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Genetischer Polymorphismus: Biotransformationsenzyme

Die Variabilität der Wirkung von Arzneimitteln bei verschiedenen Patienten hängt zu einem großen Teil von der Biotransformation ab. Die Biotransformationsenzyme können gehemmt oder inhibiert werden und unterliegen zudem in vielen Fällen genetischen Polymorphismen.

Die genetisch bedingte Vielfalt von Enzymen wird nur dann als genetischer Polymorphismus bezeichnet, wenn mindestens zwei Phänotypen des Enzyms mit einer Häufigkeit von mehr als 1% auftreten. Hiervon abzugrenzen sind seltener auftretende Spontanmutationen. Im Gegensatz zu Spontanmutationen sind die genetischen Polymorphismen entwicklungsgeschichtlich zumeist sehr alt, so daß sie ethnologische Untersuchungen, z. B. über Wanderungsbewegungen von Völkern, erlauben. Sichere Nachweise genetischer Polymorphismen gelingen zumeist nur bei nicht induzierbaren Enzymen, da sich die Auswirkungen beider Effekte sonst überlagern.

Aus der Vielzahl von Enzymen mit nachgewiesenen Polymorphismen soll zunächst auf die beiden polymorphen Cytochrom P 450-Isoenzyme eingegangen werden, das CYP 2D6 und das CYP 2C19. Der Defekt des CYP 2D6 wird autosomal rezessiv vererbt. Bei etwa 90% der Europäer liegt der Wildtyp oder ein heterozygoter Defekt vor, so daß das CYP 2D6 voll leistungsfähig ist und die Träger als extensive metabolizer (EM) bezeichnet werden. Etwas unter 10% der Europäer sind als poor metabolizer (PM) einzustufen, da der Enzymdefekt bei ihnen homozygot vorkommt. Ungefähr 1,5% der Europäer verfügen dagegen über bis zu 12 aktive CYP 2D6-Kopien und gelten als ultra-schnelle Metabolisierer. Bei letzteren Patienten kann der beschleunigte Abbau von Arzneistoffen zur Unwirksamkeit führen, was Arzneistoffe mit hohem first-pass-Effekt besonders betrifft. Bei langsamen Metabolisierern werden dagegen Wirkungen verstärkt. Nebenwirkungen treten hier häufiger und intensiver auf. Die in der Literatur verbreiteten mittleren Dosisangaben werden in solchen Fällen weder schnellen noch langsamen Metabolisierern gerecht. Zu den über CYP 2D6 biotransformierten Arzneistoffen gehören beispielsweise Bupranolol, Cinnarizin, Desipramin, Metoprolol, Nortryptilin, Ondansetron, Timolol, Paroxetin, Propafenon und Propranolol.

Der Polymorphismus von CYP 2D6 beeinflußt auch die Aktivierung von Prodrugs, die beschleunigt bzw. gehemmt wird. So wandeln ultraschnelle Metabolisierer Codein und Dihydrocodein beschleunigt zu Morphin bzw. Dihydromorphin um, obwohl diese O-Demethylierung bei anderen Personen nicht der bevorzugte Abbauweg ist. Dieser Effekt ist bei der Substitutionsbehandlung abhängiger ultraschneller Metabolisierer zu bedenken.

Vom CYP 2D6-Polymorphismus ist der CYP 2C19-Polymorphismus zu unterscheiden. Die Häufigkeitsverteilungen beider Polymorphismen sind bei einzelnen Volksgruppen sehr verschieden, was ein deutliches Zeichen für die unabhängige genetische Entwicklung darstellt. Die Häufigkeit des Defekts beträgt bei Europäern etwa 2 bis 6% und ist bei Asiaten deutlich höher. Im Unterschied zum CYP 2D6 ist das CYP 2C19 nur für die Biotransformation weniger Arzneistoffe verantwortlich. Es bewirkt die Hydroxylierung von Diazepam und Omeprazol sowie die Seitenkettenoxidation von Propranolol. Damit unterliegt die Biotransformation von Propranolol beiden Polymorphismen und zudem einem leicht sättigbaren first-pass-Mechanismus, was eine enorme interindividuelle Variabilität des Abbaus nach sich zieht. Auch der Alkoholabbau unterliegt genetischen Polymorphismen. Von der Alkoholdehydrogenase Klasse 1 (ADH1) existiert neben der typischen Form eine atypische Form. In Abhängigkeit vom heterozygoten oder homozygoten Vorkommen der atypischen Form ist der Abbau des Alkohols zum Acetaldehyd leicht oder erheblich beschleunigt. Über die ADH1 werden auch Digoxin, Steroide und Gallensäuren metabolisiert. Die atypische Form der ADH1 tritt bei Europäern mit einer Häufigkeit von 5 - 20%, bei Ostasiaten zu etwa 90% auf. Für die Metabolisierung des Acetaldehyds ist vorrangig die Aldehyddehydrogenase Klasse 2 zuständig, bei der ein autosomal dominant vererbter Defekt vorkommen kann. Während dieser Defekt bei Europäern praktisch nicht auftritt, hat er bei Japanern dagegen eine Häufigkeit von 44%. Daher treffen bei vielen Ostasiaten schneller Abbau des Alkohols zum Acetaldehyd und verminderter Abbau des Acetaldehyds zusammen, was zu einer Kumulation des unverträglichen Acetaldehyds und damit zu sehr schlechter Verträglichkeit alkoholischer Getränke führt. Neben diesen genetischen Polymorphismen ergeben sich individuelle Unterschiede bei der Alkoholverträglichkeit auch aus dem zusätzlichen Abbauweg über CYP 2E1, das im Gegensatz zu den anderen Enzymen des Alkoholabbaus induzierbar ist.

Im Unterschied zu vielen anderen Enzymdefekten scheint die Defizienz der Glutathion-S-Transferase Theta (GSTT1) für die Betroffenen einen Vorteil darzustellen. Dieses Enzym bewirkt den Abbau toxischer Methylhalogenide über hochwirksame alkylierende Zwischenprodukte. Entstehen diese vermindert oder verlangsamt, dürfte das Risiko für möglicherweise krebsauslösende Methylierungsreaktionen sinken.

Ein Beispiel für ein Enzym mit therapeutischer Bedeutung stellt hingegen die Thiopurinmethyltransferase (TPMT) dar, die für die Biotransformation von Purinpharmaka, wie z. B. Azathioprin, verantwortlich ist. Hier sind drei Genotypen zu unterscheiden, die zu drei Phänotypen mit stark unterschiedlicher Aktivität führen. Die TPMT katalysiert die Bioaktivierung von Azathioprin, so daß bei niedriger Aktivität des Enzyms andere Abbauwege bevorzugt werden und Unterdosierung und damit Unwirksamkeit drohen. Hohe Enzymaktivität kann dagegen die Wirkung und die cytotoxischen Nebenwirkungen gefährlich verstärken.

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie wichtig die Kenntnis über die individuelle Ausstattung der Biotransformationsenzyme sein kann. Zumindest chronisch Kranke, die viele Arzneimittel langfristig einnehmen, sollten getestet werden. Hierzu stehen bereits heute verschiedene praktikable Verfahren zur Verfügung, die sich an den Phänotypen orientieren. In einigen Jahren sind über das genetische Fingerprinting einfache genotypische Tests zu erwarten. Im Rahmen der angeregten Diskussion des Vortrags wurde die individuelle Therapieplanung aufgrund genetischer Polymorphismen als typisches Arbeitsfeld im Rahmen von Pharmaceutical Care bezeichnet. Idealerweise sollten diese Daten bekannt sein wie die Blutgrup

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