Arzneimittel und Therapie

COX-2-selektive Antirheumatika: ein Durchbruch?

Seit der Entdeckung der Cyclooxygenase 2 richten sich die Forschungsaktivitäten auf die Entwicklung selektiver Antirheumatika, die nur dieses Isoenzym hemmen. Solche Stoffe sollten gute antientzündliche und analgetische Eigenschaften besitzen, dagegen keine nennenswerte gastrointestinale und renale Toxizität.

Alle bisher verfügbaren Antirheumatika blockieren in therapeutischen Dosen die Cyclooxygenase 1 und 2 (COX-1 und COX-2). Diese mangelnde Selektivität ist die Ursache der bekannten gastrointestinalen und renalen Nebenwirkungen. Das Verträglichkeitsproblem, das bisher den Einsatz aller Antirheumatika belastet, wäre gelöst. Die ersten Wirkstoffe, für die eine COX-2-Selektivität beansprucht wird, sind Nimesulid, das in der Schweiz und in Italien u.a. als Aulin im Handel ist, das verwandte NS-398 und das gegenwärtig stark beworbene Meloxicam, ein Piroxicamanalogon. Mittlerweile hat bereits eine neue Generation COX-2-selektiver Wirkstoffe das Stadium der klinischen Erprobung erreicht. Sehr weit gediehen ist die Entwicklung von Celecoxib (SC-58635), das die Phase II erfolgreich durchlaufen hat und im folgenden näher behandelt wird.

In der Entwicklung: Celecoxib

Celecoxib, ein COX-2-selektives Antirheumatikum aus der Searle-Forschung, ist ein diarylsubstitutiertes Pyrazolderivat; es besitzt strukturelle Ähnlichkeit mit anderen heterozyklischen Verbindungen, namentlich Forschungssubstanzen der amerikanischen Merckgruppe, z.B. L-745337, die ebenfalls selektive Hemmstoffe der Cyclooxygenase 2 sein sollen. Erwähnenswert sind die 3,4-Diarylfuranone sowie Thiophen-, Thiazol- und Pyrrolabkömmlinge. Alle diese Substanzen tragen zwei benachbarte Arylsubstituenten am Heterozyklus. Ein regelmäßiges Strukturmerkmal ist auch die Sulfonamid- bzw. Sulfongruppe an einem der Phenylreste. Aus der Searle-Forschung stammt auch eine neue Klasse von hochpotenten COX-2-Inhibitoren (z.B. SC-58451), die sich vom 4-Spiro-1,2-diarylcylopenten ableiten. Weitere Substanzen von Searle, die sich in der präklinischen/klinischen Entwicklung befinden, sind: SC-58125, ein fluoriertes Diphenylpyrazol, das analgetisch und antiphlogistisch wirksam ist, aber im Tierversuch keine gastrointestinalen Nebenwirkungen zeigt; SC-58236, das bei stärker schmerzlindernder und entzündungshemmender Wirkung ein besseres Verträglichkeitsprofil besitzen soll. Alle vorstehend erwähnten Cyclooxygenasehemmstoffe, die zur klinischen Erprobung anstehen, besitzen eine Affinität zum COX-2-Isoenzym, die hundert- bis tausendmal größer ist als die zur Cyclooxygenase-1 (zum Vergleich: Meloxicam, das erste bisher in Deutschland verfügbare NSAR mit einer gewissen COX-2-Selektivität, zeigt nur eine dreimal größere COX-2-Hemmung). Läßt man das 1996 eingeführte Meloxicam (Mobec®) bzw. Nimesulid einmal außer Betracht, so dürfte Celecoxib (SC-58635) der erste Vertreter einer neuen Generation von NSAR sein, der die Marktreife erreicht. In-vitro-Experimente zeigen, daß die Affinität von Celecoxib zur Cyclooxygenase 2 gemessen an der halbmaximalen Hemmkonzentration (IC50) etwa 375mal höher ist als zur Cyclooxygenase 1. Diese nach einer Methode von Gierse et al. gewonnenen Ergebnisse sind jedoch nur in begrenztem Maße auf andere In-vitro-Meßsysteme und die Verhältnisse in vivo übertragbar. Allerdings belegen chronische Toxizitätsstudien an Hunden, die besonders empfänglich für gastrointestinale Nebenwirkungen herkömmlicher NSAR sind, daß selbst eine Tagesdosis von 35 mg/kg über einem Jahr gegeben keine gastrointestinalen Läsionen hervorruft. Die Plasmaspiegel (AUC-Werte) liegen bei dieser Dosis bis zu achtmal über denen im therapeutischen Dosisbereich. Erwartungsgemäß spielen Magen-/Darmulzera in den bisher vorliegenden klinischen Studien an Rheumapatienten, die bis zu 400 mg Celecoxib täglich erhalten haben, keine Rolle. Allerdings ist die Zahl der Behandelten, die den neuen Wirkstoff im Rahmen der klinischen Erprobung bekommen, noch zu gering, um ein endgültiges Urteil über die Verträglichkeit zu fällen.

Tiefgreifende Veränderungen?

Sollten sich die Hoffnungen bestätigen, die Rheumatologen und Schmerztherapeuten in die COX-2-selektiven Antirheumatika setzen, steht vielleicht eine Umwälzung am Pharmamarkt bevor. Bewährte Wirkstoffe wie Ibuprofen, Piroxicam, Indometacin würden obsolet. Allerdings – noch ist unklar, welche Nachteile man sich mit der neuen Generation von Antirheumatika einhandelt. Vorstellbar wären zentralnervöse Nebenwirkungen als Folge einer Hemmung der im Gehirn konstitutiv vorhandenen Cyclooxygenase 2. Offenbar ist jedoch die Entwicklung von COX-2-spezifischen Wirkstoffen nicht die einzige Antwort auf bisher ungelöste Verträglichkeitsprobleme der heute verfügbaren Antirheumatika. Eine Alternative sind möglicherweise Derivate klassischer NSAR, die Stickoxid, NO freisetzen, das im Gastrointestinaltrakt zytoprotektiv wirkt. Nitrofenac beispielsweise ist ein solches Derivat des Diclofenacs, das hinsichtlich seiner antientzündlichen und analgetischen Potenz der Muttersubstanz ebenbürtig ist, aber im Tierversuch eine weitaus geringere gastrointestinale Toxizität besitzt. Gleiches gilt für NO-freisetzende Derivate des Ibuprofens und Ketoprofens. Johnson & Johnson setzt auf die neue NO-Technologie und ist mit einem Spezialisten auf diesem Feld, der Bostoner Nitro-Med-Gruppe, eine strategische Allianz eingegangen. Ziel der Zusammenarbeit ist es, herkömmliche Antirheumatika mit NO-Donatoren zu kombinieren oder Derivate zu synthetisieren, die NO freisetzen.

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