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Seehofer: Sparen bei Arzneimitteln allein senkt Kassendefizit nicht

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer bezeichnete die höheren Zuzahlungen der Versicherten zur Einnahmeverbesserung der GKV als notwendig. Sowohl bei Arzneimitteln als auch Medizinprodukten werde er sich weiterhin für eine breite Palette einsetzen.

Der Minister umriß auf der Jahreshauptversammlung des Bundesfachverbands der Arzneimittel-Hersteller am 9. September in Bonn die aktuelle Situation in der Gesundheitspolitik. Nachdem durch die Neuordnungsgesetze die Gesundheitsreform abgeschlossen sei, sei Lamentieren zwecklos, allerdings seien kleine Änderungen zu Details im Sozialgesetzbuch V möglich. Derzeit kämpfe die GKV vor allem mit Auswirkungen der hohen Arbeitslosigkeit, weil diese zusammen mit niedrigen Lohnabschlüssen zu geringeren Einnahmen der Kassen führten. Von daher liege der Schlüssel für eine verbesserte Situation im Gesundheitswesen bei besseren volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, um die sich die Bundesregierung bemühe. Eine weitere Belastung der Arbeitskosten - unter anderem durch steigende Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung - müsse dringend vermieden werden. Der in wirtschaftlich guten Jahren aufgeblähte Staat müsse schlanker gemacht, von jedem einzelnen wieder mehr Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit gefordert werden. Speziell von den Arzneimitteln drohe kein Ausgabenanstieg, sie seien auch nicht Ursache des Defizits. Die Aufwendungen für Medikamente der Kassen stiegen wie berichtet im ersten Halbjahr lediglich um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Minister bezeichnete in diesem Zusammenhang die Koppelung zwischen höheren Zuzahlungen der Patienten mit Beitragsssatzerhöhungen als "atomare Abschreckung", die spürbar wirksamer sei als anderen bisherigen Instrumente. Die GKV habe derzeit kein Ausgabenproblem, da erstmals die Ausgaben sogar rückläufig seien, was sie selbst im Jahr des Gesundheitsstrukturgesetzes 1993 nicht gewesen seien, den Kassen fehlten vielmehr die Einnahmen.Tarifabschlüsse um 5 Prozent wie Anfang der 90er Jahre würden heute nicht mehr erreicht. Die seit Juli deutlich höheren Selbstbehalte der Versicherten seien daher notwendig gewesen, um das Defizit in der GKV zu senken. Pro Jahr brächte dies rund fünf Milliarden Mark in deren Kassen, also zweieinhalb Milliarden Mark bis zum Jahresende. Es sei unmöglich, in dieser Größenordnung Leistungen aus der GKV auszugrenzen, so Seehofer. Der sparsame Umgang mit den vorhanden Mitteln ist seinen Worten zufolge das Gebot der Stunde, das medizinisch Notwendige müsse effizient erbracht werden. Dies sei eine klassische Aufgabe der Selbstverwaltung. Seehofer verspricht sich in diesem Zusammenhang einiges zum Beispiel von den neuen Strukturverträgen zwischen Ärzten und Krankenkassen, zu denen er sich ausdrücklich bekannte. Die Selbstverwaltung erhalte dadurch neue Instrumente, um Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen. Auf regionaler Ebene könnten Kassen und Ärzte die Probleme angesichts knapper werdender Mittel viel besser als der Staat lösen, der durch zentrale Vorgaben immer denjenigen bestrafe, der bereits wirtschaftlich und sparsam gearbeitet habe. Auch Bonusregelungen für das ärztliche Honorar in den neuen Strukturverträgen lehnte er nicht ab. Energisch wies der Bundesgesundheitsminister dagegen den Vorschlag der Betriebskrankenkassen einer Dreiteilung des Arzneimittelmarktes zurück. Nach Vorstellung der Spitzenverbände der Kassen sollen "unverzichtbare" Medikamente zuzahlungsfrei sein. Therapeutisch und pharmakologisch sinnvolle, wirksame Arzneimittel könnten als "unumstritten" eine Zuzahlung in der heutigen Höhe erhalten. Für die übrigen Präparate müßten die Patienten eine höhere Selbstbeteiligung zahlen. "Ich halte nichts davon", so Seehhofer drastisch. Er begründete dies mit der Unmöglichkeit, in der Praxis solche Einteilung mit allen Präparaten vorzunehmen. Subjektiv könne ein Arzneimittel sehr wohl für den Kranken "unverzichtbar" sein, auch wenn die Kassen dies anders eingestuft hätten. Sowohl bei Arzneimitteln als auch Medizinprodukten werde er sich weiterhin für eine breite Palette einsetzen. Zu den erheblich erweiterten Kompetenzen des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Arzneibereich sicherte Seehofer zu, dieser müsse sich an geltendes Recht halten. Es sei dem Ausschuß nicht möglich, sich über geltendes Apothekenrecht hinwegzusetzen. Dies gelte im übrigen auch für die Arzneimittelpreisverordnung, für deren Änderung der Gesetzgeber zuständig sei, nicht die Selbstverwaltung. Noch deutlicher seine Position gegenüber einer "Listenmedizin". Die Positivliste, die die Koalition nach wie vor nicht wolle, könnten Kassen und Ärzte in der gemeinsamen Selbstverwaltung nicht eigenmächtig einführen. Seehofer äußerte sich darüber hinaus zu Vorschlägen der Opposition, zur Senkung des Kassendefizits die Beitragsbemessungsgrenze drastisch zu erhöhen. Dies lehnte er ab wegen der unzumutbaren zusätzlichen Belastung der Arbeitskosten. Es sei zudem undurchführbar, diejenigen, die bisher privat versichert sind, zwangsweise in die GKV zu holen, lange Übergangsregelungen seien nötig. Insgesamt drohe bei der Politik der Opposition mehr Versicherte in die GKV zu holen, die Gefahr, daß die freiwilligen Mitglieder der GKV, die jedoch zur Finanzierung des Systems wichtig seien, endgültig zu den privaten Kassen abwanderten. Andere Einkünfte, wie von Bündnis 90 / Die Grünen auch vorgeschlagen, heranzuziehen, sei ebenfalls undurchführbar. Würden zum Beispiel Zinsen einbezogen, "gäbe es in Deutschland keine Zinsen mehr" - wegen der sofort einsetzenden Ausweichstrategie der Bürger.

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