Arzneimittel und Therapie

Neuraminidase-Blocker: Klinische Prüfung

Neuraminidase-Blocker unterbinden die Weitergabe von Grippevirus-Partikeln im Respirationstrakt. Erste vorklinische Studienergebnisse erscheinen erfolgversprechend, wenn auch noch keine Aussagen über Sicherheit und Resistenzentwicklung der neuen Substanzen gemacht werden können.

Die virale Neuraminidase spielt eine wichtige Rolle beim Ausbreiten einer Grippeinfektion im Respirationstrakt. Sie löst eine chemische Bindung, die zwischen einem zellgebundenen Zuckermolekül und einem Oberflächenprotein des Virus besteht. Dadurch werden virale Partikel abgespalten und weitergegeben. In Anwesenheit eines Neuraminidase-Blockers reagiert die virale Neuraminidase nicht mit dem zellgebundenen Zuckermolekül, sondern mit dem Arzneistoff, und die viralen Partikel können nicht abgespalten werden, die Infektion kann sich nicht weiter ausbreiten. Da der für diese Vorgänge entscheidende Teil der viralen Neuraminidase bei allen Influenza-Stämmen gleich aufgebaut ist, ist ein Neuraminidase-Blocker gegen alle Grippeerreger wirksam. Der neueste Neuraminidase-Blocker GS 4104 (Hoffmann-La Roche AG und Gilead Sciences, Inc.) ist ein Derivat der Sialinsäure (N-Acetyl-Neuraminsäure). Er wurde bereits in Zellkulturen und Tierversuchen eingesetzt. Die bisherigen Resultate waren erfolgversprechend: GS 4104 wirkte gegen zahlreiche Stämme der Influenza-A- und -B-Viren. Grippesymptome wie Fieber und Husten verschwanden rasch oder ihr Schweregrad nahm ab, wenn der Wirkstoff nach einer Infektion mit Influenzaviren verabreicht wurde. GS 4104 verhütete das Auftreten einer Infektion vollständig, wenn man es den Tieren vor der Infektion mit den Viren gab. Das Medikament war auch dann noch gut verträglich, wenn es in höheren als beim Menschen zu verwendenden Dosen eingesetzt wurde. Aufgrund seiner besonderen chemischen Struktur – ein hydrophober Teil sorgt für eine Resorption in der Darmschleimhaut, ein hydrophiler Teil für die Reaktion mit der viralen Neuraminidase – kann GS 4104 in oraler Form gegeben werden. Jetzt beginnt die erste klinische Studie in Großbritannien. Ein weiterer Neuraminidase-Blocker, Zanamivir (Glaxo Wellcome), wurde bereits 1993 entwickelt und befindet sich derzeit in der klinischen Prüfung, die noch in diesem Jahr abgeschlossen sein soll. Zanamivir besitzt den gleichen Wirkmechanismus und eine ähnliche chemische Struktur wie GS 4104, kann jedoch nur nasal oder via Inhalation appliziert werden, da es im Gastrointestinaltrakt nicht resorbiert wird. Die bislang vorliegenden Ergebnisse zeigen, daß Zanamivir den Ausbruch der Grippesymptome verhindert oder bei Gabe nach einer Infektion die Krankheitsdauer verkürzt. Zanamivir ist gut verträglich, und bislang wurden keine auffallenden unerwünschten Wirkungen registriert. Untersuchungen mit Zanamivir und GS 4104 haben gezeigt, daß beide Blocker sehr selektiv an die Influenza-Neuraminidase binden und Interaktionen mit humanen Enzymen nicht zu erwarten sind.

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