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Meeresbiotechnologie: Krebsmittel aus dem Wattenmeer?

GÖTTINGEN (pid). Niedersächsische Wissenschaftler zahlreicher Fachrichtungen wollen die Nordsee und das Wattenmeer verstärkt als Fundgrube für die Entwicklung neuer Arzneistoffe nutzen. Dies ist das Ziel des neuen Forschungsschwerpunktes "Meeresbiotechnologie", an dem sich elf Forschungseinrichtungen in Niedersachsen beteiligen.

Vor allem Bakterien, Pilze und wirbellose Tiere wie Schwämme, Korallen oder Muscheln hätten sich in den vergangenen Jahren als ergiebige Quelle für die Gewinnung neuer Naturstoffe erwiesen, sagte der Koordinator des Projektes, Professor Axel Zeeck vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Göttingen. Die Volkswagen-Stiftung fördert das interdisziplinäre Forschungsvorhaben mit zehn Millionen Mark. An dem Projekt beteiligen sich außer der Universität Göttingen auch die Universität Oldenburg, die Universität, die Medizinische Hochschule und das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Hannover, die Technische Universität, die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen und die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig, außerdem die Fachhochschule Ostfriesland, das Forschungszentrum Terramare in Wilhelmshaven sowie das Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen. Bereits jetzt gebe es eine Reihe neuer Anti-Krebsmittel wie Bryostatin, Didemnin B, Halichondrin B oder Eletherobin, die auf Wirkstoffen von Meeresorganismen beruhten und sich derzeit in der klinischen Prüfung befänden, sagte Zeeck. Auch die Entwicklung von entzündungshemmenden Stoffen wie zum Beispiel Pseudepterosin für den Einsatz gegen Arthritis, Schuppenflechte und Asthma sei weit vorangeschritten. Sogar Wirkstoffe gegen Malaria seien gefunden worden. Bislang hätten Wissenschaftler in den USA und Japan in der Meeresbiotechnologie einen deutlichen Vorsprung. Mit dem neuen Forschungsschwerpunkt wollten die niedersächsischen Wissenschaftler nun ebenfalls auf diesem Terrain tätig werden und dabei vor allem die einzigartigen Bedingungen im Ökosystem Nordsee/Wattenmeer nutzen. An dem Projekt beteiligen sich Wissenschaftler zahlreicher Fachrichtungen, unter anderem Meeresbiologen, Chemiker, Mikrobiologen, Enzymforscher, Genetiker, Biotechnologen und Pharmakologen. Für die Forscher sind die Meeresorganismen deshalb so interessant, weil ihr Stoffwechsel aufgrund der unterschiedlichen evolutionären Entwicklungen andere Prägungen aufweist, als dies bei Arten auf dem Land der Fall ist. Meeresorganismen lebten häufig in Gemeinschaften, sagte Zeeck. Der Aufbau und die Erhaltung dieser Gemeinschaften sowie ihr Schutz gegenüber äußeren Feinden werden durch kleine Naturstoffmoleküle gesteuert. Die Wissenschaftler haben sich zum Ziel gesetzt, die Zusammenhänge dieser Mechanismen zu erforschen und die Wirkungsweise dieser Stoffe aufzuklären. Dazu wollen sie Proben aus dem Wattenmeer und der Nordsee sammeln und die daraus isolierten Organismen interdisziplinär bearbeiten. Damit die Probenentnahme nicht das ökologische Gleichgewicht des Wattenmeers belastet, sollen Biotechnologen für die Kultivierung der Organismen und damit für die Erzeugung größerer Materialmengen sorgen.

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