DAZ aktuell

BPI-Referat Selbstmedikation: Haben Sie Ihre Identität gefunden?

FRANKFURT (aal). 80% der rund 300 Mitglieder des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) haben OTC-Medikamente im Programm. Die Selbstmedikation ist also ein wichtiger Bereich, der durch die Verbandsarbeit unbedingt unterstützt werden muß. Im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung am 25. März 1998 erhielt daher die Fachabteilung Selbstmedikation aktuelle Anregungen von Fachleuten.

Prof. Dr. Hans-Rüdiger Vogel, Vorsitzender und Hauptgeschäftsführer des BPI, kritisierte den Trend, Arzneimittel unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob sie verschreibungspflichtig oder rezeptfrei sind. Dabei kommt es zu einer Verdrängung der OTC-Arzneimittel aus der Erstattung. Bestimmend sind dafür die Krankenkassen, die zur Überzeugungsarbeit ihren Arznei-Verordnungsreport benutzen. Gegen die Aufstellung dieses Reports, so Vogel, habe der BPI immer lautstark protestiert und sei daher gegenüber den vielen Stillen im Lande unangenehm aufgefallen. Man könne jedoch nicht einerseits die Entlassung von Präparaten aus der Verschreibungspflicht betreiben und andererseits ihre Disqualifizierung als "ernsthafte Medikamente" hinnehmen. Wer Selbstmedikation fördern will, muß auch auf einer ausreichenden ärztlichen Kontrolle und einer sinnvollen Erstattungsregelung bestehen.

Markterfolg durch Identität Der Markt der freiverkäuflichen Arzneimittel ist sehr schwierig, da sich in den einzelnen Indikationsbereichen die Medikamente nur marginal unterscheiden. Die Qualität als Vorteil gegenüber Mitbewerbern ist also kein Argument. Immer stärker gewinnt daher das Image des Herstellers hinter dem Medikament an Bedeutung. Wie Franz Cesarz (Geschäftsführer der Firma qualigramm, Gesellschaft für Kommunikation mbH, Bremen) in seinem Vortrag ausführte, wissen jedoch 95% der Firmen nicht, wer sie sind und was sie darstellen wollen. Wie bei Einzelpersonen ist die Findung einer Identität jedoch der Weg zu eigenständigem Handeln. Eigene Profile entwickeln die wenigsten Menschen. Die meisten "wursteln sich durch" und sind - mit viel Glück - dabei eine Zeitlang erfolgreich. Die zweite Gruppe schafft sich eine zu ihrem Charakter nicht passende Identität und wird daher auch bei stärkstem Einsatz unter den Verlierern sein. Auf Dauer erfolgreich wird nur diejenige Person oder Firma sein, welche eine zu ihrem Charakter passende Identität entwickelt und diese durchsetzt, ohne auf andere Beispiele zu schielen.

Identität ist mehr als "Funktionieren" Identität ist vor allem ein geistiges Faktum, das mit der Erfüllung der tagtäglichen Aufgaben wenig zu tun hat. Cesarz gab hierfür ein konkretes Beispiel aus der Politik: Der deutsche Staat hat eigentlich keine Identität mehr, keine tragende Idee, die er offensiv nach außen verteidigt. Im Gegenteil, wir bemühen uns, so anpaßbar wie möglich zu sein, um uns im Europa-Konzert zu integrieren. Dabei ist eine positive Identität weitgehend verloren gegangen, wir haben dafür die negative des ewigen Büßers. Dieser Identitätsverlust ist geschehen, während sich der Staat immer mehr verfeinerte und ausdehnte, ein Konflikt, den die Bevölkerung heute als Verselbständigung des Beamtenapparates und eine Entfernung der Politik vom Leben der Menschen wahrnimmt. Es fehlt der Republik eine Sinnhaftigkeit, an der alle Bürger teilhaben können. Identität bedeutet aber, immer eine konkrete Stellung zu beziehen; zu viel Toleranz führt letztlich zum Verlust der Identität. Das ist einer der Gründe, warum unsere moderne Gesellschaft für fundamentalistische Strömungen, die eigentlich nur Idee und kaum Substanz sind, so anfällig ist. Das Nachdenken über eine passende Identität ist eine große Aufgabe. Angst vor der Konkurrenz oder vor Auseinandersetzungen sowie Bequemlichkeit sind die Hauptgründe, warum so selten eine eigene Identität angestrebt wird. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, daß Identität in ihrer Außenwirkung das Gefühl anspricht, ihre Findung hingegen allein nur aus der Ratio gelingen kann.

Identität ist ein Zukunftsinstrument Für mittelständische Pharmafirmen wird jedoch die Findung einer Identität immer wichtiger, da sie nicht genügend Geldmittel haben, um allein über die Werbepräsenz Marken zu bilden. Auf Dauer ist der Erfolg ihrer Präparate vom Firmenimage determiniert, da dieses ausschlaggebend für die Präsentation der Firma z. B. im Internet und an der Börse ist. Gerade das Internet führt dazu, daß selbst Firmen mit einer breiten Angebotspalette letztlich nur aus einem "Kopf" von wenigen Personen bestehen. Qualität und Lieferfähigkeit sind im Internet keine Argumente mehr, da selbstverständlich. Eine unverwechselbare Identität mit ganz besonders ausgefeiltem Service wird hingegen zum "Aushängeschild" der mehr und mehr virtuellen Firma. Auch die Börse zwingt Firmen zur Identitätssuche. Sie ist vor allem ein Forum, um wahrgenommen zu werden. Nichts ist an der Börse tödlicher als ein häufiger Wechsel der Unternehmensphilosophie. Gerade Mittelständler können sich oft nicht über die Präparate in ihrer Forschungspipeline definieren, sondern allein über ihren Geschäftswert. Dieser wiederum wird wesentlich vom Image, also der Identität bestimmt.

MGDA: Marketingpower für zwei Die Apotheker müssen sich in ihrem Selbstverständnis so stark wandeln wie nie zuvor in ihrer langen Berufsgeschichte. Zu einem selbstbewußten Auftritt als Kaufmann gehört vor allem auch die nachdrückliche Vertretung der Interessen nach außen. 21000 Apotheken sind nur eine kleine Lobby mit zu wenigen Angestellten, um ohne besondere Anstrengungen öffentlich Druck zu machen. Das Ergebnis: Die meisten Beschlüsse der Gesundheitspolitik gingen bisher über die Köpfe der Apotheker hinweg. Hauptgrund ist auch hier die fehlende Selbstdefinition des Berufsstandes, die gelungene Mischung aus Ethik und Erwerbssinn. Gregor Ullrich, Geschäftsführer der Marketinggesellschaft Deutscher Apotheker mbH, Eschborn (MGDA), präsentierte sein Unternehmen als Partner für Industrie und Apotheken, der einerseits den Vertriebsweg Apotheke attraktiver gestaltet, andererseits aber auch die Markenidentität "Apotheke" fördert. (Über den neuen Auftritt der ABDA und ihre Serviceinitiativen wurde umfassend in der DAZ Nr. 31 vom 31. 7. 1997 berichtet.)

Apotheken haben, was sich Discounter wünschen Wie Ullrich betonte, hat die Apotheke durch die demographische Entwicklung unbedingt eine gute Zukunftsperspektive. Der Wert "Gesundheit" wird in einer immer älter werdenden Bevölkerung weiter steigen. Wie attraktiv der Markt ist, kann man an den Discountern ablesen. Sie gehen sogar das Risiko ein, bei geringen Margen durch hohen Umsatz Gewinn machen zu müssen. Ein großer Nachteil der Apotheker ist, daß sie zu lange Zeit durch Gesetze geschützt wurden. Nur unter diesem Schutz konnte sich die Mentalität der Arzneimittelverwaltung statt des Verkaufs ausbilden. Diesen Standpunkt gilt es jetzt schnellstens zu verlassen, ohne die guten Seiten der apothekerlichen Standesvorschriften zu mißachten. Die Beratung durch studiertes oder zumindest fachberuflich gebildetes Personal, die prinzipielle Erreichbarkeit "rund um die Uhr" (durch die Dienstbereitschaft) sind Pfunde, mit denen die Kosmetikmarkt- und Discounter-Konkurrenz nur zu gerne wuchern würde. Die Apothekerschaft jedoch hat es bisher nicht verstanden, diese Vorteile bei der Bevölkerung als das ganz spezielle Serviceangebot des Berufsstandes herauszustreichen. Die MGDA, so Ullrich, bemühe sich, diese Versäumnisse schnellstmöglich und mit Nachdruck auszuräumen. Denn die Zeit wird knapp: je mehr Arzneimittel bei Aldi & Co. in den Regalen stehen, umso mehr wird dieses Gut trivialisiert und der Konsument sieht nicht mehr ein, warum er zum Kauf den Rat des Apothekers benötigt.

Zielgruppen muß man kennenlernen wollen Für Pharmafirmen ist der Zugang zu Endverbrauchern häufig schwierig. Das liegt vor allem an einer gewissen Hemmschwelle, sich mit ihnen auseinandersetzen zu wollen. Mathias Fischer von der Berliner Agentur für Direktmarketing Fishermans Friends zeigte auf, was man verpaßt, wenn man sich vor dem Dialog mit den Endverbrauchern drückt. Die typische Apothekenkundin ist weiblich, zwischen 40 und 49 Jahren alt, verheiratet und lebt in einem 4-Personenhaushalt mit einem Familieneinkommen von etwa 3500,- DM monatlich. Wie viele Frauen, ist sie die "Gesundheitsexpertin" in der Familie. Ihr Interesse an der Selbstmedikation ist sehr auf Naturheilmittel gerichtet. Radio, Fernsehen und Printmedien überschütten diese Kundin auch mit Pharmawerbung. Besonders im Fernsehen empfindet sie diesen Werbehagel sehr störend. Ihre Informationen zu Arzneimitteln bezieht sie daher lieber vom Arzt oder Apotheker. In der Durchschnittsfamilie werden hauptsächlich Erkältungsmittel, Magen- und Verdauungsmittel sowie Schmerzmittel konsumiert. Natürlich hätte der Konsument gerne Ansprechpartner. Trotzdem haben 35% der Werbung keine Dialogelemente wie Coupons oder Servicenummern. Wo sie möglich sind, werden Anfragen immerhin schnell beantwortet: bei 56% der Unternehmen innerhalb von 14 Tagen. Wie wichtig guter Service ist, sieht man daran, daß jeder Kunde ein Multiplikator ist, der sowohl gute wie schlechte Erfahrungen weitergibt. Einmal geschaffenen Kundenkontakt sollte man daher so effizient wie möglich pflegen - ein Hilfsmittel dazu ist eine ständig aktualisierte Datenbank. Nur so ist es möglich, Kunden durch regionale Einladungen, Produktinformationen, Zusendung von Infomaterial, Geburtstagsgrüßen etc. zu binden. Kurz-, mittel- und langfristig wird so die Absatzförderung direkt über Wiederkäufe und Käufe anderer Produkte des Herstellers und auch die indirekte durch Aufbau eines positiven Multiplikators erreicht.

Die Offizin als Marketing-Schauplatz Über seine Erfahrungen in einer extrem marketingorientierten Apotheke berichtete Dietrich Heise, Inhaber der Internationalen Apotheke im Hessen-Center Frankfurt/Main. Wie Heise betonte, muß man sich immer wieder die Frage stellen: Welche Zukunft haben die Apotheken allgemein? Und: welche Zukunft hat meine Apotheke? Dazu gehört vor allem, sich Gedanken über die "interne" Werbung zu machen (Schaufenster- und Offizin-Deko, Verkaufsgesprächsschulungen, Corporate Identity der Apotheke und der Angestellten), aber auch die Extern-Wirkung nicht zu vergessen (Handzettelwerbung, Zeitungsanzeigen, PR, vielleicht auch Banden- und Kfz-Werbung). Heise stellte eine Palette seiner selbstentwickelten Marketingformen vor. Dazu gehört neben redaktioneller Werbung in Interviewform eine ständige Rubrik "Der Tip vom Apotheker", die in der Kundenzeitschrift "Hessen-Center aktuell" erscheint. Diese wird in allen umliegenden Haushalten verteilt. Anzeigen und Handzettel machen auf besondere Angebote im Selbstmedikationssortiment aufmerksam und kündigen Aktionen wie z.B. kostenlose Blutzuckermessungen an. Die erwachsenen Kunden von Heises Apotheke erhalten eine "Gesundheitskarte", auf der die erhaltenen Medikamente gespeichert sind. Kinder hingegen können Mitglied im "Bären-Club" werden, der zu Aktionen rund um Gesundheit, Sport, Ernährung oder Umwelt einlädt. Jeder Mitarbeiter muß sich bewußt sein, daß er als Umsatz-Mehrer fungieren kann. Dazu gehört natürlich eine spezifische Schulung, die die Angestellten dazu befähigt, selbst kreativ am Werbeauftritt der Apotheke mitzuwirken. Die Motivation dazu liefert eine besondere Anlage zum Arbeitsvertrag, die die Mitarbeiter zu Fachberatern ernennt und ihre Aktivitäten extra honoriert. Heise stellte sein Team bewußt aus verschiedenen Nationen zusammen (Marokko, Italien, Jugoslawien, Türkei), um dem Namen "Internationale Apotheke" auch im Kundenkontakt gerecht werden zu können. So bleibt der Slogan "Wir sprechen Ihre Sprache" kein leeres Wort.

Werbung im rechtlichen Spannungsfeld Die einzelnen Marketingmaßnahmen eines Arzneimittelherstellers müssen in Hinsicht auf die Legislative sorgfältig geprüft werden. Rechtsanwalt Wolfgang Kozianka wies in seinem Vortrag auf die Einschränkungen und Problematiken dabei hin. So können z.B. bei wissenschaftlichen Symposien die Wissenschaftler selbst sicher sein, nicht gegen Werbegesetze zu verstoßen. Anders sieht es bei den organisierenden Firmen aus. Sie tragen die Verantwortung für Form und Inhalt einer solchen Veranstaltung, wenn sie sie finanzieren, planen, den Inhalt vorgeben und maßgeblichen Einfluß ausüben. Gesetzt den Fall, eine Firma arbeitet mit einer Universitätsklinik ein Symposium aus, so ist die Hochschule für den Inhalt verantwortlich. Der Hersteller jedoch haftet bei allen Beanstandungen, die aufgrund der Werbegesetze erhoben werden können. Ein wichtiger Punkt, um rechtliche Probleme zu vermeiden ist, nie einen Produktnamen zu nennen, sondern sich ausschließlich mit Substanznamen zu beschäftigen. Sehr schwierig ist die Situation, wenn sich die Werbung direkt an Laien wendet. Hier gibt es prinzipielle Entscheidungen, die beachtet werden müssen. So ist die redaktionelle Berichterstattung grundsätzlich zulässig unter der Einschränkung, daß es nicht zu überflüssiger Nennung des Produktnamens und kritiklosem Lob (getarnte Werbung) kommt. Verantwortlich für den Inhalt einer solchen redaktionellen Berichterstattung ist sowohl das Presseorgan wie auch der pharmazeutische Unternehmer. Diese Verantwortung geht z.T. recht weit. So hat der Unternehmer dafür einzustehen, daß von den Presseberichten aufgrund seiner Informationen keine zu beanstandende Werbewirkung ausgeht. Konsequenz: Vor jeder Veröffentlichung sind entsprechende Texte immer zu prüfen.

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