Gesundheitspolitik

Blüm: Gegen Grundrente und für Eindämmung von 610-Mark Jobs

Bundesarbeitsminister Norbert Blüm wandte sich auf einer Tagung der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung (GVG) gegen die Einführung einer Grundrente und plädierte für die Eindämmung der sogenannten 610-Mark Jobs.

Blüm verteidigte zunächst den Sozialstaat. Deutschland gehöre zu den Ländern mit den geringsten Ausfallzeiten wegen Arbeitskämpfen. Die Sozialversicherung habe nicht zuletzt bei der deutschen Einheit ihre Funktionsfähigkeit bewiesen, als innerhalb von sechs Monaten die gesetzliche Krankenversicherung aufgebaut wurde. Allerdings trieben derzeit Arbeitslosigkeit und die demographische Veränderung die Beiträge hoch. Es gilt laut Blüm den Teufelskreislauf aus Arbeitslosigkeit, steigenden Sozialversicherungslasten, dadurch steigenden Arbeitskosten und daraus resultierender Erwerbslosigkeit zu durchbrechen.
Blüm warnte eindringlich vor der "Erosion des Beitragsfundaments". Immer mehr Arbeitnehmer entschwänden in geringfügige Beschäftigung oder Scheinselbständigkeit. Von 1992 bis 1997 sei die Zahl derjenigen, die monatlich nicht mehr als 610 Mark verdienten, von 4,4 auf 5,6 Millionen gestiegen. In der gleichen Zeit ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer laut Blüm von 29,3 auf 27,3 Millionen gesunken. Wenn die Ausnahme immer mehr zur Regel werde, müsse bei den geringfügigen Beschäftigungen gegengesteuert werden, allerdings müßten gewisse Spielräume bleiben. Dem Vorschlag eines "kleinen Beschäftigungsverhältnisses", der in den vergangenen Tagen im Streit um die 610-Mark-Jobs aufgetaucht war, erteilte der Arbeitsminister jedoch eine klare Absage. Blüm warnte vor dem damit verbundenen massiven Abbau von sozialem Schutz. Teilzeitarbeitsverhältnisse ohne Renten- und Arbeitslosenschutz mutierten zu zweitklassigen Stellen. Zudem sei eine solche Regelung frauenfeindlich, denn knapp 70 Prozent der heute 1,2 Millionen Beschäftigungsverhältnisse zwischen 610 und 1200 Mark Vergütung würden von Frauen wahrgenommen.

Auf der Veranstaltung wiederholte der CDU-Politiker seine Ablehnung einer Grundrente. Es müsse bei dem Grundsatz der selbsterarbeiteten Ansprüche bleiben. Wer mehr arbeite und Vorsorge treffe, erwerbe einen höheren Anspruch. Betriebliche Alterssicherung und private Vorsorge ergänzten die gesetzliche Rentenversicherung. Sinke das Niveau des gesetzlichen Systems, müßten die beiden anderen Säulen gestärkt werden. Daher sei die Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand ein wichtiges Instrument der Selbstvorsorge.
Wie Blüm weiter ausführte, wolle die Regierung darüber hinaus die Kindererziehung in der Rentenversicherung aufwerten. Kindererziehungszeiten würden nicht mehr mit dreiviertel des Durchschnittseinkommens bewertet, sondern schrittweise auf hundert Prozent angehoben, so das Vorhaben der Regierung zum Rentenreformgesetz 1999. Er sprach sich gegen Kinderfreibeträge aus, die Höherverdienende mehr entlasteten als die Bezieher geringerer Einkommen. Insgesamt plädierte Blüm für das Zahlen aller, auch der Beamten und Selbständigen, in eine Familienkasse. Eine Neuordnung der familienpolitischen Leistungen sei nötig. Die Deutschen müßten wieder zu einem echten Drei-Generationen-Vertrag kommen.

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