DAZ aktuell

Kommentar

Was sind Igel?

Sind Igel Tiere, deren Stacheln einem wehtun oder nützliche Weggefährten durch das Fressen von Schädlingen? Ganz so putzig, wie es der Name suggeriert, ist der Sachverhalt nicht. Immerhin haben die "Individuellen Gesundheitsleistungen", für die die Abkürzung steht, in der vergangenen Woche eine riesige Aufmerksamkeit erlangt. Abzockerei lautete der Vorwurf an die Ärzte von Kassenseite, Polemik und Heuchelei sei das, erwiderten die Mediziner.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte ihren Igel-Katalog vorgelegt, 70 Positionen, die Versicherte - da außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung - selbst zahlen sollten. Die Krankenkassen warnten davor, dies suggeriere einen unvollständigen GKV-Leistungskatalog, die Igelliste enthalte Unsinniges und Gefährliches. Das stimme so nicht, antwortete die KBV, die Liste sei nur eine Abgrenzung, was die GKV heute schon nicht zahle und habe eben nichts mit dem medizinisch Notwendigen zu tun, was nach wie vor im GKV-Leistungskatalog stehe. Die grundsätzliche Frage ist die nach der Eigenverantwortlichkeit. Wenn jemand für sich bestimmte Leistungen für sinnvoll hält, soll er sie selbst bezahlen, und nicht die Solidargemeinschaft strapazieren, etwa Impfungen vor Auslandsreisen. Ich fand auch das Beispiel mit den zusätzlichen Ultraschalluntersuchungen bei Schwangeren einleuchtend. Wenn eine Schwangere - warum auch immer - mehr als die von der GKV bezahlten Sonographien wünscht, sollte sie sie auch privat finanzieren, es ist ihre Entscheidung. Reine Wunschnachfragen und die individuelle Vorsorge sollten selbst bezahlt werden. In der Praxis läuft das ja meist anders. So ist bekannt, daß Ärzte doch "medizinische Indikationen" für das "Babyfernsehen" entdecken, die Kasse zahlt dann. Oder Krankenkassen erstatten hinterher etwas, zu dem der Arzt zuvor keine Indikation festgestellt hat, weil sie sich im Wettbewerb als kulant präsentieren wollen. So kann man ein System auch konterkarieren. Vor diesem Gesichtspunkt ist die Liste so schlecht nicht. Sachlichkeit tut Not. Die Diskussion über Eigenverantwortung und Solidargemeinschaft ist im Gang. Ärzte und Krankenkassen sollten sich allerdings wieder an den Verhandlungstisch (im gemeinsamen Bewertungsausschuß) setzen, wie soll es bei Funkstille zwischen den beiden Gruppen sonst weitergehen? Hier wird zum Beispiel entschieden, ob Akupunktur zur Schmerzbehandlung Kassenleistung werden soll oder nicht. Ärzte und Kassen diskutieren dies seit längerem. Hier muß auch die Entscheidung fallen, was die GKV nicht bezahlen kann. Zentraler Vorwurf der Krankenkassen war, viele Igel-Leistungen erfüllten keinen medizinischen Zweck. Aber als die Krankenkassen ihren Versicherten vor wenigen Jahren noch Bauchtanz, Calisthenics oder Tai Chi (steht alles nicht in der Igelliste) anboten, war das alles medizinisch sinnvoll, oder wie? Soo lange ist das noch gar nicht her.
Susanne Imhoff-Hasse

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.