DAZ aktuell

Gesundheitspolitik der CDU/CSU: Den Wachstumsmarkt "Gesundheit" nicht allzu sehr

BONN (daz). In unserer gesundheitspolitischen Reihe baten wir Gesundheitsexperten der einzelnen Bundestagsfraktionen um Statements, wie sie sich das künftige Gesundheitswesen vorstellen. Nach Bündnis90/Die Grünen, SPD und FDP kommt dieses Mal die CDU/CSU zu Wort. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gesundheit, Wolfgang Lohmann, stellt die Ziele zur Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung vor. Man wolle damit die schwierige Finanzsituaiton der GKV in den Griff bekommen, ohne den Wachstumsmarkt "Gesundheit" allzu sehr zu strangulieren.

Ziele zur Weiterentwicklung der GKV 4,8Millionen Arbeitslose stellen die Politik vor die Verpflichtung, endlich die Rahmenbedingungen in Deutschland so zu verändern, daß sich eine Trendwende am Arbeitsmarkt einstellt. Für diese eminent schwierige Aufgabe vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte und der Einführung des Euro gibt es kein Patentrezept. Bei allem Streit über den richtigen Weg sind sich alle in einem Punkt einig: Die Lohnnebenkosten dürfen nicht weiter steigen. Diese Vorgabe sowie die Tatsache, daß Anlaß der Gesundheitsreformen der letzten zwei Jahrzehnte nicht etwa die Qualität der medizinischen Versorgung, sondern ausschließlich das Finanzierungsproblem war, hat die Koalition veranlaßt, folgende Ziele zur Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung zu formulieren: 1.Sicherung der Leistungsfähigkeit und der Finanzierbarkeit unseres Gesundheitswesens vor dem Hintergrund demographischer, medizinischer und wirtschaftspolitischer Herausforderungen; 2.die Ablösung staatlicher Reglementierung durch Verlagerung der Verantwortung und der Kompetenzen auf die gemeinsame Selbstverwaltung von Krankenkassen und Leistungserbringern; 3.Solidarität und Eigenverantwortung müssen in ein neues Gleichgewicht gebracht werden, bei uneingeschränkter Beibehaltung der notwendigen sozialen Schutzfunktionen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Finanzielle Situation ist stabilisiert Nachdem die 3.Stufe der Gesundheitsreform am 1.Juli 1997 in Gestalt der beiden GKV-Neuordnungsgesetze in Kraft getreten ist, können wir heute feststellen: Die finanzielle Situation der GKV hat sich stabilisiert, das Defizit in den alten Bundesländern wird aller Voraussicht nach vollständig abgebaut, und keinem Versicherten wurden medizinisch notwendige Leistungen vorenthalten. Die Betonung liegt auf medizinisch notwendig, weil der von der Koalition gesetzte Sparimpuls natürlich dazu geführt hat, daß alle Beteiligten kritischer im Bereich der veranlaßten Leistungen vorgehen. Auch die Versicherten suchen den verstärkten Dialog mit dem Arzt, um angesichts der höheren Zuzahlungen die Notwendigkeit der einzelnen Maßnahme zu hinterfragen. Das ist auch so gewollt.

Stärkung der Eigenverantwortung Warum ist die von uns vorgegebene Antwort einer Stärkung der Eigenverantwortung ohne Alternative? Die Antwort ist einfach: Wir haben erfahren müssen, daß die Menschen auch in Zukunft ein Gesundheitssystem mit all seinen Facetten haben wollen. Dazu gehört die Schulmedizin ebenso wie die besonderen Therapierichtungen, Massagen und Kuren, High-Tech im Krankenhaus und in der ambulanten Praxis. Der soziale Wandel der Gesellschaft, u.a. mit seinem Trend zu Single-Haushalten in Großstädten, führt auch dazu, daß Leistungen wie Haushaltshilfen, häusliche Krankenpflege, Fahrtkosten etc. überproportional steigen. Wenn man jetzt noch berücksichtigt, daß die Quelle, von dem dieses System lebt - die Arbeitseinkommen - nicht in dem Maße steigen wie die Ausgaben, dann führt an höheren Zuzahlungen kein Weg vorbei. Wer diese Erkenntnisse, wie die Opposition, negiert, streut den Menschen Sand in die Augen.

Realitätsferne der anderen Die Leser der DAZ konnten sich in den letzten Ausgaben von den realitätsfernen Ansichten der Opposition überzeugen. Realitätsfern sage ich deshalb, weil sich zum einen die Konzepte des "Rot/Grünen Zukunftsbündnisses" diametral widersprechen. Die SPD will den Wettbewerb, wenn auch einseitig, zugunsten der Krankenkassen ausbauen, während ihn die Grünen für völlig verfehlt halten und zur "bewährten" Staatsmedizin zurück wollen. Zum anderen sind für beide Oppositionsparteien die Begriffe Eigenverantwortung und Subsidiarität Fremdworte. Zuzahlungserhöhungen, die 10%ige Kürzung des Krankengeldes und Gestaltungselemente der Krankenkassen sollen zurückgenommen werden mit der Folge, daß auf die Krankenkassen Zusatzbelastungen in Milliardenhöhe zukommen. Als "Finanzierungsalternative" wird unter Ausklammerung verfassungsrechtlicher Bedenken eine Anhebung der Beitragsbemessungs- und Pflichtversicherungsgrenze ebenso vorgeschlagen wie die Einführung der "Scheinlösung" schlechthin - der Globalbudgetierung. Ein Globalbudget bleibt so lange ein frommer Wunsch auf Ausgabendisziplin, solange es keinen unanfechtbaren Sanktionsmechanismus gibt. Die negativen Erfahrungen mit dem angeblich stringenten Arznei- und Heilmittelbudget haben uns aber gelehrt, daß wir kein solches Instrumentarium haben. Die Rezepte der Opposition tragen nur, wenn die Kassen zu Lasten der Leistungserbringer ihre Position spürbar ausbauen. Alle Vernebelungsaktionen der Opposition können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Milliarden, die man durch die Rücknahme von Zuzahlungen verliert, von den Leistungserbringern - den Ärzten, Zahnärzten, der Pharmaindustrie und natürlich auch der Apothekerschaft - aufgebracht werden müssen. Wir haben mit unserer Reform einen anderen Ansatz verfolgt. Wir wollen die schwierige Finanzsituation der GKV in den Griff bekommen, andererseits aber auch den Wachstumsmarkt "Gesundheit" nicht allzusehr zu strangulieren. Der Gesundheitsmarkt setzt ca. 500 Mrd. DM um und beschäftigt über zwei Millionen Menschen. Bei der Frage, wo in Deutschland überhaupt noch Beschäftigung entstehen soll, darf das nicht außer acht gelassen werden.

Arbeitgeberbeitrag einfrieren? In der nächsten Legislaturperiode müssen wir uns mit einer weitergehenden Finanzreform beschäftigen. Im Kern geht es um die Frage, ob unsere Sozialversicherungssysteme weiterhin fast ausschließlich über Arbeitseinkommen finanziert werden können. Wir glauben dies nicht, so daß zumindest die Frage des "Einfrierens" des Arbeitgeberbeitrags zur Begrenzung der Lohnzusatzkosten wieder gestellt werden muß. Dank des Erfolges der 3.Stufe der Gesundheitsreform gewinnen wir Zeit, so daß wir ohne den Druck stetig steigender Beitragssätze alle sich bietenden Alternativen mit allen Beteiligten ausführlich diskutieren und anschließend entscheiden können.

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