Arzneimittel und Therapie

Naratriptan: Neue Therapieoption

Zur medikamentösen Therapie der Migräne werden 5-HT1-Rezeptoragonisten eingesetzt, deren neuester Vertreter, Naratriptan, im Oktober 1997 in Deutschland eingeführt werden soll.

Nach Schätzungen von Experten leiden derzeit etwa 12% der Menschen in westlichen Industrienationen unter Migräne, jener chronischen Erkrankung mit wechselnder Symptomatologie, die vor allem durch die pulsierenden Kopfschmerzen gekennzeichnet ist. Mit Naratriptan steht jetzt ein oral applizierbarer, potenter, selektiver Agonist der 5HT-1B/1D-Rezeptoren zur Behandlung der Migräne zur Verfügung. Unter klinischen Gesichtspunkten ist die Selektivität des Wirkstoffs vor allem deshalb von Bedeutung, da eine Interaktion mit anderen Serotoninrezeptoren zwangsläufig auch zu unerwünschten Begleiteffekten führt. Vor allem tierexperimentelle Studien zeigen, daß Naratriptan – verglichen mit Sumatriptan – zwei- bis dreimal wirksamer vaskuläre 5-HT1-Rezeptoren blockieren kann, die schließlich zur Vasokonstriktion kranialer Gefäße führen. Darüber hinaus hemmt Naratriptan die neurogene Extravasation und führt zur Herabsetzung von Aktionspotentialen an bestimmten Nervenzellen. Jeder dieser Einzeleffekte könnte zum therapeutischen Effekt von Naratriptan beitragen. In zahlreichen klinischen Studien an gesunden Probanden, Patienten und in besonderen Bevölkerungsgruppen konnten grundlegende pharmakokinetische Daten zu Naratriptan gesammelt werden. Hierbei zeigte sich, daß der Wirkstoff bei einer Halbwertszeit von sechs Stunden über eine Bioverfügbarkeit von durchschnittlich 70% verfügt. Naratriptan wird vor allem renal eliminiert und durch verschiedene Enzyme der Cytochrom-P450-Familie metabolisiert.

Wie Studien zur Pharmakokinetik und -dynamik offenbaren, kommt es bei simultaner Applikation von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), trizyklischen Antidepressiva oder Beta-Rezeptorenblockern nicht zu klinisch relevanten Wechselwirkungen mit Naratriptan. Darüber hinaus, so eine Meta-Analyse aus 15 Studien, bleibt der Blutdruck unter der Gabe therapeutischer Dosen von Naratriptan unbeeinflußt. Auch klinisch relevante Veränderungen im EKG, ebenso wie Veränderungen von Laborparametern, konnten in diesen Studien nicht beobachtet werden. Im bisherigen klinischen Einsatz konnte die hohe Effektivität und gute Verträglichkeit von Naratriptan dokumentiert werden. So zeigte sich, daß die Dosis von 2,5 mg Naratriptan die beste Nutzen-Risiko-Relation aufweist und die Zahl der beobachteten unerwünschten Wirkungen in der Größenordnung der unter Plazebo registrierten Ereignisse liegt. Eine Dosissteigerung führt zwar zu besseren klinischen Ergebnissen, allerdings auch häufiger zu Nebenwirkungen, so daß die empfohlene initiale Dosis von Naratriptan bei 2,5 mg liegt. Diese Dosis führt nicht nur zu einem schnellen Nachlassen der Kopfschmerzen, in der Regel innerhalb von 60 Minuten, sondern auch zu einer Verbesserung migräneassoziierter Symptome wie Nausea, Photo- oder Phonophobie. Darüber hinaus kommt es unter diesem Therapieregime auch auf lange Sicht zu weniger wiederauftretenden Kopfschmerzen, wie die Ergebnisse aus Langzeitstudien nahelegen.

Die Entwicklung von Sumatriptan hat die Migränetherapie revolutioniert. Mit Naratriptan scheint ein weiterer Schritt nach vorne gemacht worden zu sein. Die pharmakologischen und pharmakokinetischen Eigenschaften, vor allem die ausgeprägte Rezeptor-Selektivität, die hohe Bioverfügbarkeit und Lipophilie führen dazu, daß die Gabe von 2,5 mg Naratriptan etwa der Gabe von 100 mg Sumatriptan bei besserer Verträglichkeit therapeutisch äquivalent ist.

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