Arzneimittel und Therapie

Krebstherapie: Neue Hoffnung durch Epothilone

Vor kurzem entdeckte man die paclitaxelartige Wirkung der aus Myxobakterienkulturen isolierten Epothilone. Seitdem ist die Hoffnung groß, ein weiteres Mittel zur Bekämpfung bestimmter Krebserkrankungen gefunden zu haben, das außerdem im Vergleich zu Taxol viele Vorteile aufweist.

Vergleich mit Paclitaxel
Epothilone verfügen über eine relativ einfache Struktur, einen 16gliedrigen Lactonring, der eine Epoxid-, Thiazol- und Ketogruppe enthält (daher der Name Epothilon). Das Molekül kann leicht synthetisiert und über Derivatisierung den medizinischen Erfordernissen angepaßt werden.
Die Gewinnung von Paclitaxel hingegen erfolgt halbsynthetisch und ist sehr aufwendig: Aus den Nadeln der in Europa heimischen Gemeinen Eibe wird eine Vorstufe isoliert, die anschließend in vier Syntheseschritten in Paclitaxel umgewandelt wird.
Epothilone sind verglichen mit Paclitaxel viel besser wasserlöslich (ca. 30fach) und könnten deshalb ohne Lösungsvermittler parenteral verabreicht werden. Da Lösungsvermittler ein hohes allergisierendes Potential aufweisen und unter Umständen anaphylaktische Schockreaktionen und Herzrhythmusstörungen auslösen, ist die Verabreichung von Epothilonen mit weniger Risiken behaftet, auch die Vorbehandlung mit Antihistaminika kann entfallen.

Wirksam gegen multiresistente Tumorzellen
Ein weiterer Vorteil gegenüber Paclitaxel besteht in der noch vorhandenen Wirksamkeit gegenüber multiresistenten Tumorzellen. Die Resistenz der Tumorzellen gegenüber Chemotherapeutika beruht unter anderem auf der Bildung von P-Glykoproteinen, die in der Lage sind, strukturell völlig unterschiedliche Substanzen an sich zu binden und diese anschließend aktiv aus der Zelle herauszuschleusen. Während Paclitaxel nur noch ein Zwanzigtausendstel seiner ursprünglichen Wirksamkeit gegenüber resistenten Tumorzellen zeigt, verlieren Epothilon A und B nur ein Viertel bzw. Zwölftel ihrer Aktivität, weil sie vermutlich schlechter an die Transportproteine gebunden werden.

Angriff an den Mikrotubuli der Zelle
Die Mikrotubuli der Zelle stellen die Zielstruktur der Epothilone dar. Es handelt sich dabei um röhrenförmige Strukturen, die aus zwei zusammengelagerten Proteinmolekülen, Alpha- und Beta-Tubulin, aufgebaut sind. Sie sind unter anderem Bestandteile des formgebenden inneren Zytoskeletts der Zelle. Aus einem Teil dieser Mikrotubuli entstehen die Spindelfasern, die während der Mitose (Kernteilung) die Aufgabe haben, die verdoppelten Chromosomen zu trennen. Anschließend kann die eigentliche Zellteilung stattfinden.
Paclitaxel und Epothilon binden an die Beta-Untereinheit der Mikrotubuli und verhindern dadurch deren Dissoziation in Alpha- und Beta-Tubulin. Durch diese Stabilisierung werden Bildung und Funktion der Mitosespindelfaser gestört, Kern- und Zellteilung können nicht mehr stattfinden.
Ähnlich wirken auch andere Spindelgifte, die bereits vor Paclitaxel entdeckt wurden, beispielsweise Vincristin. Sie führen jedoch im Gegensatz zu diesem zur Destabilisierung der Mikrotubuli, indem die Zusammenlagerung von Alpha- und Beta-Tubulin verhindert wird.
Da Krebszellen besonders teilungsaktiv sind, werden sie von Substanzen, die die Kern- und Zellteilung verhindern, stärker beeinflußt als normale Zellen. Dennoch ist die Behandlung mit Mitosehemmstoffen, wie auch bei allen anderen Chemotherapeutika, eine Gratwanderung, verbunden mit vielen Nebenwirkungen.


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