DAZ aktuell

Apotheken-Management: Die Apotheke hat Zukunft, wenn∑

∑ sie sich den Erfordernissen der Zeit anpaßt. Wie diese Erfordernisse aussehen werden, versuchte Prof. Dr. Peter Oberender, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth auszuloten. Unangetastet sollten allerdings auf jeden Fall Fremd- und Mehrbesitzverbot bleiben, und - ganz wichtig - die Arzneimittelpreisverordnung!

Untersuchungen belegten: Deutschland ist eine Servicewüste, die Kundenunzufriedenheit wächst. Viele Konsumenten sind frustriert über Unfreundlichkeit und mangelnde Hilfsbereitschaft im Handel, bei Handwerkern und bei den Freien Berufen. Die Bürger haben Angst vor einem sozialen Absturz. Als Leitthemen der Zukunft sieht Oberender die Sicherung der Renten, Preisstabilität, die Erhaltung des Lebensstandards und die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Aus dieser Ausgangssituation heraus vollzieht sich ein Wandel der Gesellschaft, der Herausforderungen und Chancen auch für die öffentliche Apotheke bringt.

Chancen aus der demographischen Entwicklung Allein die demographischen Entwicklungen lassen Chancen erkennen: die Lebenserwartung steigt, die Menschen leben länger und arbeiten weniger. Im Jahr 1871 lag die Lebenserwartung noch bei 37 Jahren, 70 % davon waren mit dem Arbeitsleben ausgefüllt. Im Jahr 2010 werden wir eine Lebenserwartung von 81 Jahren haben, und nur 42 % davon werden wir für Arbeit aufbringen. Es wird mehr Alte als Junge geben, was zu einer Vergreisung der Bevölkerung führt. Schon heute zeichnet sich ab, daß das Umlageverfahren für die soziale Sicherung im Alter obsolet ist. Oberender sieht eine "Demokratie-Falle" auf uns zukommen: Der Anteil der 60jährigen nimmt enorm zu, die sozialen Leistungen werden zu politischen Gütern. Die Politiker machen, um Wählerstimmen zu erhalten, Zusagen an die Alten, wofür die Erwerbstätigen bezahlen müssen.

Von der Arbeits- zur Freizeitgesellschaft Ein weiterer Wandel der Gesellschaft zeichnet sich ab: die Entwicklung von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft und von der Arbeitsgesellschaft zur Freizeitgesellschaft. Das Gesundheits- und Fitnessbewußtsein steigt, gleichzeitig aber auch die Eigenverantwortung und das, was man dem Bürger als Eigenleistung zumutet. Es wird nach Oberender in Zukunft mehr außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden. Hierzu bedarf es einer fundierten Beratung, die beispielsweise auch der Apotheker gut übernehmen kann. Dieses Szenario schließlich führt zu einer Deregulierung des Gesundheitswesens.

Folgen der Globalisierung Fortschreiten wird auch der europäische Integrationsprozeß, was zur Preistransparenz und zu Arbitragegeschäften in verstärktem Maß führen wird. Man wird mit einer Globalisierung und Internationalisierung der Märkte rechnen müssen. Möglicherweise werden dann auch Umsätze im Gesundheitswesen zunehmend außerhalb der Apotheke getätigt werden. Denkbar ist, daß Arzneimittelhersteller verstärkt Kunden ansprechen und an Kunden liefern werden. Auch die Diskussion um die Arzneimittelabgabe durch den Arzt wird vor diesem Hintergrund sicher erneut geführt werden. Der Versandhandel wird nach Auffassung von Oberender zumindest in Teilbereichen, zum Beispiel für chronisch Kranke, kaum zu verhindern sein, auch der Verkauf von Arzneimitteln übers Internet.

Das Erlebnis zählt Ein weiterer Wandel vollzieht sich in der Gesellschaft: der Versorgungskonsum wird sinken, während der Erlebniskonsum steigen wird. Das Konsumerlebnis wird wichtiger als das Konsumgut selbst. Der Erlebnishunger führt zum Erlebniskonsum und damit wird der Wandel der Erlebnisqualität zur Lebensqualität einhergehen. Die Maxime des Kunden wird sein: "Ich will Spaß haben, egal was es kostet." Die entscheidende Motivation, etwas zu kaufen, ist nicht mehr der Bedarf, sondern der Wunsch nach einem "Sich-verwöhnen-lassen-Wollen". Da man für den Konsum Zeit benötigt, wird sich folglich die Maxime ausbreiten, daß Zeit Leben und nicht mehr nur Geld ist. In Zukunft wird also das Berichtbare und Erzählbare (Events, Abenteuer) mehr an Sozialprestige vermitteln als das Sichtbare und Vorzeigbare (Wohnung, Kleidung, Auto). Der Verbraucher entwickelt ein ambivalentes Verhalten zwischen Sparen und Verschwendung. Auf der einen Seite muß er arbeiten, um Geld zu erhalten, das er spart, um sich mehr Konsum erlauben zu können. Mehr Konsum bedeutet aber auch mehr Arbeit, um mehr verdienen zu können, was wiederum mit weniger Freizeit einher geht.

Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt Dieser Wandel in der Gesellschaft erfordert auch von den Apotheken klare Strategiekonzepte, die den veränderten Rahmenbedingungen adäquat Rechnung tragen. Die Apotheker müssen sich bewußt machen, daß der Kunde ihr eigentlicher Arbeitgeber ist. Die Kundenzufriedenheit sollte im Mittelpunkt stehen. Die Apotheke muß Profilierungschancen suchen. Leitgedanke könnte sein, dem Kunden eine positive Einkaufsatmosphäre zu schaffen, das Einkaufserlebnis muß betont werden. Hierzu gehört die Freundlichkeit, die mit an erster Stelle steht. Auf der Suche nach Profilierungschancen sollte man sich allerdings nicht mit dem Standesrecht anlegen, so Oberender, innerhalb des rechtlichen Rahmens gibt es jedoch noch sehr viele Möglichkeiten, die man wahrnehmen und innovativ ausfüllen kann, ohne gleich mit standesrechtlichen Vorschriften in Konflikt zu kommen. Oberender prognostiziert, daß der Bereich der nicht erstattungsfähigen Arzneimittel an Bedeutung zunimmt, die Selbstmedikation wird wachsen. Bestehende Normen und Regeln werden aufgrund dieser Gegebenheiten erschüttert und in Frage gestellt. Die bereits vorhandene Identitätskrise bei Apothekern setzt sich damit verstärkt fort.

Ethik und Ökonomie sind keine Gegensätze Dies wird zu einem Wertewandel führen und zu einem neuen Selbstverständnis des Apothekers, in dem er Ethik und Ökonomie nicht als Gegensätze, sondern als eine Einheit begreift. Oberender kann sich den Apotheker als einen umfassenden Gesundheitsberater vorstellen, der den Patienten durch das Gesundheitswesen lotst. Daneben wird es notwendig sein, daß der Apotheker über neue Möglichkeiten nachdenkt, so zum Beispiel die Apotheke als Kommunikationszentrum oder über die mobile Apotheke, das heißt, daß er nicht nur Arzneimittel ausliefert, sondern Patienten auch zuhause betreut. Ein großer Markt könnte auch der Pflegebereich oder medizinische Ernährungsprogramme werden. Als weitere Zukunftschancen nannte der Ökonomieprofessor die prä- und postmedikamentöse Versorgung, in Abstimmung mit Krankenhäusern und Praxiskliniken und schließlich auch der Bereich von Home Care und Laborleistungen. Oberenders Fazit: die Apotheke hat eine Zukunft, wenn sie sich den Erfordernissen der Zeit anpaßt. Denn die Gesundheit ist ein Markt der Zukunft, allerdings gibt es hier für die Apotheke keinen Bestandsschutz. Neue Herausforderungen erfordern neue Konzepte. Die Ökonomie gewinnt an Bedeutung. Eine Stärke der Apotheke ist die Qualität und die Beratungsleistung. Alte, lieb gewonnene, aber obsolete Einstellungen und Verhaltensweisen müssen aufgegeben werden. Allerdings sollte sich der Apotheker davor hüten, das Fremd- und Mehrbesitzverbot anzutasten, auch an der Arzneimittelpreisverordnung sollte er nicht rütteln. Der Apotheker muß begreifen, so Oberender, daß seine Stärke in der Beratung und damit in der Qualität des Service liegt - und nicht im Preiswettbewerb.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.