Arzneimittel und Therapie

Chemotherapie: Erythropoetin verbessert Lebensqualität

Für viele Onkologen ist längst klar: Ihre Patienten sind zwar an einem Tumor erkrankt, leiden aber vor allem unter den Nebenwirkungen der Krebstherapie. Aufgrund dieser Erkenntnis rücken seit Jahren Wirkstoffe ins Zentrum des medizinischen Interesses, die die quälenden Nebenwirkungen der Behandlung lindern oder gar beseitigen können.

Ein besonderes Augenmerk richtet sich in jüngster Zeit auf die Fatigue, eine extreme Müdigkeit und Erschöpfung, die nach einer amerikanischen Patientenumfrage neben dem Schmerz das belastende Symptom bei einer Krebserkrankung darstellt. Die Ursache für die Müdigkeit ist oft die Anämie, die einerseits durch die Tumorerkrankung selbst bewirkt wird, darüber hinaus aber häufig zusätzlich durch den Einsatz von tumorhemmenden Wirkstoffen verstärkt wird. Aus diesem Grund haben sich zahlreiche klinische Studien mit den Auswirkungen der therapeutischen Gabe von Epoetin alpha (EPO) beschäftigt. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um die gentechnisch produzierte Variante des körpereigenen Hormons Erythropoetin, das in der menschlichen Niere synthetisiert wird und das im Knochenmark die Bildung der Erythrozyten anregt. Doch hier sehen sich die Onkologen mit einem weiteren Dilemma konfrontiert: Bisher war die Frage kaum zu beantworten, ob die in sorgfältig überwachten klinischen Studien festgestellte Wirksamkeit der EPO-Therapie auch beim Einsatz im medizinischen Alltag des niedergelassenen Arztes zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt. Diese Frage konnte nun im Rahmen einer offenen klinischen Studie positiv beantwortet werden. Es wurde deutlich, daß sich die Lebensqualität der Patienten meist parallel zum Anstieg des Hämoglobin-Wertes verbesserte. In einigen Fällen verbesserte sich die Lebensqualität der Kranken selbst dann, wenn es nur zu einem mäßigen Hb-Anstieg kam. An der in den USA durchgeführten Untersuchung beteiligten sich 570 außerhalb von Kliniken tätige Onkologen mit 2342 Tumorpatienten. Das Studiendesign sah vor, daß die Patienten vier Monate lang pro Woche mindestens dreimal 150 I.E./kg Epoetin alpha (in Deutschland als Erypo® für die Anämie bei Tumorpatienten unter platinhaltiger Chemotherapie zugelassen) injiziert erhielten. Die Dosis konnte bei Nichtansprechen verdoppelt werden. Insgesamt vollendeten in der durchgeführten Studie 1047 Patienten die vollen vier Monate der Behandlung. Hauptursachen für ein vorzeitiges Abbrechen waren der Tod des Patienten (n=261) bzw. ein ausreichender Hb-Anstieg (n=158). Epoetin alpha wurde gut toleriert: Bei weniger als einem Prozent mußte die Therapie wegen Bluthochdruck abgebrochen werden. Bei der Studie wurden drei wichtige Fragen untersucht:
• Wie stark wird der zu niedrige Hämoglobinwert bei den anämischen Patienten angehoben?
• In welchem Ausmaß läßt sich die Notwendigkeit von Bluttransfusionen vermindern?
• Wie wirkt sich die Gabe von Epoetin alpha auf die Lebensqualität der Patienten aus? Das bei Studienbeginn durchschnittlich bei 9,2 g/dl liegende Hämoglobin verbesserte sich unter Epoetin alpha bereits innerhalb von vier Wochen um 1,1 g/dl. Mehr als 53 Prozent der Patienten erzielten einen Hb-Anstieg von mindestens 2,0 g/dl innerhalb der viermonatigen Therapie. Ähnlich positiv entwickelte sich der Transfusionsbedarf: Die Patienten benötigten bereits nach dem ersten Therapiemonat signifikant seltener Bluttransfusionen. Dieses Ergebnis änderte sich bis zum Studienende nicht. Insgesamt kam es zu einem etwa 50prozentigen Rückgang der Zahl der transfusionsbedürftigen Patienten sowie einem gleich großen Rückgang der pro Patient und Monat benötigten Menge von Transfusionen. Dies ist ein großer Therapievorteil, da die Transfusionsrisiken trotz aller Vorsichtsmaßnahmen weiterhin erheblich sind. Für den einzelnen Krebspatienten ist jedoch die Frage der Lebensqualität besonders wichtig. Mittlerweile ist gut belegt, daß in erster Linie der Kranke selbst diese zuverlässig einschätzen kann. Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Studie Analogskalen benutzt, mit deren Hilfe die Patienten zu Studienbeginn und am Studienende protokollierten, wie sie ihre Lebensqualität beurteilen. Dabei wurden die Komplexe Energie, Aktivität und gesamte Lebensqualität separat abgefragt (Wie schätzen Sie Ihre Energie während der letzten Woche ein? Wie beurteilen Sie Ihre Fähigkeit zu Alltagsaktivitäten während der vergangenen Woche? Wie schätzen Sie Ihre Gesamtlebensqualität während der letzten Woche ein?). Bei der statistischen Auswertung müssen angegebene Effekte von 0,20 als kleine, aber wichtige Veränderungen gedeutet werden. Veränderungen von 0,50 sind als mittelgradig und Effekte von 0,80 als groß zu bewerten. In der Studie wurden von den befragten Patienten, die die Epoetin-alpha-Therapie vollendeten (n=1047), Verbesserungen des Energieniveaus von durchschnittlich 0,83 angegeben. Bei dem Aktivitätsniveau gaben die Patienten Verbesserungen von 0,68 an und für die Gesamtveränderung der Lebensqualität einen Effekt von 0,60. Dabei wird besonders die Verbesserung der von den Patienten empfundenen verfügbaren Energie als wichtig bewertet. Diese Wirkung der Therapie ermöglicht es den überwiegend im häuslichen Umfeld lebenden Patientinnen (62 Prozent) und Patienten (38 Prozent), den Alltag weitgehend ohne fremde Hilfe zu bewältigen. Insbesondere bei vielen Patientinnen sorgte der abgefragte Therapieeffekt dafür, daß die Erkrankten ihren Hauhalt selbst weiterführen und sich – ähnlich wie in gesunden Tagen – verantwortlich um ihre Familie kümmern konnten. Die Zunahme der Lebensqualität hing nahezu ausschließlich vom Anstieg des individuellen Hämoglobinspiegels ab und entwickelte sich meist mit diesem parallel. Epoetin alpha verbesserte die Lebensqualität auch häufig bei den Patienten, die auf die verabreichte Chemotherapie nicht ansprachen und bei denen die Tumorerkrankung weiter voranschri

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