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Lutz Bäucker: Klappe, die allerletzte!

Es ist ein Montag, als ich ihm das erste Mal begegne, ein Montag im Mai 1977. Zuerst ist er mir gar nicht aufgefallen - kein Wunder, er ist ja auch eher klein und unscheinbar gewesen. Doch er beherrschte die Apotheke wie die vielzitierte graue Eminenz: "Da muß ich erstmal bei ihm nachschauen!" Jeder Kollege, jede Kollegin suchte Hilfe bei ihm. Nur ich, ich wußte nix von diesem Tausendsassa, diesem Wunderknaben, diesem Allwissenden. Denn das war er - "der Lauer". Jawoll: "Guksch oifach em Lauer nach!" riet mein schwäbischer Ausbildungsapotheker, "i woiß au net älles!" "Der Lauer" wußte alles: EK, VK, Packungsgrößen, Darreichungsformen, Dosierungen. Einfach toll, da staunte nicht nur der unbedarfte Pharmaziepraktikant. Mit "dem Lauer" stieg auch unsere Wertschätzung beim Publikum in zuvor nie erreichte Höhen: Menschen, die mit einem Blick in "den Affekaschte" (mein Chef hat sich nie so recht mit ihm angefreundet - modernes Teufelszeug und so...) die drängendsten Fragen lösen konnten, denen konnte man sich vorbehaltlos anvertrauen. Und das war gut so für den deutschen Pharmazeuten, "dem Lauer" sei dank! Doch das war sicher nicht die Absicht der Fürther Firma, als sie 1972 mit einer Startauflage von 18000 Stück die Mikrofilmtaxe unters pharmazeutische Volk brachte und damit ein neues Zeitalter hinterm Apo-Tresen einläutete. Wie mühsam war das zuvor gewesen: alle 14 Tage diese dämliche Preisänderungsetikettenkleberei - einfach unmenschlich und vorsintflutlich. Nun einfach Mikrofilm reinschieben und ablesen, zuerst manuell und schließlich vollautomatisch. Ohne "Lauer" lief nix zwischen Rezept und Rezeptur, der Film aus Franken war ein Oscar-verdächtiges Opus. Logisch, daß zu seinen besten Zeiten praktisch alle deutschen Apotheken am "Lauer" hingen. War ja auch zu praktisch, konnte ich doch manche Untiefe im Kundenkontakt durch einen souveränen Blick in den Kasten kaschieren: "Tut mir leid - mein Lauer sagt mir gerade, es ist ganz anders, als Sie behaupten!" Und "dem Lauer" wollte nun wirklich niemand widersprechen, denn wer von jenseits der Vitaminröhrchen-gefüllten HV-Displayschütten kannte ihn schon?! Doch das ist nun irgendwie vorbei: "Den Lauer" gibts nicht mehr in der Hollywood-Fassung. Die letzte Klappe ist gefallen, am 15. Dezember ist die letzte Mikrofilmlieferung rausgegangen, an 700 Apotheken. Computer und CD-ROM - das ist nun die neue Welt des "Lauer". Schön und gut und praktisch. Aber ein Stück deutsche Pharmaziegeschichte ist an Silvester 97 zu Ende gegangen. Eine Abschiedsträne weinen wir dem Film und seinem "Affenkasten" noch nach - und dann archivieren wir die Edition "Lauer 15. 12. 97" sorgfältig zwischen sauberen Papierblättern. Man weiß ja nie, was so was mal wert ist...

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