Arzneimittel und Therapie

Lacidipin: Neuer Calciumantagonist mit Depotwirkung

Lacidipin ist ein neuer Calciumantagonist. Das Dihydropyridin unterscheidet sich deutlich von bisherigen Substanzen: Es hat einen langsamen Wirkeintritt und eine lange Wirkdauer, zwei Effekte, die auf der hohen Lipophilie der Substanz beruhen. Lacidipin soll demnächst unter dem Handelsnamen Motens® in Deutschland eingeführt werden.

Calciumantagonisten und speziell die Gruppe der Dihydropyridine sind in der vergangenen Zeit immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Kritisiert wurde vor allem die Tatsache, daß unter den kurzwirksamen Substanzen gegenregulatorische Prozesse mit sympathischer Aktivierung wirksam werden, was am deutlichsten an der Reflextachykardie zu erkennen ist. Deshalb sind kurzwirksame Dihydropyridine schon länger "out". Eingesetzt werden sollten bei der langfristigen Therapie lediglich langwirksame, retardierte Präparate.
In diese Entwicklung paßt die Einführung des neuen Calciumantagonisten Lacidipin. Zwar gehört dieser ebenfalls zur Gruppe der Dihydropyridine, doch zeichnet sich Lacidipin durch einige Besonderheiten aus, die auf seine hohe Lipophilie zurückzuführen sind. Diese nämlich bewirkt, daß Lacidipin in die Zellmembranen eingelagert und erst nach und nach per Diffusion aus diesen wieder freigesetzt wird.
Klinisch resultiert ein langsamer Wirkeintritt und eine lang anhaltende physiologische Wirksamkeit, die von der eigentlichen Halbwertszeit des Wirkstoffs völlig unabhängig ist und auf der Speicherung in der Zellmembran beruht. Die blutdrucksenkende Wirkung von Lacidipin ist folglich von den Plasmaspiegeln unabhängig, ein bislang bei Calciumantagonisten einzigartiger Effekt.

Hohe Affinität zu den Rezeptoren
Andererseits besitzt der neue Calciumantagonist eine sehr hohe Affinität zu den Dihydropyridin-Rezeptoren und ist an den arteriellen Gefäßen mehr als 100fach wirksamer als am Herzen, weist also eine hohe Gefäßselektivität auf. Die Substanz wird nach der oralen Applikation rasch im Magen-Darm-Trakt resorbiert mit einer absoluten Bioverfügbarkeit von 10%. Die Plasma-Eiweiß-Bindung liegt bei über 95%. Die Elimination des Wirkstoffs erfolgt in Form inaktiver Metabolite, 70% über die Fäzes und 30% renal. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei ein bis drei Stunden, die terminale Elimination im Steady state dagegen bei 13 bis 19 Stunden.

Weniger Knöchelödeme
Belegt ist die gute antihypertensive Wirksamkeit des Lacidipin, die auch bei einmal täglicher Dosierung über 24 Stunden anhält und nur wenig Fluktuation der Werte zeigt. Eine neurohumorale Gegenregulation wurde nicht registriert. Ein besonders gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis weist den Studienergebnissen zufolge eine Dosierung von 4 mg auf. Sie bewirkte eine mittlere Blutdrucksenkung von 22/17 mmHg über 24 Stunden bei gleichzeitiger Besserung der durch die Hypertonie gestörten Endothelfunktion.
Gleichzeitig ist Lacidipin gut verträglich, wobei Nebenwirkungen wie Knöchelödeme oder Kopfschmerzen deutlich seltener auftreten als unter anderen Dihydropyridinen. Das dürfte mit einem Vorteil bei der Compliance verbunden sein, da insbesondere die Knöchelödeme nicht selten den Therapieabbruch durch den Patienten herbeiführen.

Antiatherosklerotisch wirksam
Der neue Calciumantagonist weist darüber hinaus eine deutlich antioxidative Potenz auf, die derjenigen von Vitamin E nicht nachsteht und von anderen Calciumantagonisten in dieser Ausprägung nicht bekannt ist. Im Tierversuch wurde außerdem ein ausgeprägter antiatherosklerotischer Effekt registriert, so daß sich der neue Wirkstoff, der übrigens gut mit anderen Antihypertensiva zu kombinieren ist, vor allem für die Behandlung von Patienten mit einem erhöhen Arterioskleroserisiko eignen dürfte.
Inwieweit die antiatherosklerotischen Effekte auch beim Menschen zum Tragen kommen, wird derzeit in einer großangelegten Studie, der ELSA-Studie (Europäische Lacidipin Studie bei Atherosklerose), überprüft. In dieser Untersuchung soll mit hochauflösendem Ultraschall überprüft werden, inwieweit sich durch Lacidipin im Vergleich zum Betablocker Atenolol bei Hypertonikern Gefäßveränderungen im Bereich der Karotisstrombahn verhindern lassen. Bislang wurden bereits 2259 Patienten in die Untersuchung eingeschlossen. Überraschenderweise wies lediglich 1% von ihnen eine normale Intimadicke im Bereich der Karotis auf. 17% zeigten eine deutliche Verdickung, 82% der Hypertoniker mit mittleren Werten von 164/101 mmHg wiesen bereits manifeste arteriosklerotische Veränderungen auf. Wie diese durch die Therapie zu beeinflussen sind, soll nun ELSA zeigen. Mit dem Ergebnis wird Ende 1999 gerechnet.





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