Arzneimittel und Therapie

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Capillary-Leak-Syndrom bei mo

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft weist im Deutschen Ärzteblatt auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der subkutanen Gabe von Interferon beta-1b und der Entwicklung eines tödlich verlaufenden Capillary-Leak-Syndroms hin.

Anlaß ist die Einzelfallbeobachtung einer Patientin, die wegen der Symptome einer Enzephalomyelitis disseminata (wahrscheinliche Multiple Sklerose) mit 8 MIU Betaferon® behandelt worden war und innerhalb von 48 Stunden im Schock und unter den Zeichen eines Multiorganversagens starb. Möglicherweise wurden durch diese Therapie verstärkt autoimmune Reaktionen ausgelöst bei einer schon bestehenden verstärkten B-Zell-Aktivierung, die sich aus den Befunden einer monoklonalen Gammopathie und einer Hypergammaglobulinämie (21 bis 25 rel. %) ableiten läßt. Auch eine vor der MS-Erkrankung der Patientin zu beobachtende schwer verlaufende Perimyokarditis unklarer Ätiologie könnte eventuell in diesem Zusammenhang gesehen werden. Die Bewertung dieser Beobachtung stützt sich auf den Wirkungsmechanismus von Interferon beta-1b, das über die Freisetzung von Interleukin-10 die TH1-vermittelte zytotoxische Immunreaktion im Sinne der Immunmodulation unterdrückt. Wenngleich der Pathomechanismus dieser Nebenwirkungsreaktion und auch des Capillary-Leak-Syndroms nicht bekannt ist, muß doch von einer möglicherweise durch Betaferon® induzierten, zytokinvermittelten Nebenwirkungsreaktion ausgegangen werden. Insofern sollten Patienten selbst bei gesicherter Diagnose einer Multiplen Sklerose dann nicht mit Interferon beta-1b behandelt werden, wenn aufgrund laborchemischer Parameter oder der Anamnese Hinweise auf verstärkte B-Zell-Aktivierung (zum Beispiel monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz) beziehungsweise TH2-vermittelte Immunreaktionen bestehen. Eine sichere Diagnose einer Multiplen Sklerose liegt dann erst vor, wenn alle klinischen, kernspintomographischen und liquordiagnostischen Kriterien erfüllt sind. Aus Sicherheitsgründen sollte wegen der molekularen Ähnlichkeit diese Indikationseinschränkung auf rekombinante Beta-Interferone erweitert werden, da sich nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen weder in der Rezeptorbindung noch in der direkten Wirksamkeit von Interferon beta-1b und -1a signifikante Unterschiede ergeben. Der Hersteller von Betaferon® hat aufgrund dieser Beobachtung als eigenverantwortliche Maßnahme bereits die Aufnahme eines entsprechenden Warnhinweises in seinen Produktinformationen angekündigt. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft bittet um Mitteilung eventuell beobachteter unerwünschter Arzneimittelwirkungen im Zusammenhang mit einer Gabe von Beta-Interferonen (auch Verdachtsfälle) an folgende Anschrift: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Aachener Straße 233-237, 50931 Köln, Tel. (0221) 4004-518, Fax (0221) 4004-539.

Quelle Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 11, 13. März 1998, B-516.

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