DAZ aktuell

Aufsichtspflicht: Eltern müssen ihre Kinder "vorbeugend" aufklären

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat es wieder einmal deutlich gemacht: Eltern müssen oft dafür einstehen, wenn ihre Kinder anderen Schaden zufügen - und sei ihr Nachwuchs auch noch so klein.

Weil ein 6jähriger einem 3jährigen mit einer Spielzeugpistole (die zudem noch dem 3jährigen gehörte) ein Auge ausgeschossen hat, sind seine Eltern zu einer Schmerzensgeldzahlung von 40.000 Mark verurteilt worden. (AZ: 22 U 5/97)
Zum Glück steht für sie die private Haftpflichtversicherung ein - was den Richterspruch aber kaum beeinflußt haben wird. Das Düsseldorfer Urteil läßt vielmehr deutlich erkennen, daß an die Aufklärungs- und Aufsichtspflicht von Mutter und Vater ihren Kindern gegenüber ziemlich hohe Ansprüche gestellt werden. Denn obwohl die Eltern in dem Prozeß argumentierten, daß sie ihrem Kind niemals eine Spielzeugpistole kaufen würden, waren sie - so die Urteilsbegründung - verpflichtet, den Filius auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die mit einem solchen "Spielzeug" verbunden sind.
Den Eltern des 3jährigen, der nun lebenslang mit einem Auge auskommen muß, sei zwar eine moralische Mitverantwortung anzulasten; das wirke sich aber rechtlich nicht aus.

Die Entscheidung basiert auf dem Grundsatz, daß Kinder unter 7 Jahren "nicht schuldfähig" sind. Zu Ersatzansprüchen kann es deshalb nur dann kommen, wenn die Eltern (oder andere Aufsichtspersonen) ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Dazu gehört auch die vorbeugende Aufklärung, daß etwas Schlimmes passieren könne, wenn...

Urteile zur Aufsichtspflicht
In folgenden Entscheidungen ging es ebenfalls um (zum Teil: vermeintliche) Aufsichtspflichtverletzungen:
• Aufsichtspflicht: Sechsjähriger darf nicht allein auf die Straße. Läßt eine Mutter ihren sechsjährigen Sohn allein auf der Straße Fahrrad fahren und beschädigt der Junge dabei ein Auto, so kann der Pkw-Besitzer von den Eltern des Kindes Schadenersatz wegen Verletzung der Aufsichtspflicht verlangen. (Amtsgericht Detmold, 6 C 424/96)
• Aufsichtspflicht: Nur ausnahmsweise auf "Schritt und Tritt". Eltern sind nur dann verpflichtet, ihr minderjähriges Kind "auf Schritt und Tritt" zu beaufsichtigen, wenn es "milieugeschädigt" ist, daß heißt, als Folge "besonderer Aggressionsbereitschaft oder sonstiger Verhaltensstörungen stets mit gefährlichen Streichen zu rechnen ist". (Bundesgerichtshof, VI ZR 91/96)
• Aufsichtspflicht: Die Mama darf nicht nur "gelegentlich" gucken. Sieht eine Mutter "gelegentlich durchs Fenster", um ihr vor dem Haus spielendes 6jähriges Mädchen zu beobachten, so hat sie ihre Aufsichtspflicht nicht erfüllt, wenn die Kleine Zeit genug hat, den Lack eines kompletten Autos zu zerkratzen; die Eltern (oder ihre Haftpflichtversicherung) müssen dem Fahrzeugbesitzer den Schaden ersetzen. (Landgericht Lüneburg, 4 S 237/96)
• Aufsichtspflicht: 10- und 15jährige dürfen unbeobachtet spielen. Eltern verletzen ihre Aufsichtspflicht nicht, wenn sie ihren 10jährigen Sohn mit einem 15jährigen Jungen in ihrem Haus unbeaufsichtigt spielen lassen. Passiert dabei etwas (hier: Augenverletzung des 15jährigen nach gegenseitigem "Wurfspiel" mit Kleiderbügeln), so ist aufgrund des Altersunterschiedes der Schuldanteil des 15jährigen mit 75 Prozent anzusetzen. (Oberlandesgericht Köln, 19 U 19/95)

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