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Pharmaziegeschichte: Einladung nach Ulm

ULM (cae). Ulm an der Donau ist Tagungsort der Pharmaziehistorischen Biennale 98. Den Tagungsteilnehmern sei die ehemalige Reichsstadt mit ihrer langen pharmaziegeschichtlichen Tradition kurz vorgestellt.

Im 12. und 13. Jahrhundert entwickelte sich Ulm aufgrund seiner verkehrsgünstigen Lage zu einer bedeutenden Handelsstadt. 1274 wurde es reichsunmittelbar, hundert Jahre später schloß es einen Bund mit anderen schwäbischen Reichsstädten und trat an dessen Spitze. Ihrem stolzen Selbstbewußtsein gab die Bürgerschaft durch den zur gleichen Zeit begonnen Bau des Münsters weithin sichtbaren Ausdruck, wenn auch der Turm erst im 19. Jahrhundert vollendet wurde (lange das höchste Gebäude Deutschlands, heute auf Platz 8). 1397 erkämpften sich die Ulmer Zünfte eine Beteiligung am Stadtregiment ("Großer Schwörbrief", 1397), aber 1548 - nach heftigen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Reformation - wurde die Vorherrschaft der Patrizier wiederhergestellt. 1802 endete die Reichsunmittelbarkeit, und 1810 wurde Ulm württembergisch. Der Ausbau zur Bundesfestung hemmte die weitere Entwicklung der Stadt. 1944 erlitt Ulm schwere Kriegszerstörungen, doch sind einige historische Bauten rekonstruiert worden (Rathaus, Schwörhaus). Die Anfänge des Apothekenwesens in Ulm lassen sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Vom hohen sozialen Ansehen der Apotheker zeugt ein Epitaph für "margareta appotekerin" aus dem Jahr 1383 im Chor des Ulmer Münsters; ihr Gatte Ehinger gehörte einer Ulmer Patrizierfamilie an. Von der Kunstsinnigkeit der Frührenaissance kündet im Ulmer Stadtmuseum die älteste deutsche Apothekenfayence, die auf das Jahr 1544 datiert ist. Das kostbare Gefäß ist mit einem Damenporträt und pflanzlichen Motiven verziert. Zwar fehlt eine pharmazeutische Beschriftung, aber der Verwendungszweck des Albarellos ist unzweifelhaft an seinem vorgewölbten Binderand zu erkennen; hier wurde ein Leder- oder Stofflappen zum Verschließen des Gefäßes festgebunden. Das Apothekenwesen der Reichsstadt wurde durch Apothekereide, Apothekerordnungen und Apothekertaxen reglementiert. Die Taxen erschienen in zahlreichen gedruckten Ausgaben und fanden auch außerhalb Ulms Verbreitung. Überhaupt gewann die Buchdruckerkunst im 17. Jahrhundert größere Bedeutung für Ulm. So wurde dort ab 1641 die "Pharmacopoea medico-chymica" des Johann Schröder, das wichtigste Arzneibuch der zweiten Jahrhunderthälfte, in mehreren Auflagen gedruckt. Damals hatte Ulm gerade eine schwere Heimsuchung überstanden, die Pest des Jahres 1635. Wie es damals in Ulm und um Ulm herum zuging, schildert Marianne Kaatz in ihrem Roman "Der Stadtphysikus" (1992). Titelfigur ist der Chirurg und Mediziner Johann Scultetus (gest. 1645), der mit einer Tochter des Mohren-Apothekers Johann Georg Villinger verheiratet war. Nachdem 1687 die Engel-Apotheke gegründet worden war, blieb die Apothekenzahl in Ulm für längere Zeit konstant; es bestanden bereits die Löwen-Apotheke, die Mohren-Apotheke und die Kron-Apotheke. Die Engel-Apotheke hat als einzige der vier ältesten Apotheken den Zweiten Weltkrieg unzerstört überstanden. Unter den Mohren-Apothekern erlangte Carl Reichard (1783-1869) größere Bedeutung. Seine "Beiträge zur Geschichte der Apotheken, unter vorzüglicher Berücksichtigung der Apotheker und Apotheken zu Ulm" (1825) waren für ihre Zeit ein beachtliches Werk der Pharmaziegeschichtsschreibung. Erwähnenswerte Kron-Apotheker waren Christoph Jakob Faulhaber (1772-1842), der die Offizin im klassizistischen Stil neu möblierte (heute im Deutschen Apotheken-Museum, Heidelberg) und Ernst Gustav Leube (1808-1881), der 1838 die erste Ulmer Zementfabrik gründete. Die Reichsstadt Ulm besaß früher ein großes Territorium mit Dörfern und Kleinstädten, das sich bis über Geislingen an der Steige hinaus ins Filstal erstreckte. Dagegen gehörte z.B. der heutige Stadtteil Wiblingen mit dem sehenswerten ehemaligen Benediktinerkloster nicht zur Reichsstadt, sondern zu Österreich. Schönster Innenraum des Abteigebäudes ist die Bibliothek, die 1744 mit Fresken zum Thema "Antike und Christliche Wissenschaft" ausgemalt wurde. Übrigens: Es dürfte die Besucher der Pharmaziehistorischen Biennale interessieren, daß Ulms derzeitiger Oberbürgermeister Ivo Gönner ein Apothekersohn ist. Danksagung Für Abbildungen danke ich recht herzlich Herrn Apotheker Martin Itschert und Herrn Apotheker Timo Ried.

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