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Nur als Modellvorhaben: Ärzte jetzt für Heroinabgabe

Überraschender Umschwung in der Drogenpolitik bei der Bundesärztekammer in Köln. Deren Vorstand fordert erstmals, Heroinabgabe an Süchtige durch Ärzte zuzulassen. Der Bundesgesundheitsminister will jedoch weiterhin auf die Methadonsubstitution setzen.

Dr. Ingo Flenker, Vorsitzender des Suchtausschusses der Bundesärztekammer (BÄK), erläuterte am 3. März vor Journalisten in Bonn die Positionsänderung in der Ärzteschaft. Demnach sollten Klinikärzte in wissenschaftlich begleiteten Modellvorhaben einer eingegrenzten Gruppe von Schwerstabhängigen Heroin in speziellen Krankenhausambulanzen direkt geben können. Flenker machte deutlich, daß es der BÄK nicht um die flächendeckende Verteilung des Originalstoffes in Deutschland geht. Vielmehr sei eine zusätzliche Therapieform für diejenigen nötig, die mit Methadon-Substitutions-Behandlungen nicht erreicht werden können. Schätzungsweise 70.000 der bundesweit 140.000 Drogenabhängigen seien bereits in Substitutions-Programmen, nur maximal 3000 Abhängige kämen für die Heroinabgabe in Frage. Die BÄK knüpft strenge Voraussetzungen daran, wie langjährige chronifizierte Opiatabhängigkeit, Abbruch mehrerer Therapieversuche, akute Gefahr gesundheitlicher Schäden und die Begleitung des Therapieverlaufs. Sucht muß nach Worten von Flenker als Krankheit gesehen werden, bei der wie bei anderen die Prinzipien von kurativer oder palliativer Medizin gelten sollten. Könne ein Abhängiger nicht geheilt werden, seien die Ärzte in der Pflicht, zumindest die Folgen der Krankheit zu lindern. Grund für den Umschwung in der Drogenpolitik der BÄK seien die Ergebnisse des entsprechenden Schweizer Projektes wie verbesserter körperlicher Zustand der Süchtigen und deren Lebenssituation, Rückgang des illegalen Drogenkonsums sowie der Straftaten. Die BÄK unterstütze daher jetzt den bereits 1995 vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, der die Heroingabe ermöglichen würde.
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) sprach sich unterdessen weiterhin für Methadonsubstitutionen aus. Zwar seien fortlaufende Verbesserungen bei der Hilfe für Schwerstabhängige nötig. Seiner Ansicht nach sind jedoch Methadonprogramme der erfolgversprechendere Weg. Die Positionsänderung der BÄK gebe allerdings Anlaß zu vertieften Gesprächen.

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