DAZ aktuell

Heroin an Abhängige: Pro und Kontra

Sollte die kontrollierte Abgabe von Heroin an Süchtige ermöglicht werden? Ein uneinheitliches Bild ergab eine Anhörung des Bundestags-Gesundheitsausschusses zu diesem Gesetzentwurf. Drogenexperten äußerten Pro- und Kontra-Argumente.

Der Vorstoß der Länderkammer will das Verabreichen von Stoffen wie Heroin an Abhängige erlauben, nach Maßgabe der obersten Landesbehörde sollen wissenschaftliche Versuche mit solchen Substanzen ermöglicht werden. Der Deutsche Caritasverband hält diesen Ansatz für ungeeignet. Die Verlagerung einer derart wichtigen Entscheidung an eine Landesbehörde sei nicht zu verantworten. Die staatliche geregelte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige sollte als ultima ratio und unter genau definierten Bedingungen ermöglicht werden. Zuvor müßten alle anderen Möglichkeiten der Hilfe wie Methadonsubstitution ausgeschöpft worden sein.
Nach Ansicht des Fachverbands Drogen und Rauschmittel könnten durch Heroinvergaben bisher schwer erreichbare Personen besser angesprochen werden. Dies dürfe jedoch keinesfalls losgelöst von den Strukturen der Suchtkrankenhilfe erfolgen. In jedem Fall müßten weiterhin ausreichende Mittel in die Jugendhilfe und Prävention gesteckt werden. Mehrere Suchtexperten äußerten, neue Angebote dürften nicht zu Lasten anderer erfolgreicher Behandlungsangebote der Suchtkrankenhilfe gehen.
Der Fachverband Sucht äußerte, die legale Versorgung einer abgegrenzten Personengruppe mit Rauschmitteln werfe die Frage auf, wie sich die Marktverhältnisse jenseits dieser Grenze entwickelten. Es müsse mit der Forderung gerechnet werden, daß
diese Grenze von den Schwerstabhängigen in Richtung des "Gelegenheitskonsumenten" verschoben werde bis hin zu einem freien Drogenzugang für jedermann. Dies betrachte der Fachverband Sucht sehr kritisch.
Der Drogenexperte Werner Schneider der Stadt Frankfurt sprach sich für ein integriertes Gesamtkonzept in der Rauschmittelpolitik aus. Statt einer Politik des Drogenkriegs und der Nulltoleranz, unter der vor allem die Städte als Anziehungspunkte für Abhängige und ihre Bewohner litten, forderte er ein ideologiefreies Konzept der Risikominimierung und Schadensbegrenzung. Dazu gehörten der Ausbau von Prävention und Drogentherapie sowie Gesundheitsräume für den Konsum von Rauschmitteln unter Aufsicht. Wissenschaftliche Versuche zur kontrollierten Verschreibung von Heroin stellen nach Ansicht des Frankfurters eine unverzichtbare Ergänzung zum bisherigen Konzept dar.
Skeptisch äußerte sich Professor Karl-Ludwig Täschner. Der Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Stuttgarter Bürgerhospitals sagte, ein ansehnlicher Teil der Süchtigen wolle gar keine Hilfe und sei auch auf diese Weise nicht zu erreichen. Täschner äußerte sich skeptisch über Wunscherfüllungsstrategien und meinte, daß Abhängige, die für vorrangige Therapieangebote wie die abstinenzorientierten Verfahren geeignet seien, häufig in nachrangige Programme wie die Substitution eingegliedert werden. Daß durch das Angebot einer kontrollierten Heroinvergabe eine nennenswerte zusätzliche Gruppe Süchtiger letztlich eine abstinenzorientierte Therapie beginnen würde, sei nicht belegt.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.