DAZ aktuell

Randnotiz

Null-Rezepte, heiß begehrt

So, so. Da prangern die Spitzenverbände der Krankenkassen also Fehlverhalten bei Ärzten und Apothekern an. Mit Fingerzeig auf vertragliche Regelungen werden die Bösewichte bedroht: Wenn ihr nicht spurt, dann setzt es was! Und die Strafe wird auch gleich genannt: Apotheken müssen, so heißt es, bis hin zum vorübergehenden Entzug der Lieferberechtigung rechnen, wenn sie... Ja, Sie wissen schon längst, um was es geht. Wenn sie die von den Kassen so heiß begehrten Nullrezepte nicht zur Abrechnung einreichen. Auch den Ärzten droht Übles: Gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen wollen die Krankenkassen Jagd machen. Auf all diejenigen, die es wagen sollten, ein Billigarzneimittel, das der Patient eh selbst zahlen muß, auf ein Privatrezept zu schreiben. Oder - man stelle sich die Untat vor! - etwa auf einen Zettel. Ja, ja, ich weiß. Es existieren vertragliche Regelungen. Für Ärzte ebenso wie für Apotheken. Dennoch erscheint mir das derzeit ablaufende Szenario ziemlich absurd. Wo blieb in der Vergangenheit der Aufschrei der Kassen, als die Ärzte zunehmend - mit Hinweis auf das Budget - ihren Patienten Privatrezepte ausstellten? Zum Beispiel dann, wenn es sich um Wunschverordnungen handelte? Gingen hier nicht massenweise Daten verloren? Und war der Trend zur Selbstmedikation, die eigenverantwortliche Sorge um die Gesundheit nicht das erklärte gesundheitspolitische Ziel der letzten Jahre? Wieso sollen gerade die Daten der Nullrezepte für die ökonomische Steuerung der Pharmakotherapie unentbehrlich sein? So unverzichtbar, daß die Krankenkassen, wie angekündigt, einen Mordsaufwand treiben wollen, um diese Daten ja einzukassieren? (Was das wohl wieder kostet!) Bisher scheint es auch das Geheimnis der Krankenkassen zu sein, welche weltbewegenden Erkenntnisse sie aus dem Rezeptdatenpool eines Tages herausfischen wollen. Außerdem: Statistiken über den Arzneimittelverbrauch lassen sich, so heißt es immer wieder, an vielen Stellen kaufen. Da die Kassen dies nicht tun, läßt sich vermuten: Es kann nicht um die reinen Arzneimitteldaten gehen. Schon eher um die Verknüpfung von Patientennamen, verordnendem Arzt, verordnetem Arzneimittel, vielleicht sogar abgebender Apotheke. Oder aber es geht um Machtausübung und Kontrolle. Ärzte und Apotheker haben gefälligst zu kuschen. Wir Apothekerinnen und Apotheker tun es, wie gewohnt, korrekt und gründlich. Und arbeiten sogar schon für das Versprechen "keine finanzielle Einbußen befürchten zu müssen". Voller Ehrfurchtshaltung vor der Obrigkeit. Sicher, wir sind ein kleiner Berufsstand, verfügen über wenig Macht und keine Druckmittel auf die Politik. Aber rechtfertigt dieser Umstand, daß wir alles, aber auch alles schlucken? Reinhild Berger

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