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Gesundheitswesen: Sparpolitik für die neuen Länder

Aus Sicht der Kassenärzte machte Dr. Winfried Schorre auf der diesjährigen Jahrestagung des Bundesfachverbands der Arzneimittel-Hersteller in Bonn deutlich, welchen Kurs die Verschreibungspolitik nehmen könnte.

Es sei keine Frage, daß mit den jüngsten Neuordnungsgesetzen Einsparungen in der Arzneiversorgung erreicht werden sollen, so der erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, welche die 110000 niedergelassenen Mediziner vertritt. Schorre kündigte eine Sparpolitik für die neuen Bundesländer, in denen eine besondere Lage herrsche, an. Hier lägen die Arzneimittelausgaben pro Versichertem um elf Prozent über Westniveau, die Vergütung der Ärzte dagegen um 20 Prozent unter dem Niveau der alten Länder. Daher rate die KBV den niedergelassenen Medizinern derzeit, angesichts der Finanzmisere der Ost-Kassen, "vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beeinträchtigung der Qualität der Versorgung" zu nutzen, - was mit "Sparen" übersetzt werden kann - um den Spielraum für die ärztliche Vergütung zu erhöhen. Bei immer knapper werdenden Mitteln müßten die Mediziner die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln am Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit ausrichten. Daher habe der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen in dem Entwurf neuer Arzneimittelrichtlinien den Nachweis von Qualität und Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund gestellt. Der Entwurf ist von Pharmaverbänden scharf kritisiert worden, er sieht unter anderem die Ausgrenzung fiktiv zugelassener Arzneimittel, deren Verkehrsfähigkeit 2004 endet, traditioneller Medikamente sowie fiktiv zugelassener Präparate ohne Positivvotum einer Aufbereitungskommission vor. Der KBV-Chef nannte die Kritik aus der Industrie an der Bundesempfehlung zu Richtgrößen "verfehlt". Die Arzneimittelbudgets sollen durch regionale Richtgrößen, ein Instrument der Wirtschaftlichkeit, abgelöst werden. Die Spitzen der Ärzte und Kassen auf der Bundesebene haben dazu eine Empfehlung erarbeitet, die die Kassenärztlichen Vereinigungen auf der Landesebene umsetzen könnten. Unter anderem werden darin Wirkstoffe, bei denen wegen ihrer Indikation oder Nebenwirkungen eine unwirtschaftliche Verschreibungsweise ausgeschlossen wird, aus der Richtgrößenprüfung ganz herausgenommen sowie Praxisbesonderheiten definiert, die speziell berücksichtigt werden sollen. Kassen und Ärzte haben Präparatelisten für die Ausnahmen von der Wirtschaftlichkeitsprüfung erstellt. Wie Schorre sagte, könne es nicht im Interesse der Industrie liegen, "daß Richtgrößen unreflektiert ausschließlich auf Menge und Preis verordneter Arzneimittel ausgerichtet sind", und so notwendige teure Arzneitherapien für schwerwiegende Erkrankungen nicht berücksichtigt würden. Schorre wies darüber hinaus die Befürchtung zurück, bei den neuen Strukturverträgen zwischen Ärzten und Kassen könnten Positivlisten für Arzneimittel vereinbart werden - diese Listen werde es nicht geben. Er bezeichnete es allerdings als "selbstverständlich", daß sich Ärzte in einem Praxisnetz auf individuelle Absprachen über Medikamente einigten. Die von Apothekern und Pharmaherstellern geäußerten Bedenken gegenüber Honoraraufbesserungen für Ärzte zur Belohnung sparsamer Arzneiverordnungen wollte der KBV-Chef nicht teilen. Wenn die Qualität der Arzneitherapie gesichert bleibe, sei nichts gegen Boni für Einsparungen bei Arzneimitteln einzuwenden. Da die Ziele der Strukturverträge vor allem auf die Reduktion von Krankenhauskosten ausgerichtet sei, könnten sich sogar Steigerungen für die Arzneimittelausgaben ergeben, wenn diese für eine intensivierte ambulante Behandlung notwendig seien. Angesichts steigender Arbeitslosigkeit und sinkender Einnahmen der Krankenkassen könne im übrigen vom Versicherten eine stärkere Eigenbeteiligung nur dann verlangt werden, wenn zugleich Wirtschaftlichkeitsreserven im System ausgenutzt werden.

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