Bericht

Herpesviren: Praktisch jeder trägt sie in sich

Herpesviren sind weltweit die am häufigsten vorkommenden Viren. Prof. Dr. Peter Wutzler sprach am 23.11.1997 auf dem Fortbildungskongreß der LAK Baden-Württemberg über die Therapie der ubiquitären Viren.

Stand man Herpesinfektionen früher recht hilflos gegenüber und hoffte vielfach nur auf den Plazeboeffekt der mehr oder weniger wirkungslosen Therapieversuche, stehen heute eine Reihe potenter Virustatika zur Verfügung. Die meisten entfalten ihre virustatische Wirkung im Bereich der Virus-DNA-Replikation. So blockiert z. B. auch die älteste Substanz der systemisch eingesetzten Virostatika, Aciclovir, die Vermehrung der Virus-DNA. Obwohl schon seit mehr als zehn Jahren auf dem Markt, ist Aciclovir, intravenös appliziert, zumindest bei der Behandlung von schwer verlaufenden HSV 2-Primärinfektionen nach wie vor das Mittel der ersten Wahl. Bei leichteren Verläufen der HSV 2-Infektionen, bei HSV 1-Infektionen oder bei der Zostertherapie gibt man heute allerdings neueren Substanzen den Vorzug.

Valaciclovir, Penciclovir und Brivudin
Zu diesen neueren Substanzen zählen Valaciclovir, Penciclovir und Brivudin. Valaciclovir ist eigentlich nur ein Prodrug. Es unterscheidet sich von Aciclovir durch einen zusätzlichen Valinrest, der bewirkt, daß Valaciclovir gegenüber Aciclovir deutlich besser oral resorbiert wird (55% versus 18% Resorption). Nach der Aufnahme über die Darmschleimhaut wird der Valinrest abgespalten und der eigentliche Wirkstoff, Aciclovir, liegt wieder vor. Penciclovir, in seiner Wirksamkeit dem Valaciclovir vergleichbar, wird ebenfalls als Prodrug (Famciclovir) verabreicht und erst nach dem First-Pass-Effekt in der Leber freigesetzt. Wie Valaciclovir bewirkt Penciclovir eine gute Hemmung der Virämie sowie eine gute Reduktion der infektionsbedingten Schmerzen. Beide Substanzen sind in Deutschland zur Therapie von Primärinfektionen und manifesten Sekundärinfektionen zugelassen und eignen sich aufgrund ihrer Selektivität vor allem zur Behandlung von HSV 1 und HSV 2-Infektionen. Die Zulassung der Substanzen für die prophylaktische Behandlung von Infektionerezidiven wird voraussichtlich noch in diesem Jahr erfolgen.
Brivudin ist die dritte Substanz, die als Virustatikum der 2. Generation zur Therapie von Herpesinfektionen in Deutschland zum Einsatz kommt. Es unterscheidet sich von Aciclovir, Valaciclovir und Penciclovir durch einen etwas anderen Wirkmechanismus, vor allem aber durch eine andere Virusselektivität. Brivudin wirkt etwa 2000 mal besser gegen Varizella-zoster-Viren als Aciclovir, Valaciclovir oder Penciclovir. Daneben zeigt es auch eine gute Affinität zu HSV 1 (im Vergleich etwa 1000fach besser). Für die Therapie des Herpes genitalis ist Brivudin dagegen ungeeignet, da es bei diesen Herpesviren kaum eine Wirkung zeigt.

Topische Virostatika und Phytopharmaka
Neben den systemischen Virostatika stehen für die Behandlung von Herpesinfektionen auch topische Virustatika zur Verfügung. Wie Prof. Dr. Wutzler betonte, ist die Wirksamkeit dieser Präparate allerdings umstritten. Außer für Penciclovir, das als 1% Salbe bei der Herpes genitalis eingesetzt wird und dessen positiver Effekt gegenüber Plazebo in einer kontrollierten, doppelblinden Studie nachgewiesen werden konnte, existieren keine eindeutigen Daten, die die Wirksamkeit von topischen Virustatika belegen würden. Gleiches gilt auch für Phytopharmaka wie Salbeiblätterextrakt oder Melissenblätterextrakt. Für keines der auf dem Markt befindlichen Phytopharmaka wurde bisher in kontrollierten Studien eine tatsächliche Wirkung bei der Behandlung von Herpesinfektionen nachgewiesen, so Prof. Dr. Wutzler. Er plädierte daher auch, daß die Strategie der Herpesinfektionstherapie sich auf die Anwendung der systemischen Virustatika konzentrieren sollte: "Herpesinfektionen sind mit den heute zur Verfügung stehenden Medikamenten gut therapierbar. Wichtig ist allerdings, daß die Substanzen rechtzeitig und konsequent eingesetzt werden. Ist diese der Fall, kann zumindest ein schwerer Verlauf der Infektionen in jedem Fall vermieden werden."

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