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Chemotherapie: Neue Wirkstoffe setzen sich nur langsam durch

Neue Substanzen für die Krebstherapie benötigen nicht nur lange Entwicklungszeiten, es vergeht auch viel Zeit, bis sie breite Anwendung finden. So wurden die heute überwiegend in Deutschland eingesetzten Zytostatika zumeist in den Fünfziger Jahren entwickelt. Die jüngst eingeführten Wirkstoffe werden dagegen noch vergleichsweise selten eingesetzt.

Innerhalb der letzten drei Jahre wurde eine Reihe von Zytostatika eingeführt, die unterschiedliche Ansätze verfolgen. So stehen Nedaplatin und Oxaliplatin für eine Renaissance der auf DNA-Ebene wirksamen Substanzen. Diese galten wegen ihrer emetogenen Nebenwirkung als obsolet, wurden aber durch die Einführung der 5HT3-Antagonisten wieder einsetzbar. Gemcitabin erscheint als alkylierender Strangbrecher zunächst nicht innovativ, doch wirkt es nicht nur als Antimetabolit, sondern inhibiert auch verschiedene Enzyme, womit es seinen eigenen Wirkungsmechanismus potenziert. Demnach ist die Gruppe der Antimetaboliten keinesfalls pauschal zu beurteilen. Einen anderen Weg verfolgen die basenspezifischen Interkalierer, die an die DNS binden und sie funktionell unwirksam machen oder sogar zerstören.

Besonders innovativ erscheinen Substanzen, die Arzneiform und Arzneistoff miteinander kombinieren. Der Wirkstoff kann beispielsweise kovalent mit einem Protein oder mit Polyethylenglykol (PEG) verbunden sein, wie im Fall der PEGaspartase, die den Aminosäurestoffwechsel der Krebszellen stören soll. Auch die neueren liposomalen Zubereitungen einiger etablierter Zytostatika sind nicht als neue Darreichungsformen, sondern als eigenständige neue Wirkstoffe zu bewerten. So vermindert die liposomale Form von Daunorubicin die Kardiotoxizität der Substanz. Doch auch konventionelle chemische Variationen können zur Verbesserung von Wirkstoffen führen, wie das Beispiel des gegen Prostatakrebs eingesetzten Bicalutamid zeigt, das als Weiterentwicklung von Flutamid anzusehen ist.
Wirkstoffe, die Erkenntnisse der Genetik ausnutzen, müssen keineswegs immer gentechnisch gewonnen werden. So greifen auch konventionelle Therapeutika in die Farnesylierung ein, die eine zentrale Rolle bei der Aktivierung des ras-Proteins spielt. Konventionelle Arzneimittel mit einem genetischen Wirkungsmechanismus sind auch die Antisense-Inhibitoren, die als medikamentöse Gentherapie bezeichnet werden. Sie können beispielsweise die Ablesung oder den Transport genetischer Informationen stoppen.

Auf die richtige Kombination kommt es an
Bei der Bewertung aller Neuentwicklungen darf stets nicht nur das einzelne neue Produkt gesehen werden. Da in der Chemotherapie fast immer mit Wirkstoffkombinationen behandelt wird, müssen diese beurteilt werden. Eine entscheidende Leistung liegt daher im Auffinden der optimalen Kombination neuer und alter Substanzen. Dies zeigt auch das Beispiel der an den Mikrotubuli angreifenden Substanzen Taxol und Taxotere, die weltweit mit größtem Interesse bearbeitet werden. Ihre größte Wirksamkeit erreichen diese Stoffe erst in Therapieschemata gemeinsam mit älteren Zytostatika. Bestandteile von Kombinationen sollen möglichst verschiedene Angriffspunkte haben, um die Resistenzentstehung zu vermindern, und unterschiedliche Nebenwirkungen aufweisen, um Dosiserhöhungen zu erlauben.


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