2 bis 4 g Droge oder 0,2 bis 1,0 g Gesamthypericin in anderen Darreichungsformen" vor. Sie schreibt, daß Hypericin nach experimentellen Befunden den Monoaminoxidasehemmern zuzurechnen sei. Aus diesem Grunde wurde eine Normierung der Zubereitungen auf Hypericin durchgeführt. Eine andere Meinung vertritt das BfArM in einem Schreiben vom 7. 9. 1995, dem sogenannten Bühler-Brief: "Bedingt durch den geänderten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand" sei es erforderlich, bei Präparaten aus bestimmten Drogen, u.a. Johanniskraut, "lediglich nur noch die entsprechende Extraktmenge anzugeben bzw. zu deklarieren". Dadurch entfalle "die Deklaration des zu normierenden Anteils, welcher bisher als wirksamkeitsbestimmender Inhaltsstoff angesehen wurde". Das BfArM erlaubt also bei Johanniskrautzubereitungen, die als Arzneimittel zugelassen sind, keine Normierung, weil keine Klarheit über die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe herrscht. Die Johanniskraut-Monographie im Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) aus dem Jahre 1986 legt für die Identitätsprüfung eine dünnschichtchromatographische und für die Gehaltsprüfung eine photometrische Analysenmethode fest. Die letztere ist jedoch unspezifisch und hat nur eine geringe Selektivität gegenüber den unterschiedlichen Inhaltsstoffen. Außerdem wurden kürzlich verschiedene HPLC-Methoden publiziert. Der Wunsch nach einer vergleichbaren Qualität der Droge erfordert die Klärung der Frage nach dem eigentlichen Wirkstoff und eine Standardisierung der Qualitätskontroll-Methoden.

Dr. F. Ahuis, Bad Neuenahr-Ahrweiler Nach Referaten von Dr. I. Hagemann, AGB Frankfurt, Prof. Blüthner, NL Chrestensen/Erfurt, M. Dehe, Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt Bad Neuenahr-Ahrweiler, J.Schulte, Freiburg, Dr. K. Berger, Basel, Prof. J. Hölzl, Marburg, Dr. B. Steinhoff, BAH.

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