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Stellungnahme: Skandalöser Vorgang im Saarland: ...da helfen keine Pillen!

Es ist schon beinahe eine Qual, mitanzusehen, wie gerade in einer strukturschwachen Region wie dem Saarland mühsam erarbeitete Zukunftschancen verspielt werden. Da betonen Vertreter aller relevanten politischen Parteien immer wieder die wachsende Bedeutung von Qualifikation für den "Standort Deutschland", da wird die pharmazeutische Forschung als weltweit zukunftsträchtiger Wirtschaftssektor geradezu beschworen, da sucht man im Bereich der akademischen Ausbildung junger NaturwissenschaftlerInnen verzweifelt Anschluß an das internationale Leistungsniveau. Und dennoch scheint man es sich in Saarbrücken leisten zu können, auf den Luxus einer universitären Ausbildung im Fach Pharmazie zu verzichten. So kommt ein im März 1998 veröffentlichtes Gutachten des Ministeriums für Wissenschaft, Bildung und Kultur zu dem Schluß, es sei empfehlenswert, "Teile der Pharmazie an der Universität des Saarlandes in die Schwerpunkte biomedizinische Wissenschaften und Materialien/Werkstoffe zu verlagern und gleichzeitig die Apothekerausbildung sowie die übrigen Teile aufzugeben". Dies käme faktisch einer Aufgabe des Faches Pharmazie gleich. Den Hintergrund für diese Empfehlung der zuständigen "Experten"-Kommission, deren Mitglieder notabene von seiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (im pharmazeutischen Bereich) nicht einmal als sachverständige Experten anerkannt sind, bildet die gewohnt schlechte finanzielle Lage an der saarländischen Uni, welche auch Forschung und Lehre im Fachbereich Pharmazie in Mitleidenschaft zieht. So erklären die Kommissionsmitglieder in ihrem Gutachten, die saarländische Pharmazie sei "stark unterausgestattet" und mangels eines klaren Profils in Forschung und Lehre nicht ausbaufähig. Schon allein die personelle Unterbesetzung des Fachbereichs, in welchem lediglich vier Professoren tätig sind, mache es unmöglich, "die notwendige kritische Masse für eine zukunftsträchtige Pharmazieausbildung zu erzeugen". Ein Ausbau der Pharmazie sei nur dann zu rechtfertigen, wenn es dadurch gelänge, "mit ihr einen konkurrenzfähigen Schwerpunkt" im Rahmen der (sicherlich notwendigen) Restrukturierung der einzigen saarländischen Universität zu schaffen. Da es aber, allein um auf nationaler Ebene konkurrenzfähig zu werden, bereits der Einrichtung von mindestens vier weiteren Professuren bedürfe, wird eine Fortführung der Pharmazeutenausbildung rundheraus abgelehnt. Obwohl viele Beobachtungen der Kommission auf durchaus ernstzunehmende Defizite anspielen, müssen wir die von ihnen gezogenen Konsequenzen zurückweisen, da sie uns als unsinnig und im Hinblick auf die Zukunft unserer Universität und unserer Region sogar schädlich erscheinen. 1.Zunächst einmal ist die Universität des Saarlandes (UdS), da sie die einzige Universität unseres Bundeslandes darstellt, gemäß des Staatsvertrages über die ZVS angehalten, den regionalen Bedarf an Absolventen in ZVS-Studiengängen durch Studenten von landeseigenen Universitäten abzudecken. Mit der Aufgabe der Ausbildung zum Apotheker wäre es nicht mehr möglich, dieser Verpflichtung nachzukommen. Da die Universitäten von Kaiserslautern, Trier, Heidelberg und Koblenz eine solche Ausbildung nicht anbieten und selbst in Mainz und Frankfurt nur 50 bzw. 80 Studienplätze (bei ähnlicher Personallage in Mainz) zur Verfügung stehen, entfiele die Studienmöglichkeit für die gesamte Region Saar-Westpfalz. 2.Der Wegfall des pharmazeutischen Ausbildungszweiges an der UdS wäre zudem ein schwerer Verlust für das Saarland, da hier ein Studienzweig weggekürzt werden soll, dessen Absolventen ausnahmsweise einmal wirklich gute Aussichten auf einen gesicherten und subventionsfreien Arbeitsplatz haben. Das Staatsexamen für ApothekerInnen qualifiziert schließlich nicht nur für die Offizin, sondern auch für Tätigkeiten im Bereich der industriellen Forschung. Hier liegen die Chancen für eine Karriere auf dem internationalen Arbeitsmarkt der Zukunft, und hier hat ganz besonders das Saarland mit seinen schwachen Binnenperspektiven einiges aufzuholen. 3.Die sicherlich unumgänglichen Kürzungen an der UdS sollten nicht diejenigen Fachbereiche treffen, denen es trotz miserabler Personalausstattung dennoch gelingt, ihre Studierenden kostengünstig und schnell für einen perspektivreichen Berufsweg zu qualifizieren. Und genau dies leistet die Saarbrücker Pharmazie. Im Gegensatz zur personellen Lage ist nämlich die technische Ausstattung der saarländischen Pharmazeuten nicht schlecht, eher das Gegenteil ist der Fall. So wurden für die Professuren von Prof. Dr. Claus-Michael Lehr und Prof. Dr. Rolf W. Hartmann gerade erst zwei neue Genetiklabors der Sicherheitsstufen I bzw. II eingerichtet. Auch in der Leistungsbewertung der Saarbrücker Professoren ist der Einschätzung der Expertenkommission nicht zuzustimmen. Durch die starke Einbindung des akademischen Mittelbaus in die Ausbildung der Studenten ist es den vier Professoren sehr wohl möglich, ein Studienangebot, welches sich mit personell großzügiger besetzten Universitäten messen kann, zu gewährleisten. Ebenso ist in Betracht zu ziehen, daß ein großer Teil der dem Fachbereich 12 (Pharmazie und Umwelttechnologie) zugeordneten Dozenten Dienstleistungen für andere Fachbereiche wie Chemie und Biologie erbringt, dabei aber über keine eigenen Studierenden verfügt. Für die saarländische Pharmazie wirkt sich in diesem Zusammenhang die Zusammenlegung mit dem (noch im Aufbau befindlichen Zweig) der Umwelttechnologien negativ aus, da die in der Lehre inaktiven "Zuarbeiter" die Quote der Studierenden pro Dozent zuungunsten der im Fachbereich zahlenmäßig schwächeren Pharmazeuten verschieben. Die Schwäche, welche die Kommission der Pharmazie vorwirft, sind also bei genauerer Analyse zu einem Großteil das statistische Resultat der Zwangsehe mit den noch wenig profilierten Umweltwissenschaften. 4.Einen letzten Aspekt, der für den Fortbestand einer Pharmazie an der Uni Saarbrücken spricht, stellt die niedrige effektive Studierendenzahl dar, welche eine effiziente Ausbildung, die mit der (leider gelegentlich für das Pharmaziestudium in Deutschland eingeforderten) Arbeit im Stil einer Fachhochschule mindestens vergleichbar ist, garantiert. Auch hierin ist eine der Qualitäten des Saarbrücker Pharmaziestudiums zu sehen. Für uns bleibt es dabei, die pharmazeutische Lehre und Forschung leistet einen integralen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit der Saarbrücker Universität. Auch im Saarland müssen junge Menschen weiterhin die Chance haben, ihre Lebensplanung "vor Ort" sinnvoll zu verwirklichen. Vergibt aber die Politik, aus einer schlecht durchdachten Orientierung an bestenfalls Einsparungen heraus, diese Chance, so verliert nicht nur die Universität, sondern die gesamte Region. Und wo, wenn nicht in den wenigen prosperierenden Zweigen der Ökonomie, sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die ein Bundesland mit 12% Arbeitslosen so dringend braucht? Wie uns, gerade an der Universität des Saarlandes, die Informationstechnologie beeindruckend vor Augen führt, sind es eben diese Forschungszweige, die Jungunternehmer und Existenzgründer inspirieren, sich in der Nähe dieser "Brainpools" anzusiedeln. So wurde schon aus manchem Laborversuch im Studium ein erfolgreiches Experiment auf dem freien Markt ∑

Alexander Geisler, im Auftrag der Fachschaft Pharmazie der Universität des Saarlandes, Im Stadtwald, 66041 Saarbrücken

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