DAZ aktuell

Acarbose: Empfehlungen zur Therapie

1992 wurde Acarbose als erster Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse eingeführt. Die DAZ unterhielt sich mit Prof. Dr. Markolf Hanefeld über den Nutzen und die Einsatzmöglichkeiten von Acarbose.

Der Nutzen der Acarbose ist umstritten, das ≥arznei-telegramm" 4/97 bewertet die Nutzen-Risiko-Bilanz ≥des teuren Additivums" Acarbose ≥aufgrund des geringen therapeutischen Nutzens und der deutlichen Störwirkungen" negativ. Wie bewerten Sie den Einsatz von Acarbose?

Wir haben seit 1989 umfangreiche Studien zur Wirksamkeit und den Indikationen von Acarbose durchgeführt, die wesentlich daran beteiligt waren, daß dieses Medikament durch das BGA zugelassen und dieses deutsche Weltpatent inzwischen in über 70 Ländern erfolgreich eingeführt wurde. Es ist keinesfalls so, wie das ≥arznei-telegramm" 4/97 schreibt, daß es sich bei Acarbose, einem oralen Antidiabetikum mit neuem Wirkprinzip, um ein Additivum handelt, sondern Acarbose hat sich als First-line-drug zur Behandlung des diätetisch nicht mehr führbaren Typ-II-Diabetes bewährt. Bei entsprechender Indikationsstellung sind die Wirkungen von Acarbose, Metformin und Sulfonylharnstoffen in Langzeitstudien in etwa gleich und liegen bei 1 Prozentpunkt HbA1C.Senkung. Hinzu kommt, daß Acarbose zu einer leichten Gewichtsreduktion führt und die Triglyceride mäßig und erhöhtes LDL-Cholesterol gering senkt. Der therapeutische Nutzen dieses antihyperglykämischen Medikamentes wurde auch für die Kombination mit Metformin, Sulfonylharnstoffen und Insulin in großen kontrollierten Studien belegt. In diesen kontrollierten Studien waren die Abbruchquoten wegen Nebenwirkungen 3 bis 5%. Ein Problem ist immer wieder die bei Beginn der Behandlung zu beobachtende Neigung zu Meteorismus und Flatulenz, die anfangs bei 50 bis 60% der Fälle, nach 3 bis 4 Monaten bei ca. 10% beobachtet wird. Im schlimmsten Falle führt das zum Abbruch der Einnahme. Acarbose ist aber das einzige Antidiabetikum, bei dem bis heute noch keine ernsten Nebenwirkungen, insbesondere kein Todesfall, beobachtet wurde. Die Nutzen/Risikobilanz ist also sehr positiv. Es bleibt mir immer wieder unverständlich, warum bei einer so klaren Datenlage so viele tendenziöse Meinungen über ein Medikament geäußert werden, nur weil es bei unsachgemäßer Anwendung mit einem relativ großem Prozentsatz subjektiv unangenehmer, jedoch weitgehend vermeidbarer und letztlich harmloser Nebenwirkungen belastet ist.

Erste Therapieoption im Anfangsstadium eines Typ-II-Diabetes ist die Diät. Kann eine Diät sinnvoll durch Acarbose ergänzt werden oder als Monotherapie eingesetzt werden, wenn die Diät versagt? Welche Erfolge sind bei den Patienten zu erwarten und welche Patienten profitieren von dieser Maßnahme?

Wie bereits ausgeführt, ist Acarbose neben Metformin als First-line-drug bei adipösen Typ-II-Diabetikern indiziert, soweit diese nicht ausreichend mit Diät eingestellt werden können. Ziel muß es dabei sein, den HbA1C-Wert unter 7% zu senken. Die Responderrate liegt in diesen Fällen bei 70 bis 80%. Besonders profitieren von Acarbose auch ältere Patienten mit leichtem Diabetes und Neigung zu Obstipation. Gerade diese multimorbiden Personen, bei denen es im Laufe des Tages zu einem stärkeren Blutzuckeranstieg kommt, sind die Hauptzielgruppe für Acarbose. Gleiches gilt für Frühformen des Typ-II-Diabetes im Grenzbereich zur gestörten Glucosetoleranz.

Kann Acarbose eine Diät ersetzen?

Acarbose kann nicht die Diät ersetzen. Vielmehr ist Voraussetzung für einen optimalen Effekt, daß der Patient reichlich komplexe Kohlenhydrate mit der Ernährung aufnimmt. Für die Vermeidung der Nebenwirkungen ist es wichtig, daß Hauszucker und andere leicht resorbierbare Kohlenhydrate gemieden werden, d.h. ein Patient profitiert um so mehr von Acarbose und hat um so weniger Nebenwirkungen, je vernünftiger er sich ernährt.

Wie bewerten Sie den Einsatz von Acarbose als adjuvante Therapie zu den anderen Behandlungsformen des Typ-II-Diabetes? Was bringt Acarbose hier?

Acarbose kann mit Erfolg als Adjuvanz bei Patienten eingesetzt werden, die mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen oder Insulin nicht optimal eingestellt sind. Gerade die Kombination mit Metformin und Sulfonylharnstoffen hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Man erreicht damit eine zusätzliche Senkung des HbA1C-Wertes um 0,7 bis 0,9 Prozentpunkte. Eine Kombination mit Insulin kann dann sinnvoll sein, wenn bei adipösen Patienten, die unter Insulin an Gewicht zunehmen, die Insulindosis nach Möglichkeit verringert werden soll. Durch die Zugabe von Acarbose können auch postprandiale Blutzuckeranstiege reduziert werden, die trotz entsprechenden Regularinsulindosen auftreten. Es gibt auch erste Ergebnisse der Kombinationsbehandlung Insulin mit Acarbose, wo morgens, mittags und abends Acarbose und zur Bettzeit ein NPH-Insulin gegeben werden.

Mehr als die Hälfte der Anwender klagt über abdominelle Schmerzen, Blähungen und Durchfall, weil die nicht aufgespaltenen Polysacharide in tiefere Darmabschnitte gelangen und dort von Bakterien fermentiert werden. Lohnt sich trotz dieser Nebenwirkungen ein Einsatz überhaupt?

Die Nebenwirkungen unter Acarbose können durch zwei einfache Maßnahmen drastisch reduziert werden: 1. Das Medikament sollte einschleichend mit Anfangsdosen 2 ř 25 mg gegeben werden. Eine notwendige Dosissteigerung sollte in 2- bis 3-Wochenintervallen vorgenommen werden. 2. Man sollte mit dem Patienten ein intensives Diätgespräch führen und ihn darauf aufmerksam machen, daß durch das Vermeiden von leicht resorbierbaren Kohlenhydraten und Zuckeralkoholen (Sorbit) als Süßungsstoffe die Nebenwirkungen stark eingeschränkt werden können. Ich erkläre den Patienten stets, daß der Darm eine gewisse Zeit braucht, um sich an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen. Unter diesen Umständen liegen in der Dresdner Stoffwechselambulanz die Abbruchraten unter 5%, wie übrigens auch in einer bundesweiten Postmarketingstudie bei über 10000 Patienten. Die leicht abführende Wirkung wird von vielen älteren Menschen als Vorteil empfunden und kann helfen, Abführmittel einzusparen. Eine entsprechende Wirkung auf das HbA1C vorausgesetzt, lohnt sich also die Einnahme von Acarbose, da es sich um eine wirksame und sichere Substanz handelt. Die inzwischen vorliegenden Einjahresdaten einer großen englischen Studie bestätigen dies eindrucksvoll.

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