Arzneimittel und Therapie

Krebsprävention: Kann Selen vor Karzinomen schützen?

Eine neue Studie zeigt nun, daß die regelmäßige Zufuhr von Selen die Krebsinzidenz und die damit verbundene Mortalität senken kann. Doch noch ist bei der Beurteilung von Selen Zurückhaltung geboten.

Das Spurenelement Selen, beispielsweise enthalten in Getreide, Fisch, Geflügel und Fleisch, ist als Bestandteil von Enzymen, sogenannten Selenoproteinen, an zahlreichen Stoffwechselvorgängen beteiligt.
• Selenoproteine, wie die Glutathion-Peroxidase, wirken als Antioxidanzien, indem sie aggressive Sauerstoffradikale und Peroxide unschädlich machen.
• Selenoenzyme, wie die Deiodase, regulieren die Schilddrüsenhormone, indem sie Thyroxin (T4) zu aktivem Trijod-l-Thyronin (T3) metabolisieren.
• Selenoproteine in der Spermienhülle und den Gonaden sorgen für eine ausreichende Motilität der Spermien und einen normalen Testosteronstoffwechsel und beeinflussen so die Fertilität.
• Bekommt der Körper zu wenig Selen, können entsprechende Mangelerscheinungen auftreten. Generell scheint die Anfälligkeit für kardiovaskuläre Erkrankungen und Karzinome bei niedrigen Selen-Serumspiegeln höher zu sein. So treten beispielsweise in Gebieten Chinas, in denen äußerst wenig Selen vorkommt, endemisch Kardiomyopathien auf.

Eine ausreichende Versorgung mit Selen ist grundsätzlich über die Nahrung möglich. Doch die biologische Verfügbarkeit von Selen in Europa ist gering, und die Serumspiegel scheinen kontinuierlich zu sinken. Wurden in Großbritannien vor 22 Jahren durchschnittlich noch 60 mg pro Tag aufgenommen, sind es inzwischen nur noch 43 mg. Vorläufige Empfehlungen aus England liegen dagegen bei 75 mg für Männer und 60 mg für Frauen. Dementsprechend sinken die Serumspiegel. In einer Untersuchung von Schwangeren lagen die Werte bei etwa 50 mg/l, während mindestens ein Selenblutspiegel von 100 mg/l angestrebt werden sollte.

In verschiedenen Studien wird derzeit untersucht, ob sich mit der regelmäßigen Zufuhr von Selen ein präventiver Effekt insbesondere vor Krebserkrankungen erreichen läßt. In einer großangelegten plazebokontrollierten Studie an 1312 Patienten mit dermatologischen Krebserkrankungen zeigte sich zwar, daß die Inzidenz der Hautkrebserkrankungen – Basal- und Plattenepithelzellkarzinome – unbeeinflußt bleibt. Bei Patienten, die Selen erhielten, ging das Krebsrisiko insgesamt jedoch um 39% zurück, die karzinombedingte Mortalität sogar um 48%. Der präventive Effekt wirkte sich in erster Linie auf das Auftreten von Lungen-, Kolorektal- und Prostatakarzinomen aus. So könnte innerhalb von fünf Jahren das Lungenkrebsrisiko durch die tägliche Einnahme von Selen möglicherweise stärker reduziert werden als durch den Verzicht auf Zigaretten.

Als Wirkmechanismus wird ein Eingriff in Apoptose, also den programmierten Zelltod, und Zellregulation beim Menschen postuliert. Dies konnte bislang allerdings nur an Tiermodellen gezeigt werden. Und weitere Fragen sind offen. So konnte in anderen Studien für Selen kein protektiver Effekt nachgewiesen werden. Ob dies an der niedrigeren Dosierung lag oder an den beobachteten Krebsarten – Mamma- und Endometriumkarzinome – läßt sich derzeit nicht beurteilen. Gefordert werden deshalb weitere Studien, in denen folgende Punkte geklärt werden müssen:
• Welche Selendosen sind notwendig, um einen präventiven Effekt zu erreichen?
• Beschränkt sich die protektive Wirkung auf bestimmte Krebsarten, wie Lungenkrebs, oder ist auch eine Schutzwirkung für andere Karzinome, wie das Mammakarzinom, zu erwarten?
• Welcher Wirkmechanismus liegt der Wirkung zugrunde? Bis diese Daten vorliegen ist es noch zu früh, allgemeine Empfehlungen zu geben. Doch es gibt insbesondere in Großbritannien bereits Stimmen, die schon jetzt Aktivitäten von Staatsseite fordern, um die Bevölkerung ausreichend mit Selen zu versorgen, beispielsweise die Anreicherung von Brot mit Selen. Wer sich auf kulinarische Art und Weise heute schon ausreichend mit Selen versorgen will, der sollte nach Paranüssen greifen.

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