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Arzneiverordnungs-Report 97 erschienen: Verfügungsbeklagte Ausgabe mit geschwä

Der Arzneiverordnungs-Report 97 ist nun doch erschienen - allerdings mit Schwärzungen und der Bauchbinde auf dem Titel: Verfügungsbeklagte Ausgabe. Dies hat der als Herausgeber genannte Prof. Dr. Ulrich Schwabe in einer Presseinformation mitgeteilt.

Seit 1985 wird im Arzneiverordnungs-Report ein Jahresüberblick über die vertragsärztlichen Arzneiverordnungen gegeben. Die Analysen werden von 20 Autoren aus Klinik, Praxis und Pharmakologie aufgrund einer Rezeptstichprobe von rund 4 Mio. Verordnungen vorgenommen. Die Verordnungsdaten stammen aus dem GKV-Arzneimittelindex, der 1980 zunächst als Forschungsprojekt mit Förderung des Bundesministers für Forschung und Technologie begonnen wurde. Seit 1982 wird der GKV-Arzneimittelindex von den gesetzlichen Krankenversicherungen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände gemeinsam getragen. Mit der Information über die vielfältigen Komponenten der ärztlichen Verordnungstätigkeit soll zugleich ein Beitrag zur Transparenz des Arzneimittelmarktes sowie zu einer zweckmäßigen und wirtschaftlichen Arzneitherapie geleistet werden.

Einstweilige Verfügungen

Der Arzneiverordnungs-Report erscheint 1997 erstmals seit 12 Jahren mit einer dreimonatigen Verzögerung. Vier Wochen vor der geplanten Fertigstellung hatten mehrere pharmazeutische Unternehmen einstweilige Verfügungen gegen das Erscheinen des Arzneiverordnungs-Reports 97 beantragt. Die Kläger hatten zuvor von einem als vertraulich gekennzeichneten Manuskript des Buches Kenntnis erlangt, in dem erstmals ein Kapitel über sogenannte umstrittene Arzneimittel mit therapeutischen Substitutionsvorschlägen geplant war. Die Verfügungsanträge richteten sich nicht gegen Autoren und Herausgeber des Buches, sondern gegen die Projektträger aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungen, denen es als öffentlich-rechtliche Körperschaften untersagt sei, über die Verbreitung von Aufstellungen umstrittener Arzneimittel in den Wettbewerb auf dem Arzneimittelmarkt einzugreifen. Dabei wurde unterstellt, daß die strittigen Texte und Arzneimitteltabellen nicht nur die Meinung der Autoren, sondern auch der Projektträger darstellten. Insbesondere werde in dem Buch die Mitwirkung der Projektträger in einer Weise zum Ausdruck gebracht, daß bei den Ärzten der Eindruck entstehe, die Autorität der Krankenkassen stehe hinter dem Arzneiverordnungs-Report und damit hinter der dort veröffentlichten Aufstellung über umstrittene Arzneimittel. Diesen Anträgen haben die Landgerichte Hamburg (315 O 567/97) und Düsseldorf (38 C Kart. 120/97) am 11. und 12. September 1997 stattgegeben. In einer weiteren ähnlich begründeten Verfügungsklage hat das Landgericht Hamburg (315 O 600/97) am 3. Dezember 1997 dem Antrag der klagenden Pharmafirma nicht stattgegeben, sondern entschieden, daß es sich bei den bewertenden Beiträgen im Arzneiverordnungs-Report 97 um Meinungsäußerungen unabhängiger Wissenschaftler handelt, die durch die Wissenschaftsfreiheit gedeckt erscheinen und nicht über wettbewerbsrechtliche Vorschriften unterbunden werden können. Bis zur endgültigen juristischen Klärung haben sich Verlag und Herausgeber entschlossen, vorerst eine verfügungsbeklagte Ausgabe des Arzneiverordnungs-Reports 97 ohne die Aufstellungen umstrittener Arzneimittel zu veröffentlichen und die einstweilig untersagten Arzneimitteltabellen und Textpassagen zu schwärzen. Bei den Textschwärzungen sind auch solche Passagen berücksichtigt worden, zu denen aufgrund der vorliegenden Verfügungsurteile weitere 12 Arzneimittelfirmen Abmahnungen mit entsprechenden Unterlassungsansprüchen vom Gustav Fischer Verlag verlangt hatten. Professor Schwabe in seiner Pressemitteilung: In dieser Situation kann den Lesern des Arzneiverordnungs-Reports nur empfohlen werden, sich über die Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit der nach unserer Auffassung umstrittenen Arzneimittel anhand der wissenschaftlichen Literatur und der Entscheidungen der Zulassungsbehörden anderer Länder zu orientieren. Auch die in den Vorjahren in die Schriftenreihe ,Daten des Gesundheitswesens des Bundesministeriums für Gesundheit übernommenen Daten des Arzneiverordnungs-Reports einschließlich der Verordnungsdaten umstrittener Arzneimittel sind von den Klagen nicht berührt.

Verordnungsentwicklungen 1996

Im Jahre 1996 haben die steigenden Arzneimittelausgaben für die Patienten der gesetzlichen Krankenkassen lebhafte Diskussionen und heftige Gegenreaktionen ausgelöst. Zur Jahresmitte zeichnete sich eine wachsende Kostenprogression ab, die mit 8,7% sogar noch die Steigerungsrate des Jahres 1995 (+7,1%) übertraf. Bundesweit drohte bis zum Jahresende Õ96 eine Überschreitung des Arznei- und Heilmittelbudgets um 4,8 Mrd. DM. In dieser Situation hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung im Oktober 1996 mit der Ankündigung einschneidender Sparmaßnahmen reagiert. Mit einem vorläufigen Notprogramm sollten Budgetüberschreitungen verhindert werden. Die Sparmaßnahmen betrafen folgende Arzneimittelgruppen:

  • Verzicht auf die Verordnung umstrittener Arzneimittel,
  • Einschränkung bei hochpreisigen Me-too-Präparaten mit marginalen Vorteilen gegenüber bewährten Leitsubstanzen,
  • Ausschöpfung des Preiswettbewerbs bei Generika.

Infolge von einstweiligen Verfügungen mehrerer Pharmafirmen durfte dieser Sparappell von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nicht an ihre Mitglieder verteilt werden. Trotz dieser Behinderung wurde ein eindrucksvoller Sparerfolg erzielt. In einem schwierigen Kraftakt ist es Ärzten und Patienten bis zum Jahresende 1996 gelungen, die befürchteten Ausgabenüberschreitungen zu vermindern. Die monatliche Analyse der Arzneimittelumsätze zeigte in der ersten Jahreshälfte einen kontinuierlichen Anstieg bis zum Juli, danach aber eine rückläufige Tendenz, die ab November 1996 noch einmal besonders deutlich wurde. Allein bei den umstrittenen Arzneimitteln gingen die Verordnungen in den letzten beiden Monaten des Jahres 1996 um ca. 400 Mio. DM zurück. Im 2. Halbjahr 1996 wurde der Anstieg der Arzneimittelkosten fast halbiert.

Innovative Spezialpräparate

Mit den massiven Verordnungsrückgängen hat die Ärzteschaft erreicht, daß sich die Mehrausgaben des Jahres 1996 fast ausschließlich auf den Bereich der innovativen Spezialpräparate mit relativ hohen Verordnungskosten konzentrieren, so heißt es in der Pressemitteilung von Professor Schwabe weiter. Das Umsatzvolumen von nur 22 Präparaten liegt mit 1,5 Mrd. DM infolge einer 230%igen Steigerung innerhalb eines Jahres ungewöhnlich hoch. Diese Arzneimittel werden für spezielle Anwendungsgebiete im Rahmen besonderer therapeutischer Verfahren an ausgewählten klinischen Zentren eingesetzt. Dazu gehören vor allem Immuntherapeutika für die Transplantationsmedizin, Hepatitistherapie oder Onkologie. Weitere starke Steigerungen sind bei der Anämiebehandlung mit Erythropoetin und der Prostatakarzinomtherapie mit Gonadorelinanaloga eingetreten. Auffällig ist auch die starke Zunahme von Gonadotropinen für die In-vitro-Fertilisation sowie von zwei neuen Wachstumshormonpräparaten. Im Vergleich dazu sind die Kostenanstiege bei neuen Zytostatika relativ gering.

Generikamarkt

Als Folge der Sparappelle hat der Generikamarkt mit preiswerten Arzneimitteln weiter zugenommen. Bei den generikafähigen Wirkstoffen haben die Zweitanmelderpräparate inzwischen 67% der Verordnungen (Vorjahr 66%) und 61% des Umsatzes (Vorjahr 58%) erreicht. Bezogen auf den Gesamtmarkt haben die Generika ihren Anteil an den Verordnungen seit 1981 von 9% auf 38% im Jahre 1996 gesteigert. Die bundesdeutschen Kassenärzte haben dadurch 1996 insgesamt 3 Mrd. DM an Arzneimittelkosten einsparen können. Die Analysen ergaben weiterhin, daß der generikafähige Teilmarkt ein Umsatzvolumen von 17,1 Mrd. DM darstellt und damit ein zusätzliches Einsparpotential von weiteren 3 Mrd. DM aufweist, wenn jeweils der günstigste Preis für Generika berücksichtigt wird. Allein bei den 20 wichtigsten Arzneimitteln könnten unter diesen Voraussetzungen Einsparungen von 1,9 Mrd. DM verwirklicht werden.

Erhöhte Arzneimittelzuzahlungen

Mit dem 2. Neuordnungsgesetz wurden die Zuzahlungen für Arzneimittel ab 1. Juli 1997 um 5 DM erhöht. Dadurch steigt die Eigenbeteiligung der Patienten aus dem GKV-Bereich von 3 Mrd. DM auf 7,2 Mrd. DM pro Jahr, d.h. auf einen Anteil von 20% bei einem Gesamtumsatz von 34,7 Mrd. DM. Die massive Erhöhung der Eigenbeteiligung hat bereits erhebliche Auswirkungen gehabt. Die GKV-Arzneimittelausgaben sind in den ersten neun Monaten 1997 um 5% zurückgegangen, allein im dritten Quartal sind 900 Mio. DM eingespart worden. Das starre System der Zuzahlungsbeträge nach Packungsgrößen führt nach Ansicht von Schwabe zu einer unnötigen Verteuerung der Arzneitherapie gerade bei den preiswerten Arzneimitteln. So kostet die Behandlung des hohen Blutdrucks mit modernen ACE-Hemmern (z.B. Captopril) bei Verordnung eines Originalpräparates 740 DM/Jahr, aber nur 170 DM/Jahr bei Verordnung eines Generikums. In beiden Fällen hat der Patient die gleiche Zuzahlung von 91 DM/Jahr zu leisten, so daß seine Eigenbeteiligung bei einem preiswerten Generikum 54% und bei einem teuren Originalpräparat nur 12% beträgt. Die derzeitige Zuzahlung wirkt also nicht kostensparend. Bei einer prozentualen Zuzahlung von beispielsweise 20% würde der Zuzahlungsbetrag direkt preisabhängig, d.h. für das Originalpräparat 148 DM und für das Generikum nur noch 34 DM pro Jahr betragen. Auf diese Weise wären die einheitlich hohen Zuzahlungen durch die Patienten korrigierbar. Sie könnten selbst mitentscheiden, ob sie bei gleicher Arzneiqualität nicht nur die Arzneimittelkosten, sondern auch ihre eigene Zuzahlung sichtbar senken wollen. Damit wären auch die Patienten in die angestrebten Spareffekte im Generikabereich eingebunden und könnten eigenverantwortlich die hohe Zuzahlungslast vermindern, so die Pressemitteilung.

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