Bericht

Ärzte und Kassen: Sind Ärzteboni bedenklich?

Ärzte und Krankenkassen wollen Apotheker nicht in die Verhandlungen über Modelle oder Strukturverträge einbinden. Brisantes zur aktuellen Berufspolitik gab es bei der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion "Arzneibudgets als Sackgasse" auf der Interpharm Leipzig.

Dort prallten die unterschiedlichen Auffassungen von Apothekern, Ärzten und Krankenkassenvertretern über Boni an Ärzte etwa für sparsame Arzneimittel-Verschreibungen aufeinander. Einhellig lehnten Dr. Jürgen Bausch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und Dr. Hans Jürgen Ahrens vom AOK-Bundesverband die Forderung nach mehr Mitwirkung der Pharmazeuten ab.

Die ab Juli mit dem zweiten Neuordnungsgesetz der Regierung vorgegebene Ablösung der Arznei- und Heilmittelbudgets durch Richtgrößen wird in der Praxis nicht ohne Schwierigkeiten verlaufen. Dies wurde bei den Äußerungen von Dr. Jürgen Bausch, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und Arzneimittel-Fachmann der niedergelassenen Mediziner auf Bundesebene, deutlich. Vor 1999, schätzte das KBV-Vorstandsmitglied, werden facharztbezogene, je nach Kassenart differenzierte Richtgrößen nicht möglich sein. Richtgrößen sind ein Instrument der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Ärzte, die zum Beispiel bei Arzneimitteln Grenzen in ihrer Fachgruppe überschreiten, gelangen in ein Prüfverfahren, ab einer bestimmten Überschreitung folgen automatisch Honorarkürzungen (Regresse). Wie Bausch sagte, sollten Praxisbesonderheiten von vornherein herausgenommen werden, ein niedergelassener Onkologe mit vielen Krebspatienten liege bei der Verordnung von Zytostatika immer über dem Durchschnitt der Internisten. Er sprach sich dafür aus, auf die Beratung von vielverordnenden Ärzten zu setzen. Legten Ärzte und Kassen die Richtgrößen zu eng an, drohe eine nicht zu bewältigende "Prüforgie". Der Arzt prognostizierte eine zunehmende Angst vor Regressen unter seinen niedergelassenen Kollegen. Um dem entgegenzuwirken setze beispielsweise die KV Hessen auf Verordnungsanalysen mit der Software "pharmpro" in Kooperation mit den Ortskrankenkassen zur Beratung der Ärzte. Für eine sinnvolle Steuerung der Pharmakotherapie entstehe jedoch ein Mehraufwand für die niedergelassenen, der vergütet werden müsse.

Koch: Bonus für Arzt problematisch

Erhebliche Bedenken äußerte Monika Koch, Vorsitzende des sächsischen Apothekerverbands, gegen Boni für Ärzte, wenn diese bei veranlaßten Leistungen wie Arzneiverordnungen sparten. Dies sei grundsätzlich, aber auch angesichts der aktuellen schwierigen wirtschaftlichen Situation der Mediziner abzulehnen. Keinesfalls dürften solche Anreize zu Lasten der Patientenversorgung gehen. Zuvor hatte Dr. Hans Jürgen Ahrens für Boni für Ärzte als Anreiz zum Sparen plädiert. Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands sah keine Gefahren für eine verschlechterte Patientenversorgung, da auch die Kassen kein Interesse daran hätten. Solche Anreize könnten in Modellvorhaben (zeitlich begrenzt) oder Strukturverträge (unbegrenzt) - wie kombinierte Praxen, kombinierte Budgets oder Hausarztabo - umgesetzt werden.

Verträge zu Lasten der Apotheker?

ABDA-Geschäftsführer Dr. Paul Hoffacker befürchtete in diesem Zusammenhang Verträge zu Lasten der Apotheker, Industrie oder Kliniken und forderte ein verbindliches Anhörungsrecht wie zu den Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. Ärztevertreter Bausch sah keine Notwendigkeit, die Apotheker in diese Modelle einzubinden, die Verhandlungen seien bereits zwischen Ärzten und Kassen kompliziert genug. AOK-Chef Ahrens forderte die Pharmazeuten auf, zunächst den Nutzen ihrer Teilnahme darzulegen. Professor Walter Krämer, Statistiker der Universität Dortmund, begrüßte zumindest die Offenheit, mit der eingestanden werde, daß auch Akteure wie die Ärzte auf finanzielle Anreize reagierten. Bausch als Ärztevertreter relativierte Bonus-Malus-Vorschläge. Bei einem Malus drohe die Gefahr, daß ein Arzt vorschnell Patienten zu niedergelassenen Kollegen über- oder ins Krankenhaus einweise, um diesem zu entgehen. Er halte aber auch nichts von einem Bonussystem. Besser sei die Beratung der Ärzte.

Angebote der Apotheker

ABDA-Geschäftsführer Hoffacker schlug Verordnungsanalysen in überschaubaren Arzt-Apothekerkreisen vor. Die SAV-Vorsitzende Koch plädierte für eine stärkere Einbindung der Pharmazeuten beim disease management zum Beispiel bei der Bekämpfung der Falschanwendung von Arzneimitteln. Angesichts der steigenden Zahl älter werdender, oft multimorbider Bürger könne etwa über die Zuteilung von Wochenrationen und Überwachung der korrekten Einnahme durch Apotheker nachgedacht werden. Den erhöhten Mehraufwand an Arbeit müßten die Kassen jedoch vergüten.

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