Arzneimittel und Therapie

AIDS: Ist eine Heilung in Sicht?

Das Arsenal von Medikamenten gegen das HI-Virus ist mittlerweile auf mehr als zehn angewachsen, und neue Mittel wie 1592U89 und 14IW94 sind für 1998 angekündigt; das allein schon weckt Hoffnung, auch wenn einige dieser Stoffe in Europa nur im Rahmen klinischer Prüfungen verfügbar sind.

Moderne Behandlungsstrategien von AIDS-Patienten beruhen auf der gleichzeitigen Anwendung dreier Wirkstoffe mit zwei unterschiedlichen Angriffspunkten; dabei gilt immer mehr das Prinzip, ≥hart und früh zuzuschlagen". Die medikamentöse Attacke zielt dabei auf zwei Schlüsselenzyme des HIV-Virus, die Reverse Transkriptase und eine spezielle viruseigene Protease. Diese Enzyme bilden die Achillesferse des Virus; wenn sie blockiert sind, können keine infektiösen Partikel mehr entstehen. Die Viruskonzentration fällt unter die Nachweisgrenze Eine Kombination von Mitteln wie Zidovudin, Didanosin, Zalcitabin oder Stavudin, die alle die virale Transkriptase hemmen, und Proteinaseinhibitoren wie Saquinavir oder Indinavir bewirkt in der Tat Erstaunliches: der heimtückische Erreger verschwindet aus dem Blut; die Viruskonzentration fällt unter die Nachweisgrenze.

Heilung möglich?

Eigentlich sollte es möglich sein, so hoffen viele Infizierte, mit einem solchen ≥Medikamentenmix" das HI-Virus gänzlich aus dem Organismus zu verbannen. Forscher äußern sich meist skeptisch zu diesen Erwartungen und verweisen auf Rückzugsmöglichkeiten des Erregers im Gehirn und dem Lymphgewebe (s. DAZ 22/97, S. 14). Wenn das Virus einmal in eine Körperzelle eingedrungen ist, so argumentieren sie, wird eine DNS-Kopie seines Erbguts in das Genom der Wirtszelle eingebaut. Teilt sich die befallene Zelle, entstehen neue Viruspartikel. Solange die Zelle aber ruht, bleibt die fremde Erbsubstanz für das körpereigene Immunsystem unsichtbar und unangreifbar für die heute verfügbaren Medikamente. Trotzdem, drei Veröffentlichungen der letzten Zeit bestärken die Optimisten in ihrem Glauben an den Durchbruch. Eine Arbeitsgruppe um Dr. Winston Cavert an der Universität von Minnesota hat mit einer Dreierkombination aus dem Proteaseinhibitor Ritonavir, sowie dem altbewährten Zidovudin und dem neueren Lamivudin das Virus zu mehr als 99,9% aus dem Lymphgewebe der Rachenmandeln eliminieren können. Die Ergebnisse beruhen auf Untersuchungen an 34 Versuchspersonen. Auch wenn diese Patientenzahl in den Augen der Statistiker klein ist, die Betroffenen dürfen hoffen. Allerdings, die Forscher schließen nicht aus, daß durch weitere Virusreservoirs in anderen Lymphzellen die Krankheit erneut aufflackern könnte, wenn die Therapie abgesetzt würde. Zwei weitere Arbeiten, die am 8. Mai in der angesehenen Zeitschrift ≥Nature" erschienen sind, berichten ebenfalls über erstaunliche Erfolge bei der Eradikation des HIV-Virus. Einer der Wissenschaftler, Dr. David Ho vom Aaron Diamond AIDS Research Center, hat eine Vision; er hält es für machbar, das Virus vollständig aus dem Körper zu entfernen, was eine Heilung der Immunschwächekrankheit AIDS bedeuten würde. Allerdings, so schränkt er ein, sollte man nicht glauben, dieser Erfolg liege in greifbarer Nähe. Vielleicht verschaffen die neuen Kombinationstherapien den Betroffenen tatsächlich nur eine Atempause. Die Wandlungsfähigkeit des Virus läßt rasch resistente Mutanten entstehen und die Waffen aus den Forschungslabors der großen Pharmaunternehmen könnten bald stumpf werden. Unzulängliche Therapien, etwa eine Kombination von zwei Hemmstoffen der Reversen Transkriptase werden noch immer offiziell empfohlen; sie sind jedoch der Wegbereiter für neue multiresistente Superviren, denn eine solche Behandlung reicht nicht aus, um die Vermehrung des Erregers auf längere Sicht zu unterdrücken und läßt ihm den Spielraum zur Resistenzentwicklung. Wird dann später ein Proteaseinhibitor zusätzlich genommen, kommt das einer Monotherapie gleich mit der Gefahr, daß auch diese neuen Mittel dem Virus bald nichts mehr anhaben können. In den Vereinigten Staaten steigt die Zahl der Aidstoten bereits wieder. Im ersten Halbjahr 1996 war sie noch, begleitet von euphorischen Kommentaren der Medien, um gut 12% zurückgegangen.

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