Pharmahersteller wollen Entwicklung und Produktion nach China verlagern
Arzneimittelhersteller stehen durch die Zolldrohungen der US-Regierung und deren Forderung nach drastischen Preissenkungen in den Vereinigten Staaten unter Druck. In der Pharmabranche könnte das zu einer Schwerpunktverlagerung in den asiatischen Raum führen.
Pfizer-Chef wirbt für Zusammenarbeit mit China
Für eine verstärkte Kooperation mit China setzt sich aktuell der Vorstandsvorsitzende des US-Konzerns Pfizer, Albert Bourla, ein. Wie das Nachrichtenportal Reuters berichtet, hatte er sich am Dienstag während einer Rede auf der Gala des National Committee on U.S.-Relations in New York an die Pharmaindustrie gewandt. Er warb für eine engere Zusammenarbeit der Branche mit China: „Chinesische Biotech-Unternehmen machten im vergangenen Jahr fast ein Drittel aller großen Lizenzvereinbarungen für Arzneimittel aus, was eine bedeutende Verschiebung der Innovationsquellen darstellt.“
Chinesische Unternehmen hätten durch ihre Größenordnung und ihr rapides Entwicklungstempo eine „Verschiebung in der globalen Wettbewerbslandschaft ausgelöst“, so Bourla. Er sieht deutliche Standortvorteile für chinesische Produktionsstätten. Beispielsweise könnten sie zwei- bis fünfmal so schnell Patienten für klinische Studien gewinnen wie US-Unternehmen.
Pfizer vereinbarte bereits zum Jahresbeginn eine Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen 3SBio zur Lizenzierung einer bisher experimentellen Krebsbehandlung. Dafür zahlte Pfizer 1,25 Milliarden US-Dollar im Voraus – weitere 4,8 Milliarden US-Dollar sollen folgen, wenn die nächsten Entwicklungsetappen der neuen Therapieform erfolgreich abgeschlossen werden.
Boehringer produziert Diabetesmittel in Shanghai
Das chinesische staatliche Informationsportal Yicai Global berichtete am Montag darüber, dass der Pharmahersteller Boehringer Ingelheim zukünftig sein Diabetesarzneimittel Trajenta in seinem Werk in Shanghai produzieren wird. Bis 2028 soll es von dort aus den chinesischen Markt beliefern. Laut Yicai Global ist der weltweite Umsatz von Trajenta im Jahr 2023 auf 1,7 Milliarden Euro gestiegen.
China wird durch Trump attraktiver
Aktuell ist die Pharmabranche durch die Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump verunsichert. Noch am 25. September hatte Trump mit Zöllen auf die Einfuhr von Arzneimitteln in Höhe von 100 Prozent gedroht. Doch wenige Tage später folgte die vorläufige Entwarnung: Trump ließ verlautbaren, er wolle an der mit der EU-Kommission ausgehandelten Zollschranke in Höhe von 15 Prozent festhalten.
Trumps Kurswechsel könnte durch Zugeständnisse aus der Pharmabranche beeinflusst worden sein. Sein Hauptziel gegenüber den Arzneimittelherstellern ist die Senkung der Kosten für die US-amerikanischen Patient*innen. Er hatte die Pharmahersteller aufgefordert, die Preise für Rx-Arzneimittel in den USA auf das niedrigste Niveau anderer Industriestaaten zu senken. Am 29. September war eine von ihm gesetzte Frist ausgelaufen. Bis dahin sollten 17 der größten Pharmahersteller, die von ihm adressiert worden waren, Vorschläge zur Senkung der Preise vorlegen.
Am 30. September gab das US-Unternehmen Pfizer bekannt, dass es mit der US-Regierung einen Deal vereinbart habe, der den Forderungen Trumps entspreche. In der vergangenen Woche zog der britische Arzneimittelhersteller AstraZeneca nach und gab eine entsprechende Absprache mit der US-Regierung bekannt. Novo Nordisk hatte sich bereits im August dem Druck in den USA gebeugt und dort die Preise für seine Blockbuster Ozempic und Wegovy um knapp 50 Prozent gesenkt.
Erklärtes Ziel von Trumps Zolldrohungen ist es auch, die Pharmaunternehmen zur Verlagerung ihrer Produktion in die USA zu bewegen. Roche, Novartis, Johnson&Johnson und Eli Lilly kündigten an, ihre Produktion in den USA auszubauen.
Allerdings machen der harte Kurs Trumps gegenüber der Pharmaindustrie und seine zum Teil unvorhersehbaren Kurswechsel andere Märkte attraktiver. So könnte seine Politik auch eine weitere Verlagerung der Pharmaproduktion nach China befördern. Dort locken einige Standortvorteile – nicht zuletzt ein äußerst günstiges Umfeld für die Entwicklung neuer Produkte.
Eine Verlagerung von Produktionskapazitäten liegt dabei nicht nur dann vor, wenn eine Firma an einem Ort geschlossen und an einem anderen wiedereröffnet wird, sondern auch, wenn durch den Ausbau von Produktionsstätten und -kapazitäten ein prozentual größerer Teil des Geschäftes eines Unternehmens in einer anderen Region stattfindet, so wie im Fall von Boehringer.
Größe, Geschwindigkeit und Planungssicherheit
Der Leiter des chinesischen Geschäftssparte von Boehringer Ingelheim, Mohammed Tawil, sagte laut Yicai Global, man wolle die Größe, Geschwindigkeit und den Einfluss Chinas für die Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel nutzen.
Das Unternehmen aus Rheinland-Pfalz hatte zum Jahresbeginn angekündigt, rund 700 Millionen US-Dollar für die Entwicklung neuer Produkte in China zu investieren – insbesondere in den Bereichen Stoffwechsel, Entzündungen, Augengesundheit, Onkologie und Impfstoffe. Boehringer beschäftigt 3.700 Mitarbeiter*innen in China. Neben niedrigeren Produktionskosten ist China gegenüber den USA derzeit auch durch eine bessere Planungssicherheit für Pharmahersteller attraktiv.