Arzneimittel und Therapie

Dreifachtherapie bei AIDS: Trotz Problemen kaum umstritten

Was vor etwa einem Jahr als neue Erkenntnis in der HIV-Therapie galt, ist immer noch der Goldstandard: die frühzeitige Behandlung HIV-Infizierter mit einer Dreifachkombination aus zwei Nukleosidanaloga und einem Proteaseinhibitor.

Unter diesem Therapieregime sinkt die Viruslast im Blut dauerhaft unter die Nachweisgrenze, und die CD4-Zellzahlen steigen signifikant höher an als unter einer Zweifachtherapie mit Nukleosidanaloga. Bereits in den ersten zwei Wochen lassen sich die Virusspiegel im Blut um den Faktor 100 senken. Entsprechend sinkt die Progression der Erkrankung und die Sterblichkeit um etwa die Hälfte.

Entscheidend für den Krankheitsverlauf ist allerdings nicht nur die Virämie, sondern auch die Viruslast in lymphatischem Gewebe. Dreifachtherapien scheinen im Gegensatz zu konvergenten Zweifachtherapien (zwei Nukleosidanaloga) auch im lymphatischen Gewebe wirksam zu sein. So senkt eine frühe Tripeltherapie – Zidovudin + Zalcitabin + Saquinavir – nicht nur die HIV-Plasmaspiegel, sondern reduziert gleichzeitig die aktiven virusproduzierenden Zellen im Lymphknoten. Befallen HI-Viren auch das ZNS, treten neurologische Erkrankungen wie AIDS-Demenz und HIV-Enzephalopathie auf. Es gilt inzwischen als wahrscheinlich, daß die Viren im ZNS eigenständig produziert werden und nicht passiv vom Blut übertreten. Um diese Viren zu erfassen, müssen Substanzen eingesetzt werden, die die Blut-Hirn-Schranke leicht überschreiten. Als gut ZNS-gängig gelten die beiden Nukleosidanaloga Zidovudin und Stavudin. Proteaseinhibitoren erreichen im ZNS dagegen nur ungenügend hohe Wirkspiegel. Eine gut liquorgängige Substanz sollte deshalb in einer Kombinationstherapie immer vertreten sein.

Latent infizierte Zellen, wie Makrophagen, Mikrophagen oder Mikroganglien, sind ein wichtiges und gefährliches Virusreservoir. Sie tragen zwar die Erbinformation des Virus, produzieren jedoch erst dann infektionstüchtige Partikel, wenn sie immunologisch aktiviert werden. So lassen sie sich von den derzeit zur Verfügung stehenden Medikamenten nicht erfassen, denn diese können nur bei aktiven Zellen während des Replikationszyklus wirksam werden. Latent infizierte Zellen sind deshalb dafür verantwortlich, daß es nach Absetzen einer antiretroviralen Therapie zu einem raschen Anstieg der Viruslast kommt. Unter diesem Aspekt scheint es derzeit unwahrscheinlich, daß HIV jemals komplett aus dem Körper entfernt werden kann. Die Konsequenzen für die antiretrovirale Therapie liegen auf der Hand: Eine Intervall- oder Stoßtherapie kann auf keinen Fall in Erwägung gezogen werden. Vielmehr ist nach derzeitigem Wissensstand lebenslang eine kontinuierliche Therapie erforderlich. Diskutiert wird allerdings die Möglichkeit, latent infizierte Zellen durch Botenstoffe wie Interleukin-2 zu aktivieren und so einer antiretroviralen Therapie zugänglich zu machen.

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