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AOK im Wettbewerb: Ortskrankenkassen wollen mehr Vertragsspielraum

MARIA LAACH (im). Die Ortskrankenkassen wollen sich zum Dienstleister für ihre Versicherten wandeln, die sie mit einer Vielzahl neuer Projekte betreuen wollen. Die jetzigen Möglichkeiten für die Etablierung neuer Versorgungsformen wie Hausarztabo halten sie noch für unzureichend, sie möchten zum Beispiel mit einzelnen Ärzten oder Krankenhäusern Verträge abschließen können. Von Boni für Ärzte zum Beispiel für Minderverordnungen nehmen sie jetzt Abstand, maßgeblich sei die Qualität der Versorgung, hieß es auf einem Presseseminar des AOK-Bundesverbands am 11./12. März in Maria Laach.

Nach Ansicht von Dr. Hans Jürgen Ahrens steht die gesetzliche Krankenversicherung trotz des Überschusses von 1,1 Milliarden Mark (Ende 1997) finanziell nicht auf einem soliden Fundament. Für dieses Jahr schloß der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands zwar Beitragssatzerhöhungen aus, angesichts sinkender Einnahmen wollte er eine solche Zusicherung für 1999 aber nicht geben. Dabei sei ausgeschlossen, die Zuzahlungen der Patienten weiter zu erhöhen. Für unabdingbar hält es Ahrens, Angebotsstrukturen im Gesundheitswesen zu vernetzen, um beispielsweise unnötige Krankenhauseinweisungen zu reduzieren. Die AOK denkt in dem Zusammenhang an finanzielle Anreize in der Vergütung wie kombinierte Budgets, Leistungskomplexpauschalen, Kopf- oder Fallpauschalen oder ergebnisorientierte Honorierung. Im Vordergrund stehen Arztnetzwerke, die Zusammenarbeit mit anderen Leistungsanbietern wie Apothekern wird zumindest nicht ausgeschlossen. Ahrens hob mit Nachdruck auf die Qualitätssicherung ab. Obligatorisch seien daher Qualitätszirkel, Behandlungsleitlinien oder das Einholen einer Zweitmeinung. Die AOK, trotz sinkender Mitgliederzahlen nach wie vor Marktführer in der gesetzlichen Krankenversicherung, setze auf eine Vielzahl neuer Projekte (siehe Kasten). Von den umstrittenen Bonusregelungen in Berlin und Brandenburg nahm Ahrens im übrigen deutlich Abstand. Es habe bereits Verbesserungen gegeben, da es falsch sei, nur auf Einsparungen zu sehen ohne die Qualität zu beachten. Wie Verwaltungsratsvorsitzender Peter Kirch sagte, werden darüber hinaus Boni oder Beitragsnachlässe für Versicherte abgelehnt. Insgesamt fordert die Spitzenorganisation der Ortskrankenkassen mehr Handlungsspielraum. Sie möchte über Strukturverträge und Modellvorhaben hinaus noch weitergehende rechtliche Möglichkeiten, zum Beispiel Ärzte in einer HMO (Health Maintenance Organization) anstellen oder nur mit einer Auswahl von Kliniken in einer Region zusammenarbeiten. Im Krankenhausbereich konstatiert der AOK-Bundesverband immer noch falsche Anreize, da die Kassen wegen des Erlösausgleichs auch für leerstehende Betten zahlen müßten. Ahrens zufolge sind die AOK derzeit bestrebt, eine Infrastruktur zur Steuerung des Versorgungsprozesses aufzubauen. Setze man mehr auf Dienstleistungen für die Versicherten statt wie bisher auf die reine Verwaltung von Geldmitteln, erfordere dies ein neues Selbstverständnis unter den eigenen Mitarbeitern, die über ein spezielles Know how verfügen müßten und teilweise bereits geschult worden seien. Die AOK habe auch Ärzte, Apotheker oder Krankenschwestern zu Gesundheitsberatern umgeschult.

Datensammlungen Nach Worten von Ahrens sollten die Kassen nicht nur über anonymisierte Daten bestimmter Gruppen verfügen, sondern auch über individuelle Versicherten- und Leistungsdaten. Darüber wolle man mit den Datenschützern reden; die AOK müsse beweisen, daß den Versicherten durch diese Datensammlungen kein Schaden entstehe.

Leitlinien für Ärzte Gert Nachtigal, Verwaltungsratsvorsitzender des AOK-Bundesverbands, trat für medizinische Behandlungsleitlinien ein, die nicht nur die ärztlichen Fachverbände erarbeiten sollten, sondern an denen die AOK beteiligt werden möchte. Für konkrete medizinische Probleme sollten geeignete Diagnose- und Behandlungskorridore vermittelt werden. Wie Nachtigal sagte, müßte ein Arzt Abweichungen davon begründen, da es sich nicht um "vage Hinweise" handele.

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