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Randnotiz: Mit mir nicht!

Als Verbraucheranwältin und als Kämpferin für die Rechte Ohnmächtiger versteht sich die ZDF-Fernsehjournalistin Maria von Welser mit ihrem Magazin "Mit mir nicht". Sinn und Zweck ihrer Sendung (neben dem verständlichen Wunsch nach einer hohen Einschaltquote): das Aufdecken von Skandalen, die Gegenüberstellung bedauernswerter Opfer übler Geschäftemacher oder menschenfeindlicher Institutionen mit ihren Ausbeutern, die "neutrale" Stellungnahme von Experten. Im Idealfall wird der angeklagte Fall während der Sendung gelöst - aus Kulanz, aus Einsicht oder vielleicht auch aus Imagegründen. Keine Lösung, sondern nur Panikmache, vermischt mit (absichtlicher?) Fehlinformation - das war das Ergebnis beim Thema "Kombi-Analgetika", das am 22. April bei Maria von Welser auf dem Programm stand. Verteilt wurden Prügel für die Pharmaindustrie, Anschuldigungen an die Apotheker, Vorwürfe an die Behörden. Sie alle haben es zu verantworten, so hieß es in der Sendung, daß gefährliche Kombinations-Schmerzmittel mit Coffein auf dem Markt sind und reichlich verkauft würden - obwohl deren Risiken "gut bestätigt" seien. Bemitleidenswert das Opfer, eine ältere Dame: Während der Dialyse, zweimal wöchentlich, gefilmt, dann in ihrer Wohnung, ihre Krankengeschichte erzählend. Und schließlich im Studio: 30 Jahre lang habe sie Schmerzmittel eingenommen, vier Tabletten am Tag, und niemand habe ihr gesagt, wie gefährlich das sei. "Angeklagt" waren die Pharmaindustrie, aber auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als zuständige Behörde für Arzneimittelsicherheit. Als Gast im Studio und unter Beschuß der Moderatorin: Dr. Jürgen Beckmann vom BfArM. Doch so sehr er sich auch Mühe gab, sein Hinweis darauf, daß die Analgetika-Nephropathie nach heutigem Wissen eindeutig auf phenacetin-haltige Kombis zurückzuführen sei, die in Deutschland schon seit langem nicht mehr auf dem Markt seien, fand offenbar kein Gehör - paßte diese Botschaft doch nicht ins Konzept der (sichtlich nicht sehr informierten) Moderatorin. Mit sachlichen Worten rechtfertigte Beckmann die Nicht-Verschreibungspflicht von Kombi-Analgetika: Die These, daß bereits das Coffein in diesen Präparaten zum Mißbrauch verführe und so (auch ohne Phenacetin) die Nephropathie programmiere, sei umstritten, eine derzeitige Studie solle Klarheit bringen. Diese Aussage mißfiel Dr. Gerd Glaeske, Krankenkassenapotheker in leitender Funktion und bei Maria von Welser in der Rolle des Experten. Glaeske bemängelte, daß die von Beckmann angesprochene Studie von der Industrie bezahlt würde. Die Darstellung eines Risikoprofils sei eine öffentliche Aufgabe, die das Bundesinstitut für Arzneimittel wahrzunehmen habe. Abgesehen davon würden jedoch die Kombinationsanalgetika laut Glaeske keinem Menschen fehlen, wenn es sie nicht gäbe. Es stünden ausreichend Schmerzmittel zur Verfügung, die weniger risikobehaftet seien. "Kombinationsanalgetika spielen in der normalen Schmerztherapie keine Rolle, weil sie von Ärzten nicht verschrieben werden", sagte Glaeske. Er stellte die Qualität der Beratungskompetenz von Apothekerinnen und Apothekern in den Raum. Und pries Verschreibungspflicht als Instrument gegen Mißbrauch. "Mit mir nicht", hätte ich in diesem Moment am liebsten gerufen. Denn daß Verschreibungspflicht keinen Schutz vor Arzneimittelfehl- und -vielgebrauch bietet, dürfte jedem Experten klar sein. Wer das verschweigt, betreibt gezielt Politik gegen Apothekerinnen und Apotheker. Natürlich müssen die sich an die eigene Nase fassen, wenn wieder einmal ihre Beratungskompetenz bezweifelt wird. Andererseits: die Apotheke ist keine Stätte einer wie auch immer gearteten Gesundheitspolizei. Und ihr kommt auch nicht die Rolle zu, den Verbraucher über dessen eigenen Wunsch hinaus zu gängeln und zu bevormunden. In unserem freiheitlichen Staat kann der erwachsene mündige Bürger, die mündige Bürgerin Risikosportarten treiben, mit Tempo 200 über die Autobahn rasen, Alkohol und Zigaretten kaufen - und eben auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mit dem Angebot der Beratung. Aber das ist natürlich eine langweilige Botschaft, die niemand hören will. Reinhild Berger

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