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Interview: Richtgrößen im Visier

Die Ablösung der regionalen Arzneimittelbudgets durch Richtgrößen wird künftig die Arzneimittelpolitik der niedergelassenen Ärzte bestimmen. Diese Einschätzung äußerte Dr. Jürgen Bausch, der vor kurzem neu in den Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gewählt worden ist, in einem Interview mit der DAZ.

DAZ: Herr Dr. Bausch, zunächst Glückwunsch zu Ihrer Wahl in den Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Was sind aus Ihrer Sicht Schwerpunkte im Arzneimittelsektor, für die Sie sich stark machen möchten?

Bausch

: Im Arzneibereich wird viel Arbeit auf die KBV zukommen, weil die Ablösung der Globalbudgets durch Individualbudgets - also Richtgrößen - diejenigen Ärzte vor Probleme stellen wird, die durch Richtgrößenprüfungen gefährdet sind. Unsere Aufgabe ist es, die Ärzte davor zu schützen, daß sie durch diese Prüfungen in materielle Not geraten. Wir müssen uns überlegen, wie wir den gefährdeten Ärzten Hilfestellung in Form von Beratung geben, damit sie eine rationale und rationelle Arzneimitteltherapie vornehmen und sich gleichzeitig auch im Spielraum der Richtgrößen bewegen können. Der schwierigere Part ist der, mit den Krankenkassen intelligente Richtgrößen zu vereinbaren und zu verhindern, daß das dadurch veränderte Verordnungsverhalten auf dem Rücken der Ärzte und Patienten ausgetragen wird. Die Krankenkassen dürfen sich dann nicht mehr aus der Verantwortung stehlen und in Aussagen ausweichen wie "Der Doktor darf". Sie müssen ihren Versicherten klarmachen, daß die finanzielle Situation im Gesundheitswesen Einschränkungen von allen Beteiligten verlangt. Und der Arzt muß erkennen können, daß die vereinbarten Richtgrößen eine moderne Medizin unter rationalen Gesichtspunkten zulassen.

DAZ: Ihre Forderung an die Kassen ist, gemeinsam Richtgrößen zu vereinbaren?

Bausch

: Der Gesetzgeber sieht dies für die jeweiligen Verbände vor. Die Kassen werden versuchen, die Richtgrößen so niedrig wie möglich zu vereinbaren, um zu sparen. Und wir werden versuchen, unsere Ärzte vor Überforderung zu schützen.

DAZ: Sie sind bundesweit bekannt geworden zum Beispiel durch die Pharmakotherapiezirkel in der KV Hessen. Was sind wichtige Erkenntnisse, die Sie aus der Arbeit dort gewonnen haben?

Bausch

: Jede Form von Qualitätszirkelarbeit führt, das ist unsere Erfahrung, zu einer Verbesserung der Versorgung der Patienten. Wenn man spezielle Themen wie die rationale Arzneimitteltherapie bei den Beratungen aufgreift, kommt man auch dort zu einer wirtschaftlichen Verordnungsweise, die dennoch die Versorgung verbessert. Nach wie vor ist der Arzneimittelmarkt unübersichtlich, es fällt den Ärzten schwer, sich zurechtzufinden. Hier Informationen zu geben, ist die Aufgabe, die ich für die Zukunft sehe. Allerdings muß der Gesetzgeber für die KVen verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen schaffen.

DAZ: Die Apotheker bieten seit geraumer Zeit an, daß sich niedergelassene Mediziner und Pharmazeuten in regionalen Arbeitskreisen über Arzneimittel austauschen.

Bausch

: Überall da, wo sich solche Kooperationen bilden, halte ich sie für sinnvoll. Aber ich denke, daß den Ärzten oft einfach die Zeit für die gut angedachten Projekte fehlt.

DAZ: Wie stehen Sie zur Selbstmedikation?

Bausch

: Hier sind zwei Dinge zu beachten. Wir beobachten, daß in diesem Markt eine übergroße Fülle von Schmerzmitteln verbraucht wird, mit zunehmender Tendenz. Das macht mir Sorgen. Es häufen sich Berichte über gastrointestinale Blutungen, weil Menschen im Übermaß Analgetika ohne ärztliche Betreuung nehmen. Bei so wirksamen Substanzen sollte überlegt werden, ob es so weitergehen kann. Bei dem übrigen OTC-Markt denke ich, das müssen die Marktmechanismen bestimmen.

DAZ: Wie sehen Sie im Zusammenhang mit freiverkäuflichen Schmerzmitteln die Position des Apothekers?

Bausch

: Ich kenne viele Apotheker, die ihren Kunden direkt von dem Überkonsum abraten. Aber bei vielen Patienten überwiegt der Wunsch nach dem Präparat. Die zündende Idee dagegen habe ich auch nicht, allerdings halte ich einen Eingriff des Staates über Änderungen bei der Verschreibungspflicht für das letzte Instrument, das eingesetzt werden sollte.

DAZ: Welche Erwartungen haben Sie an die Apotheker ?

Bausch: Ich bin in einer Gemeinschaftspraxis auf dem Land niedergelassen. Wir haben ein außerordentlich gutes Verhältnis zu den drei Apothekern. Ich könnte mir vorstellen, daß dies in den unübersichtlichen Städten anders aussieht.
Die Pharmazeuten sollten von ihrem Sachverstand über Wirkung und Qualität von Arzneimitteln oder Bioäquivalenz im Gespräch mit Medizinern Gebrauch machen. Ich persönlich bin nie beleidigt, wenn mir Bedenken mitgeteilt werden. Ich weiß aber, daß sich einige Apotheker zum Teil zurückhalten, weil sie negative Reaktionen der Ärzte befürcht

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